Sittenwidrige Ausnutzung einer Zwangslage des Schenkers

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Ist der Schenker aufgrund einer objektiven oder subjektiven Zwangslage zur Schenkung veranlasst worden, kann der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht nur solche Personen treffen, die diese Zwangslage herbei geführt haben. Vielmehr kann es ausreichen, wenn der Zuwendungsempfänger sich eine bestehende Zwangslage bewusst zunutze macht.


Im vorliegenden Fall schenkte der im Jahr 1922 geborene Kläger seinen beiden Enkeln mit notariell beurkundetem Vertrag Wertpapiere im Wert von jeweils 219.000,00 EUR. Zu deren Übertragung kam es nicht mehr. Zwei Tage später erklärte der Kläger die Anfechtung des Schenkungsvertrages aus allen rechtlichen Gründen und begehrte schließlich die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit des Schenkungsvertrages.


Diese kam vorliegend gemäß § 138 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft nach seinem Inhalt oder Gesamtcharakter gegen das Anstaltsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. In letzterem Fall bedarf es eines ihm vorzuwerfenden persönlichen Verhaltens des Handelnden. Die Sittenwidrigkeit eines unentgeltlichen Geschäftes kann sich nicht nur aus den Motiven des Zuwendenden ergeben, sondern auch und in erster Linie aus den Motiven des Zuwendungsempfängers, so etwa, wenn dieser aus fremder Bedrängnis in sittenwidriger Weise Vorteile gezogen hat, er etwa weiß, dass der Schenker aufgrund einer solchen Zwangslage handelt. Hierdurch wird die bloße Anfechtbarkeit nach § 123 Abs. 1 BGB überlagert.


Dem BGH-Urteil vom 15.11.2022 – X ZR 40/20 – lag zu Grunde, dass nach dem Vortrag des Klägers der Vater der Beklagten ihn mehrere Monate lang intensiv überwacht und weitgehend isoliert sowie am Abend vor der Beurkundung des Schenkungsvertrages über längere Zeit hinweg „bearbeitet“ hatte, bevor er dann am nächsten Morgen mit ihm in Begleitung der beklagten Enkel zum Notar gefahren sei, wo ihm erstmals der Inhalt des Schenkungsvertrages mitgeteilt worden sei. Indizielle Bedeutung könnte ferner das nachfolgende Geschehen gewinnen, infolgedessen der Mitarbeiter der das Depot verwahrenden Bank die Übertragung verhindert hatte. Dies könnte bei einer neuerlichen tatrichterlichen Würdigung dazu führen, dass die Schenkungsverträge auf einer vom Kläger - auch aufgrund seines hohen Alters - als besonders belastend und bedrohlich empfundenen Zwangslage beruhten, die den Beklagten oder aber allein deren Vater bewusst und insofern eventuell auch ihnen zurechenbar war.


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