Schadhafte Rückseitenfolien bei Photovoltaik-Modulen (Solarmodulen) / Polyamid und PET Rückseitenfolien

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Seit ein paar Jahren stellen Photovoltaikanlagenbetreiber fortscheitende Schäden an den Rückseitenfolien ihrer Solarmodule fest.

Bei Modulen, die mit einer marktbekannten Rückseitenfolie aus dreilagigem Polyamid ausgestattet sind, zeigen sich folgende Schadensbilder:

Zuerst stellt man Auskreiden (Chalking) fest; hierbei tritt Titanoxid aus, das die Haltbarkeit der Kunststofffolien gegen das UV-Licht sichern sollte. Danach zeigen sich Versprödungen, Risse, durch eindringendes Wasser zerstörte Randverbünde, Delaminationen, Hotspots und Glasbrüche. Das eindringende Wasser führt dann gehäuft zu Wechselrichterabschaltungen bzw. einem verspäteten Einschalten des Wechselrichters wegen eines zu niedrigen Isolationswiderstandes (Iso-Fehler). Aufgrund der massiven Modulschäden kann es zu Lichtbögen mit Bränden kommen.

Bei den Modulen mit den problematischen PET-Rückseitenfolien zeigen sich anfangs andere Symptome, da die Beschädigungen in der inneren der drei Rückseitenfolienschichten beginnen. Man sieht z.B. kleine Risse und auch Vergilbung (Yellowing). Es kann hierbei in der Folge zu ablösenden Rückseitenfolien, Blasen und Delaminationen führen, die wiederum Iso-Fehler auslösen.

Folglich entstehen bei beiden problematischen Rückseitenfolientypen massive Modulschäden und Leistungsverluste der Photovoltaik-Anlagen. PV-Sachverständige gehen davon aus, dass nach und nach alle betroffenen Module vollständig zerstört sein werden.

Welche Rechte hat der Anlagenbetreiber?

Vielfach hat der Anlagenbetreiber einen Generalunternehmervertrag zur Errichtung der PV Anlage oder mit einem Installateur einen Vertrag zur Errichtung einer solchen Anlage abgeschlossen.

Je nach Einzelfall kann es sich hierbei um einen Werkvertrag oder Werklieferungsvertrag/Kaufvertrag handeln. Sieht man die PV Anlage als Bauwerk und/oder die Module als Baumaterialien, dann gilt eine 5-jährige Gewährleistungsfrist. (Siehe hierzu meinen Rechtstipp „Errichtung von Photovoltaikanlagen, Werkvertrag oder Kaufvertrag? Gewährleistungsfristen“).

Es stellt sich daher die Frage, ob die Module mit solchen problematischen Rückseitenfolien an einem Mangel im Sinne des § 434 BGB (Sachmangel) bzw. § 633 II BGB (Werkmangel) leiden.

Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Mangels ist beim Kaufvertrag grundsätzlich die Übergabe der Sache und beim Werkvertrag die Abnahme des Werks.

Die Rückseitenfolienprobleme entstehen aber meist erst viel später. Vor allem die Modulhersteller argumentieren daher, dass ein Mangel erst später entstanden sei und nicht schon bei Übergabe/Abnahme vorhanden war. Dies ist aber falsch. Bei dieser irrigen Auffassung wird das Vorliegen bzw. die Entstehung eines Schadens mit dem Vorhandensein eines Mangels verwechselt.

Module mit den problematischen Rückseitenfolien können aus folgenden Gründen als mangelhaft angesehen werden:

Kaufsachen und Werke sind unter anderem dann mangelhaft, wenn diese nicht die üblicherweise zu erwartete Beschaffenheit aufweisen. In der seit 01.01.2022 für Kaufsachen geltenden Fassung des §434 III BGB wird die Haltbarkeit der Sache ausdrücklich genannt. Schon vor dieser Gesetzesänderung war es einhellige Meinung, dass auch die fehlende Haltbarkeit einer Sache zu einer Mangelhaftigkeit führt. Auch im Werkvertragsrecht gilt dies.

Eine fehlende Haltbarkeit und daher ein Mangel liegt dann vor, wenn die Sache oder das Werk nicht über die gesamte erwartete Lebensdauer uneingeschränkt nutzbar ist, d.h. keine uneingeschränkte Funktionstüchtigkeit aufweist. Solarmodule sind regelmäßig auf den dauerhaften Betrieb von mindestens 25 bis 30 Jahre ausgerichtet. Solarmodule müssen daher über genau diesen Zeitraum uneingeschränkt nutzbar sein. Bei Modulen den bekannten Polyamid-Rückseitenfolien ist bekannt, dass diesen die entsprechende Haltbarkeit fehlt. Die Mangelhaftigkeit solcher Module kann daher schon vor Eintritt der Mangelfolgeschäden, zum Beispiel der typischen Risse, nachgewiesen werden kann. Dasselbe kann man wohl auch bei den PET-Folien sagen.

Hierbei ist zu beachten, dass nach Ansicht der Rechtsprechung ein Käufer/Besteller bei solchen Sachen, die ein problematisches Material verwenden, nicht nachweisen muss, dass alle einzelne Gewerke/Sachen in Zukunft unter den zu erwartenden Schäden leiden werden, sondern es ist ausreichend, dass die Gefahr bzw. ein Risiko von solchen Schäden besteht.

Sachen und Werke sind aber auch dann mangelhaft, wenn bei der Herstellung ein Material verwendet wurde, das zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache bzw. Abnahme des Werks nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprochen hat. Auf eine schon durch den Materialfehler verursachte Beschädigung der Sache/des Werks oder einen sonstigen Nachteil kommt es grundsätzlich nicht an.

Modulhersteller behaupten zumeist, dass die Polyamid- und auch PET-Rückseitenfolien damals den Regeln der Technik entsprochen hätten, weil zahlreiche Modulhersteller diese damals neuartigen Folien verwendet haben und damals – angeblich – die fehlende Haltbarkeit noch nicht ersichtlich war.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik nur dann beachtet worden und ein Produkt mangelfrei, wenn Material verwendet wurde, das erstens in der Wissenschaft als geeignet angesehen wird und zweitens sich in der Praxis bewährt hat.

Bei den problematischen Rückseitenfolientypen steht wohl außer Frage, dass beide Kriterien nicht erfüllt wurden. Diese Rückseitenfolientypen sind in den Jahren 2010 bis 2014 neu auf den Markt gekommen und die Wissenschaft hatte sich dazu entweder gar nicht oder jedenfalls nicht positiv zu diesen geäußert. In der Praxis konnten sich diese Folien noch nicht bewähren und wie sich gerade zeigt, bewähren sich diese auch nicht, sondern führen zu massiven Modulbeschädigungen bis hin zur totalen Zerstörung.

Demnach steht für mich fest, dass die Module mit diesen problematischen Modulen schon zum Übergabe-/Abnahmezeitpunkt mangelhaft waren und nur die durch die Mangelhaftigkeit verursachten Schäden später auftreten bzw. sichtbar werden.

D.h. erkennt der Anlagenbetreiber innerhalb der (im konkreten Fall geltenden) Gewährleistungsfrist, dass die Module mit einer solchen problematischen Rückseitenfolie ausgestattet sind, kann dieser entsprechende Mängelgewährleistungsansprüche geltend machen. Rechtlich ist es völlig irrelevant, wenn derzeit nicht schon alle Module (massiv) geschädigt sind: Die Module leiden schon seit der Herstellung unter einem Mangel.

Die Module mit solchen Rückseitenfolien verstoßen auch gegen die meisten von den Modulherstellern gewährten Produktgarantien (man kann davon ausgehen, dass die Module unter einem Materialmangel leiden), so dass auch noch nach Ablauf der Gewährleistungsfristen Produktgarantieansprüche geltend gemacht werden können.

Im Übrigen kann sogar eine Verletzung der regelmäßig von den Modulherstellern gewährten Leistungsgarantie vorliegen: Module mit beschädigten Rückseitenfolien stellen eine mögliche Gefahr für Leib und Leben infolge eines Stromschlags dar. Es stellt sich daher die Frage, ob Module eine Leistung im Sinne der Leistungsgarantie erbringen können, wenn sie ein Sicherheitsrisiko darstellen und daher eigentlich ausgetauscht werden müssen. Am Ende werden die Gerichte klären müssen, ob in solchen Fällen die Leistungsgarantie verletzt ist und der Hersteller einen Modulaustausch schuldet.

Zu diesen Themen habe ich auch in der Zeitschrift Photovoltaik entsprechende Interviews gegeben:

https://www.photovoltaik.eu/recht/streit-ums-kleingedruckte

https://www.photovoltaik.eu/planung-wartung/es-ist-gefahr-im-verzug



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