Sozialauswahl, was ist das?

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In Wirtschaftskrisen nehmen betriebsbedingte Kündigungen zu. Diese treffen auch Arbeitnehmer, die sich nichts vorzuwerfen haben und daher den Verlust ihres Arbeitsplatzes oft als sehr unfair empfinden. Damit ein notwendiger betriebsbedingter Stellenabbau wenigstens nicht willkürlich zugeht, hat der Gesetzgeber die sogenannte Sozialauswahl eingerichtet. Hier werden Regeln aufgestellt, wer gehen muss und wer bleiben darf. Fragen und Antworten zum Thema Sozialauswahl mit dem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Gießen, Jörg Wohlfeil.

Frage: Gibt es denn viele betriebsbedingte Kündigungen?

Wohlfeil: Statistiken sagen, dass 2/3 aller Kündigungen betriebsbedingte Kündigungen sind. Außerdem sind mehr als die Hälfte aller Klagen vor den Arbeitsgerichten sogenannte Kündigungsschutzklagen.

Frage: Was muss man sich denn unter „Sozialauswahl" vorstellen?

Wohlfeil: Die Sozialauswahl dient dazu, im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen diejenigen Arbeitnehmer zu ermitteln, die sozial am meisten schutzbedürftig sind. Dies muss der Arbeitgeber anhand von vier Kriterien überprüfen, die das Gesetz vorgibt. Als Vergleichskriterien dürfen lediglich das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und eine mögliche Behinderung herangezogen werden. Diese vier Kriterien müssen aber beachtet werden. Keins der Kriterien darf bei der Sozialauswahl einfach ausgelassen werden.

Frage: Wie sind denn die jeweiligen Kriterien zu gewichten?

Wohlfeil: Die Gewichtung ist nicht gesetzlich geregelt. Die Rechtsprechung verlangt aber, dass die Gewichtung der einzelnen Gesichtspunkte ausgewogen sein muss. Die Gewichtung muss der Arbeitgeber vornehmen. Es gibt hier kein festes Schema, wie viel beispielsweise die Betriebszugehörigkeit zählt oder gar das Alter des Arbeitnehmers.

Frage: Wie sollte das denn ein vernünftiger Arbeitgeber machen?

Wohlfeil: Insoweit hat sich ein sogenanntes Punkteschema bewährt. Der Arbeitgeber kann z. B. für jedes der vier Kriterien eine bestimmte Punktzahl festlegen. Hierbei darf er allerdings nicht ein einzelnes Kriterium überproportional gewichten. Die Festlegung der Punktzahl muss ausgewogen sein. Das Bundesarbeitsgericht hat die Sozialauswahl anhand eines sogenannten Punkteschemas ausdrücklich erlaubt.

Frage: Muss denn der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung dem Arbeitnehmer die Sozialauswahl darlegen?

Wohlfeil: Nein, dies muss er nicht, kann es aber. Spätestens bei einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung, wenn sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung wehrt, muss er vor Gericht begründen, warum er sich so entschieden hat. Oft ist dies für Arbeitnehmer die einzige Möglichkeit abschließend zu erfahren, warum es sie getroffen hat. Andererseits ist es für die Arbeitnehmer natürlich auch die Möglichkeit zu überprüfen, ob die Sozialauswahl richtig durchgeführt wurde. Ist dies nicht der Fall, so wäre die Kündigung unwirksam und der Arbeitnehmer kann seinen Arbeitsplatz behalten.

Frage: Dies muss er dann aber mit einer Klage geltend machen?

Wohlfeil: Ja, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Insbesondere müssen die Arbeitnehmer sich darüber im Klaren sein, dass eine solche Klage nur innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung eingereicht werden kann. Nach Ablauf dieser Klagefrist ist im Regelfall gegen die Kündigung nichts mehr zu machen, auch nicht gegen eine falsche Sozialauswahl. Dann wäre der Arbeitgeber im Prozess nicht einmal mehr gehalten, die Kündigungsgründe bzw. die Sozialauswahl offen zu legen.


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