Sozialversicherungspflicht des GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers trotz Stimmbindung?

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von Matthias Jacobs

Anmerkung zum Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18.05.2016, Az. L 4 R 296/15

Oftmals halten Geschäftsführer auch Anteile an der von ihnen geführten Gesellschaft. Das wirft immer wieder die Frage auf, wann sie im Sinne des Gesetzes selbstständig und damit nicht mehr verpflichtet sind, Sozialversicherungsbeiträge zu leisten. Nach der Rechtsprechung ist dies immer dann der Fall, wenn der Geschäftsführer Weisungen der Gesellschafter an sich verhindern kann. Dies hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in einer aktuellen Entscheidung klargestellt und präzisiert.

Grundsätzlich sind Geschäftsführer Angestellte der von ihnen geführten Gesellschaft. Als solche sind sie verpflichtet, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung („Arbeitslosenversicherung“) zu leisten.

Diese Sozialversicherungspflicht entfällt jedoch, wenn der Geschäftsführer einen Status erlangt, der ihn vor dem Gesetz (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) als selbstständig erscheinen lässt. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz stellt hierzu in seiner aktuellen Entscheidung Folgendes klar:

  • Eine selbständige Tätigkeit ist vorwiegend durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Dies steht im Gegensatz zu einer abhängigen Beschäftigung, bei der der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
  • Die Sozialversicherungspflicht entfällt nach diesen Maßstäben, wenn der Geschäftsführer so viel Einfluss auf die Gesellschaft erhält, dass er Anweisungen der Gesellschafter an sich selbst jederzeit verhindern könnte.
  • Ist der Geschäftsführer überhaupt nicht an der Gesellschaft beteiligt, wird der erforderliche Einfluss außer in besonderen Ausnahmefällen abzulehnen sein. Ist der Geschäftsführer jedoch gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter, also zu mehr als 50 % am Stammkapital beteiligt, liegt eine derartige Stellung regelmäßig vor.
  • Aber auch wenn die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers an der GmbH unter 50 % des Stammkapitals liegt, kann sich aus den Vereinbarungen der Gesellschafter ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann. Es steht den Gesellschaftern z. B. frei, im Gesellschaftsvertrag oder durch eine Vereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrags zu vereinbaren, keine Entscheidung ohne Zustimmung des Geschäftsführers zu treffen (sog. „Stimmbindungsvereinbarungen“) und ihm so einen weitgehenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft zu verschaffen. Maßgebend ist außerdem stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, ausgehend von den zwischen den Beteiligten geschlossenen Verträgen. Weicht die tatsächlich gelebte Praxis vom geschriebenen Vertrag ab, geben die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag.

Es könnte daher der Gedanke entstehen, dass ein Geschäftsführer, der sein Unternehmen aufgrund von lockeren Stimmbindungsvereinbarungen oder auch nur tatsächlich, frei und ohne Einflussnahme der Gesellschafter führt, nicht mehr sozialversicherungspflichtig ist. Dem schiebt die Rechtsprechung jedoch, wie das LSG Rheinland-Pfalz ebenfalls klarstellt, durch strenge Maßstäbe an die notwendigen Vereinbarungen einen Riegel vor.

Für die Sozialversicherungspflicht bedeutsam sind nämlich nur solche Stimmbindungsvereinbarungen, die nicht ohne weiteres wieder beseitigt werden können. Das ist nur der Fall, wenn sie im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, da diese Regelungen dann notariell beglaubigt werden müssen, im Handelsregister einzutragen sind und jedenfalls gegen eine Sperrminorität von 25,1 % nicht einfach wieder geändert werden können.

Im vorliegenden Fall war der Geschäftsführer mit 10 % am Stammkapital beteiligt und die Gesellschafter hatten im Gesellschaftsvertrag vereinbart, ihre Stimmrechte nur einstimmig auszuüben. Weil sie aber gleichzeitig vereinbart hatten, dass diese Regelung von jedem Gesellschafter mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden konnte, blieb der Geschäftsführer nach der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz dennoch sozialversicherungspflichtig.

Fazit: Sind Geschäftsführer zu weniger als 50 % an der von ihnen geführten Gesellschaft beteiligt, sind sie im Normalfall sozialversicherungspflichtig. Die Sozialversicherungspflicht entfällt nur dann, wenn der Geschäftsführer durch spezielle, gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen nicht mehr den Weisungen der Gesellschafter unterworfen ist und diese Vereinbarungen nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags beendet werden können. Auch hier würde die Sozialversicherungspflicht aber wieder entstehen, wenn sich der Geschäftsführer in der Praxis doch an Weisungen halten sollte. Damit behält die Rechtsprechung ihre strenge Linie zur Selbstständigkeit des Geschäftsführers bei. Zum Thema verweisen wir auch auf unseren Beitrag https://www.anwalt.de/rechtstipps/strenge-massstaebe-fuer-die-sozialversicherungspflicht-des-gmbh-gesellschafter-geschaeftsfuehrers_079288.html.

Der Autor ist Rechtsanwalt im Handels- und Gesellschaftsrecht und berät sowohl Gesellschaften als auch Geschäftsleiter in allen gesellschaftsrechtlichen Belangen und zu sämtlichen Anforderungen des betrieblichen Alltags. Sollten Sie zum oben behandelten Thema oder sonstigen gesellschafts- und wirtschaftsrechtlichen Bereichen Fragen haben, stehen Ihnen der Autor und die Kanzlei lfr Wirtschaftsanwälte jederzeit gerne zur Verfügung.


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