Sind Dieselfahrer die „schlechteren“ Menschen?

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Und müssen sich die Käufer eines Selbstzünders mit einem fragwürdigen Softwareupdate abspeisen lassen? Wohl nicht, lautet die Antwort!

Rußpartikel sind kein spezifisches Dieselproblem. Auch Benziner, darunter besonders die Motoren mit Direkteinspritzung, erzeugen Partikel. Bis zu viermal so viele Partikel, wie es der Grenzwert zulässt, emittieren Benzindirekteinspritzer unter bestimmten Umständen (s. bspw. Focus v. 16.02.2016: Das nächste Abgas-Desaster: Jetzt sind die Benziner dran“). Und dass vorwiegend Benziner im Verkehr wiederum die CO2-Bilanz massiv belasten würden, war bislang unstreitig.

Als eine Folge des sog. VW-Diesel-Skandals (und dabei ist es keineswegs nur VW!) um manipulierte Stickoxidwerte zeigen dennoch alle vermeintlich umweltbewussten Aktivisten mit dem Finger auf die Nutzer eines Selbstzünders. Dabei hat die Autoindustrie gerade ihnen – und nicht nur in den USA – ein umweltfreundliches Auto versprochen. Groß waren deshalb die Erwartungen an den eigens von den Vertretern der Politik ins Leben gerufenen „Diesel-Gipfel“.

Dem staunenden Betroffenen wird hiernach eine scheinbar hart errungene „Lösung“ präsentiert: einfach ein Update für die Softwaresteuerung von mehr als 5 Millionen Fahrzeugen ab Norm Euro 5 einspielen und weg ist das Problem (in Form eines Sachmangels). Aber ist dies wirklich der Fall und wer trägt eigentlich das Risiko und auch die Beweislast dafür, dass allein das Einspielen eines Software-Updates den Sachmangel behebt?

Unsere in Deutschland nicht allein als Wirtschaftsmotor und Arbeitgeber geschätzte Automobilindustrie hat den bisherigen Erkenntnissen nach in vollem Bewusstsein der tatsächlichen Gegebenheiten Millionen von Kunden schlichtweg getäuscht, indem sie diesen suggerierte, mit dem Erwerb eines Diesels der Norm Euro 5 bzw. Euro 6 erhalte man einen besonders umweltfreundlichen Pkw (mit einem Schadstoffausstoß unterhalb der seinerzeit strengsten Grenzwerte). Mitnichten!

Anders als dies bei einem Anbieter – der einen Abnehmer über Eigenschaften getäuscht, bei diesem dadurch einen Irrtum erregt, ihn dadurch zu einer Vermögensverfügung (Kaufpreiszahlung) und somit die Voraussetzungen eines Betrugs i. S. v. § 263 StGB erfüllt hat – der Fall wäre, soll Bestrafung (strafrechtliche Verfolgung) und Wiedergutmachung (Schadensersatz), jedenfalls was die Initiative des Staats anbetrifft, durch Automobilhersteller jedoch ausfallen.

Die Betroffenen sind nach aktueller Lage sonach auf sich selbst gestellt: Wer sich nicht wehrt, hat nichts zu erwarten! Und es stellen sich viele Fragen!

Ob ein Software-Update wirklich ein zur Nachbesserung des Sachmangels taugliches Mittel darstellt (Reduzierung des Schadstoffausstoßes, insbesondere von Stickoxiden, unter die maßgeblichen Grenzwerte), ist nach Expertenmeinungen nicht zu erwarten. Von einem Fahrverbot für dieselgetriebene Fahrzeuge wären solche Fahrzeuge dann wohl weiterhin betroffen.

Darüber hinaus sind aufgrund der tiefen Eingriffe eines solchen Software-Updates in das Motorenmanagement die Minderung der Motorleistung, die Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs und auch die Erhöhung des Motorenverschleißes von Experten befürchtete Folgen.

Schon jetzt hat der erkannte Umweltsünder „Dieselfahrer“ schmerzliche Auswirkungen beim Nutzungswert, bei der Wiederverkäuflichkeit seines Fahrzeugs und auch beim Wiederverkaufspreis zu erwarten.

Ein Software-Update verspricht keine ausreichende Abhilfe. Der Schaden für die Betroffenen wäre demnach beträchtlich. Aber wie könnte eine gute Lösung aussehen?

Allein akzeptabel ist die Herstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB).

Demnach wären die Fahrzeuge so nachzurüsten, dass sie die zum Zeitpunkt des Verkaufs maßgeblichen Grenzwerte – darauf basiert nämlich die Zusicherung der Autoindustrie – einhalten. Nach der Überzeugung der Experten ist dies ausschließlich durch eine Hardware-Nachrüstung (SCR-Katalysator) zu erreichen. Weiterhin wären etwaige, damit verbundene Nachteile auszugleichen.

Die Autoindustrie möchte sich, unterstützt durch die Politik, einer solchen echten Lösung entziehen. Der VW-CEO möchte die für VW tätigen Ingenieure für solche rückwärtsgewandten Lösungen nicht einsetzen.

Alternativ wären die mängelbehafteten Fahrzeuge, selbstverständlich unter Berücksichtigung gezogener Nutzungsvorteile, gegen mangelfreie Fahrzeuge auszutauschen (bzw. wäre der dafür aufzuwendende Betrag zu zahlen).

Und weil die Automobilindustrie dies nicht freiwillig leisten möchte, bleibt allein der Gerichtsweg. Ein solches Verfahren kann langwierig und auch teuer sein. Einen echten Lichtblick dafür liefert jedoch die aktuell bekannt gewordene, vorläufige Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts München.

Dieses sieht nämlich die Beweislast dafür, dass die von den Automobilkonzernen angebotene Nachbesserung (Software-Update) den Sachmangel nachhaltig und restlos beseitigt, bei den Herstellern.

Das OLG München hat diese Frage derzeit in fünf ähnlich gelagerten Fällen (Az. 8 U 1706/17, 8 U 1707/17, 8 U 1710/17; 8 U 1711/17 und 8 U 1712/14) zu entscheiden, nachdem in erster Instanz jeweils die Klagen der Pkw-Halter abgewiesen worden waren. Die genannte Beweisfrage soll ein Sachverständigengutachten klären.

Entscheidungen des OLG München ist deshalb mit höchster Spannung entgegenzusehen. Sie dürften ähnlich richtungsweisend sein, wie das zuletzt ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juli 2017 (Urt. v. 28.07.2017, Az. 13 K 5412/15) zur Handlungspflicht bei Feinstaubbelastung.

RAe Pappert



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