Scheinselbständigkeit ist nicht nur ein Problemfall für den Arbeitgeber

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Auch den „Mitarbeiter“ kann es hart treffen.

Wird bei einem Scheinselbständigen festgestellt, dass er in Wahrheit unselbständiger Arbeitnehmer ist, hat nicht nur der Arbeitgeber ein Problem.

Wird ein Mensch als freier Mitarbeiter dienstverpflichtet und streitet man dann über das Bestehen einer Scheinselbständigkeit, so stellt sich auch die Frage, was mit den bisher an ihn gezahlten Honoraren geschieht. Hat der Arbeitgeber einen Rückzahlungsanspruch?

Mit dieser Frage hat sich das BAG jüngst beschäftigt, und zwar mit folgenden Bewertungen:

Rückforderungsanspruch zugunsten des Arbeitgebers

Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber gegen den unerwarteten Mitarbeiter ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der zuvor an diesen gezahlten Honoraren zu.

Kein Einwand fehlender gerichtlicher Statusfeststellung durch den Arbeitnehmer

Der Arbeitnehmer kann sich nicht mit der Argumentation zur Wehr setzen, eine gerichtliche Feststellung des Arbeitnehmerstatus sei nicht erfolgt, wenn er ansonsten selbst argumentiert, er sei Arbeitnehmer.

Nach dem BAG ist zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Rückzahlung überzahlter Honorare eine gerichtliche Feststellung des Arbeitnehmerstatus auf Antrag des Mitarbeiters nicht per se erforderlich. 

Hat der Arbeitnehmer sich an einem sozialversicherungsrechtlichen Statusverfahrung zur Klärung der Frage, ob Arbeitnehmer oder Selbständiger aktiv beteiligt und seinen Status als freier Mitarbeiter für die Zeit der gesamten Beschäftigungsdauer ausdrücklich in Abrede gestellt, dann muss er damit rechnen, dass der Arbeitgeber sich auf die gerichtlichen Feststellungen, welche die Annahme eines Arbeitsverhältnisses stützen, beruft und auch in vergütungsrechtlicher Hinsicht die Rückabwicklung des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis betreibt.

Keine pauschale Übertragung des Honoraranspruchs auf den arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch

Eine pauschale Übertragung des Honoraranspruchs auf den arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch findet nicht statt.

Ohne das Vorliegen besonderer Anhaltspunkte ist nicht anzunehmen, dass zwischen den Parteien für das vermeintlich freie Dienstverhältnis vereinbarte Stundenhonorar sei auch in dem tatsächlich bestehenden Arbeitsverhältnis der Parteien als Bruttoarbeitsentgelt maßgeblich.

Es bedarf dann der Auslegung, ob diese Vergütung unabhängig von der rechtlichen Einordnung des bestehenden Vertrags geschuldet oder gerade an diese geknüpft ist. Maßgebend ist der erklärte Parteiwille, wie er nach den Umständen des konkreten Falls aus der Sicht des Erklärungsempfängers zum Ausdruck kommt. Für die Beurteilung, was die Parteien vereinbart hätten, ist einerseits die Feststellung des – gewöhnlich aber nicht ausdrücklich geäußerten – Willens , andererseits die spezifische Fallgestaltung entscheidend.

Der tatsächliche Vergütungsanspruch ist per Auslegung zu ermitteln

Einer Übertragung auf den Vergütungsanspruch steht entgegen, dass der „Arbeitgeber“ bei frei Dienstverpflichteten anderen Geschäftsgrundlagen bei der Bemessung des Honorars zugrunde legt. 

Die Vergütung von Personen, die im Rahmen eines Dienstvertrags selbständige Tätigkeiten erbringen, sollen typischerweise zugleich Risiken abdecken, die der freie Mitarbeiter – anders als ein Arbeitnehmer – selbst trägt.

Das betrifft nicht nur Risiken, gegen die Arbeitnehmer durch die gesetzliche Sozialversicherung abgesichert sind. Freie Mitarbeiter müssen zudem in Rechnung stellen, dass sie von Gesetzes wegen gegen den Verlust des Vergütungsanspruchs bei Arbeitsausfällen deutlich weniger geschützt sind als Arbeitnehmer. So haben sie bspw. keinen Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub, Feiertagsvergütung sowie auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall usw.

Außerdem finden auf freie Mitarbeiter eine Vielzahl von Arbeitnehmerschutzbestimmungen, etwa das Kündigungsschutzgesetz, keine Anwendung und kommen ihnen die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung mit den damit verbundenen Privilegierungen nicht zugute. Hinzu kommt, dass bei freien Dienstverträgen die Vergütung meist – wie im Streitfall – als „Honorar“ oder ähnlich bezeichnet wird und der Vertrag häufig Regelungen über die Abführung der Umsatzsteuer enthält.

Kein Vertrauensschutz des Mitarbeiters

Einen Anspruch auf Vergütung in Höhe des Honorars kommt auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht in Betracht.

Vor dem Hintergrund des Vorstehenden muss dem Mitarbeiter regelmäßig klar sein, dass er die für ein freies Dienstverhältnis vereinbarte Vergütung nicht als Bruttoarbeitsentgelt beanspruchen kann. Nur in Ausnahmefällen, bei bestimmten Anhaltspunkten, wird unabhängig von der Rechtsnatur des vereinbarten Rechtsverhältnisses der gleiche Betrag auch als Arbeitnehmer-Vergütung auszuzahlen sein. Diese Anhaltspunkte muss der Arbeitnehmer aber darlegen und beweisen. Fehlt es an solchen Anhaltspunkten, führt dies zur Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB und damit zu einem Anspruch auf die sogenannte „übliche Vergütung“.

Keine Rechtsgrundlage für Behalten des Honoraranspruchs durch Mitarbeiter

Aufgrund dessen sieht das BAG ohne weiteren schlüssigen Vortrag des Mitarbeiters keinen Rechtsgrund für das Behalten des Honorars. Der Arbeitgeber hat einen Herausgabeanspruch gegen den Mitarbeiter aus § 812 Abs. 1, S. 1, alt. 1 BGB.

Kein Ausschluss des Arbeitgeber-Rückzahlungsanspruchs aus § 814 BGB

Dem Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer auch nicht die Einrede des § 814 BGB entgegenhalten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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