Schadensersatzanspruch des Verbrauchers im UWG

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Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in der aktuellen Fassung, gültig seit 28.5.2022, spricht jetzt ausdrücklich auch dem Verbraucher die Möglichkeit des Schadensersatzanspruches zu. Dieses Recht leitet sich aus Art. 11a der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (sog. UGP-RL) ab, der Verbrauchern, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen, einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens sowie gegebenenfalls Preisminderung oder Beendigung des Vertrages verschafft. 

Die Bestimmung findet sich nun in § 9 II UWG. Sie lautet:

(2) Wer vorsätzlich oder fahrlässig einen nach Paragraf drei unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten, ist Ihnen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet…

I. Wesen der Regelung

Interessant an dieser Regelung ist, dass sie, was bisher nach dem UWG nicht möglich war, nun dem Verbraucher einen Anspruch innerhalb des UWG zugesteht, und dass der Verbraucher diesen Anspruch auch selbst geltend machen kann. Er  wird nicht gezwungen, den Weg über die im UWG ausdrücklich genannten Anspruchsberechtigten zu gehen. 

Der Anspruch kann entweder mittels individuell beauftragten eines Anwalts oder

mittels Musterfeststellungsklage und gegebenenfalls  Sammelklage geltend gemacht werden. Das bietet sich an, werden doch in den allermeisten Fällen die reklamierten unlauteren Geschäftspraktiken ihn wohl kaum alleine betroffen haben.

Der Schadensersatzanspruch des Verbrauchers im UWG ist ein individueller Anspruch und kann  gegebenenfalls auch individuell geltend gemacht werden. Zuständig sind die Gerichte nach den allgemeinen Vorschriften, also auch entgegen der sonst ausschließlichen Zuständigkeit der Landgerichte  je nach Streitwert auch die Amtsgerichte.

Zudem ist der in § 9 II UWG genannte Schadensersatzanspruch ein Anspruch, den ausschließlich der Verbraucher geltend machen kann. Dies schließt zugleich aus, dass dieser spezielle Anspruch Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern zusteht.

Nicht erfasst werden von diesem Schadensersatzanspruch bestimmte geschäftliche Handlungen. Dazu gehören der Rechtsbruch (§ 3a UWG), die Herabsetzung oder Diskriminierung, die geschäftliche Schädigung, die Nachahmung und die Behinderung (§ 4 UWG), Fälle der vergleichenden Werbung (§ 6 UWG) sowie die Nummer 32 des Anhangs, also die Aufforderung zur Zahlung bei unerwarteten Besuchern in der Wohnung aufgrund eines abgeschlossenen Vertrages vor Ablauf des Tages des Vertragsabschlusses.

Anwendbar bleiben damit die Nummern. 1-31 des Anhangs sowie sorgfaltswidriges, insbesondere irreführendes und aggressives Verhalten, das den Verbraucher wesentlich beeinflusst (§ 3 II UWG) oder den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er anderenfalls nicht getroffen hätte, die Irreführung und die Irreführung durch Unterlassen (§ 5a UWG).

II. Verhältnis zum bürgerlichen Recht

Der Schadensersatzanspruch des § 9 II UWG lässt die Schadensersatzansprüche des BGB unberührt, die sich beispielsweise aus §§ 280 I , 241 II, 311 II BGB oder aus § 826 BGB (den wir aus den Dieselskandal Fällen kennen) ergeben können. Es besteht Anspruchskonkurrenz, d.h. die Ansprüche können nebeneinander geltend gemacht werden. Anwendbar bleiben daneben alternativ auch das Recht zur Anfechtung des Vertrages, das Rücktrittsrecht, aber auch die Gewährleistungsrechte Verbrauchers.

§ 9 II UWG ist ein deliktische Anspruch, für den grundsätzlich die Vorschriften des Deliktrechts gelten. Soweit die Verjährung betroffen ist, gilt die Verjährungsfrist von einem Jahr und nicht die Dreijahresfrist der unerlaubten Handlungen.

Es ergibt sich eine besondere Situation, wenn dem Verbraucher zugleich Gewährleistungsansprüche, etwa aus Kauf oder Werkvertrag zustehen. Im Gewährleistungsrecht kann der Verbraucher grundsätzlich erst nach erfolgloser Fristsetzung zur Nacherfüllung vom Vertrag zurücktreten. Das verlangt § 9 II UWG nicht.

Für § 9 II UWG ist zu bedenken, dass dieser deliktsrechtlich zu qualifizierende Anspruch das Interesse an einer freien und informierten geschäftlichen Entscheidung des Verbraucher schützt. Dieser Anspruch steht dem § 826 BGB nahe. Die Vorschrift dehnt den Schutz des Verbrauchers auf fahrlässig begangene Wettbewerbsverstöße aus. Der Verbraucher kann zwischen den Gewährleistungsrechten und dem Anspruch nach § 9 II UWG frei wählen, möglicherweise auch noch während eines bereits anhängigen Verfahrens.

Der Schadensersatzanspruch des § 9 II UWG beinhaltet keinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch. Ein solcher Anspruch steht nur den in § 8 UWG genannten Anspruchsberechtigten zu, also vor allem Mitbewerbern. Unterlassungsansprüche des Verbrauchers bestehen aber aus den allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften des BGB (823 I, 823 II in Verbindung mit den von dem Normzweck erfassten Schutzvorschriften oder § 826 BGB). Diese Vorschriften setzen allerdings im Gegensatz zu§ 9 II UWG Vorsatz voraus.

III. Umfang des Schadensersatzes

Die Begründung des Regierungsentwurfs geht explizit davon aus, dass regelmäßig nur das negative Interesse zu ersetzen sei (RegE BT-Drs. 19/27873, 41). Dies würde bedeuten, dass etwa nur die Fahrtkosten zu ersetzen wären. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum für § 9 II UWG eine solche Beschränkung gelten soll, steht § 9 II UWG zum einen den deliktsrechtlichen Vorschriften nahe (§§ 823, 826 BGB), zum anderen sieht die Vorschrift diese Einschränkung nicht explizit vor. Wird deutlich, dass gerade die in den Dieselskandal - Fällen vom BGH festgestellte vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) adäquat den unzulässigen Handlungen des § 3 UWG nebst Anhang entspricht, ist nicht ersichtlich, warum mit § 9 II UWG der Verbraucher nicht so zu stellen sein soll wie gemäß den Vorschriften der §§ 249 BGB über den Schadensersatz, also umfassend.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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