Strafbarkeit wegen Volksverhetzung oder Billigung einer Straftat durch die Teilnahme an Pro-Palästina Demonstrationen?

  • 8 Minuten Lesezeit


Die Terrororganisation Hamas verübt Terrorangriffe auf Israel. Aufgrund dessen kommt es in vielen deutschen Städten zu Demonstrationen, bei denen sich die Menschen Pro Israel oder Pro Palästina positionieren. Letztere gerieten oftmals in Kritik, da mit dieser Position die Zustimmung für die terroristischen Anschläge verbunden wird. In den Medien wird gegenwärtig diskutiert, ob beispielsweise das Schwenken einer Palästina-Flagge oder das Rufen von Parolen wie „free palestine“ und  „ from the river to the sea, palestine will be free“ strafbar ist. Denkbar wäre hier die Billigung einer Straftat nach § 140 StGB (Strafgesetzbuch) und die Volksverhetzung nach § 130 StGB.


Bei Parolen und Bannern, die ausdrücklich die Terrorangriffe in Israel verherrlichen oder für Gewalt gegen Juden aufrufen sind ohne Zweifel strafbar. 


Der folgende Beitrag befasst sich mit einzelnen Aspekten, wie das Schwenken der Palästina-Flagge und bestimmte Sprechchöre Strafbarkeiten vorliegen.


Wann macht man sich wegen Billigung einer Straftat nach § 140 StGB strafbar?

Nach § 140 Nr. 2 StGB kann man sich strafbar machen durch die öffentliche Billigung einer rechtswidrigen Tat in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts. Dies muss so erfolgt sein, dass dies geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.


Ist die Billigung jeder rechtswidrigen Tat nach § 140 StGB strafbar?

Nein, der § 140 StGB nennt die Straftaten, bei dessen Billigung eine Strafbarkeit nach § 140 StGB in Betracht kommt.


Das sind folgende rechtswidrige Taten:

  1. § 138 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4, 5 Alt. 6 StGB, Nichtanzeige geplanter Straftaten
  2. § 126 Abs. 1 StGB, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten
  3. § 176 Abs. 1 StGB, Sexueller Missbrauch von Kindern
  4. § 176c StGB, Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern
  5. § 176d StGB, Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge


Aufgrund des Verweises des § 140 StGB auf den § 138  Abs. 1 Nr. 2, 3, 4, 5 Alt. 6 StGB sind davon unter anderem auch der Mord (§ 211 StGB), der Totschlag (§ 212 StGB) und der Raub (§ 249 StGB) mit umfasst.


Muss die rechtswidrige Tat in Deutschland begangen worden sein und nach deutschem Recht strafbar sein, damit eine Strafbarkeit nach § 140 StGB in Betracht kommen kann?

Nein, die rechtswidrige Tat kann auch im Ausland begangen und muss auch nicht nach deutschem Recht strafbar sein (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 3 StR 435/16). Somit kann die Billigung einer Straftat strafbar sein, die beispielsweise in Israel begangen wurde.


Welche Strafe droht für die Billigung einer Straftat?

Das Gesetz sieht für die Billigung einer Straftat eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren vor.


Wann macht man sich wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB strafbar?

Nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbare Volksverhetzung ist das Aufstacheln zum Hass und das Auffordern zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen. Dies muss gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung erfolgt sein.


Darüber hinaus macht sich nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar, wer diese Gruppen, Teile der Bevölkerung oder einzelne Personen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet wegen der Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen oder zu einem Teil der Bevölkerung.


Beide Arten der Begehung setzen voraus, dass das Verhalten geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Von einer Störung des Friedens ist beispielsweise auszugehen, wenn das Vertrauen in die Rechtssicherheit zerrüttet oder gar zu Straftaten aufgestachelt wird (BGH, Urteil vom 21. April 1961 – 3 StR 55/60 –, BGHSt 16, 49-57, Rn. 25; BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 – 1 BvR 2150/08 –, BVerfGE 124, 300-347, Rn 77 ff.).


Eine weitere Begehungsweise findet sich in § 130 Abs. 2 StGB durch einen Inhalt, wie zum Beispiel eine Schrift oder einen Bildträger.

In der dort unter Strafe gestellten Volksverhetzung macht man sich durch das Verbreiten oder das der Öffentlichkeit Zugänglichmachen eines Inhalts strafbar. Darüber hinaus macht man sich strafbar, wenn man einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt anbietet, überlässt oder zugänglich macht (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB).  Auch das Herstellen, Beziehen, Liefern, vorrätig Halten, Anbieten, Bewerben oder die Unternehmung, der Ein- oder Ausführung eines Inhalts ist strafbar (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 StGB).


Strafbar ist dies jedoch nicht bei jeglichem Inhalt. Der Inhalt muss zum

  1. Hass gegen eine bereits bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstacheln,
  2. zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen gegen diese Personen auffordern oder
  3. die Menschenwürde dieser Personen dadurch angreifen, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden.


Welche Strafe droht für die Volksverhetzung?

Die verschiedenen möglichen Begehungsarten der Volksverhetzung werden unterschiedlich bestraft. So droht unter anderem eine Strafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe, wenn man gegen eine nationale Gruppe zum Hass aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB).


Die Volksverhetzung die durch einen Inhalt begangen wird (§ 130 Abs. 2 StGB) wird mit Geldstrafe oder bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe bestraft.


Ist das Schwenken der Palästina-Flagge bei einer Pro-Palästina Demonstration wegen Billigung einer Straftat nach § 140 StGB strafbar?

Zunächst ist festzustellen, dass rechtswidrige Taten wohl gegeben sind. Diese stellen die durch die Hamas begangenen Tötungen, Körperverletzungen und Vergewaltigungen dar. Da die Demonstrationen direkt nach bzw. zum Zeitpunkt der Terroranschläge der Hamas stattgefunden haben, kann im Einzelfall ein Bezug zu einer dieser rechtswidrigen Taten angenommen werden. Im Einzelfall muss hier aber genau differenziert werden.

Erforderlich für die Strafbarkeit des § 140 StGB ist zudem, dass das Schwenken der Flagge geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Davon ist auszugehen, wenn durch das Schwenken der Flagge das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit der Bevölkerung oder einer nicht unbeträchtliche Anzahl von Personen geschädigt wird oder andere Personen zu Straftaten angestachelt werden. Für die Störung des öffentlichen Friedens kommt es demnach darauf an, wie die Stimmung im Land ist. Zu einer Störung des Friedens muss es jedoch nicht gekommen sein. Es ist ausreichend, dass das Verhalten dafür geeignet ist. Dies ist beim Schwenken einer Palästina-Flagge im Anschluss an Terroranschlägen der Hamas in Israel anzunehmen.

Zusammenfassend kommt es auf den konkreten Zusammenhang zwischen der Billigung und dem Schwenken der Flagge an. Ein pauschales Schwenken ist nicht ohne weiteres eine Straftat.


Ist das Schwenken der Palästina-Flagge bei einer Pro-Palästina Demonstration wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB strafbar?

Durch das Schwenken einer Palästina-Flagge bei einer Pro-Palästina Demonstration kommt zudem eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB in Betracht, liegt aber in der Regel nicht vor.


Der Zeitpunkt der Demonstrationen stellt dabei auf den ersten Blick einen direkten Zusammenhang zu den durch die Hamas begangenen Straftaten her. Es besteht daher auch ein Bezug zu einer gewaltsamen Befreiung Palästinas. Insbesondere kommt durch das Schwenken der Flagge das Aufstacheln zu Hass oder das Auffordern zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen in Betracht. Auch von der Geeignetheit, den öffentlichen Frieden zu stören, kann ausgegangen werden. Denn eine Störung des Friedens ist gerade nicht erforderlich. Das Verhalten muss lediglich dafür geeignet sein. Das Unruhen in der Bevölkerung entstehen oder sich die Menschen gegeneinander aufhetzen durch das Schwenken einer Palästina-Flagge während oder im Anschluss an terroristischen Angriffen durch die Hamas auf Israel, ist dabei überaus denkbar.

Es muss kommen aber Grundrechte für Demonstranten ins Spiel, die in Abwägung gebracht werden müssen.


Ist das Rufen von „free palestine“ oder „from the river to the sea, palestine will be free“ bei einer Pro-Palästina Demonstration wegen Billigung einer Straftat nach § 140 StGB strafbar?

Grundsätzlich kommt eine Strafbarkeit wegen Billigung einer Straftat nach § 140 StGB durch das Rufen von „free palestine“ oder „from the river to the sea, palestine will be free“ bei Demonstration in Betracht. Denn zum Zeitpunkt der Terroranschläge bzw. im direkten Anschluss an diese ist durch das Rufen dieser Parole ein Bezug zu rechtswidrigen Taten klar erkennbar. Insbesondere wird durch die Parole „from the river to the sea, palestine wil be free“ auf das Gebiet Israel Bezug genommen. Es wird deutlich, dass Palästina dieses Gebiet erhalten soll. Auch besteht hier die Geeignetheit, durch das Rufen der Parolen den öffentlichen Frieden zu stören. Denn es ist geeignet, dass Unruhe innerhalb der Bevölkerung entsteht und sich die Bevölkerung gegeneinander aufhetzt.


Ist das Rufen von „free palestine“ oder „from the river to the sea, palestine will be free“ bei einer Pro-Palästina Demonstration wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB strafbar?

Auch ist durch das Rufen von „free palestine“ oder „from the river to the sea, palestine will be free“ eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB möglich. Denn aufgrund des gewählten Zeitpunkts der Demonstrationen wird eine klare Verbindung zu den Terroranschläge der Hamas hergestellt. Mit dem Satz „from the river to the sea, palestine will be free“ wird deutlich, dass auf dem Gebiet Israels ein freies Palästina entstehen soll. Darin liegt eine Bedrohung der Existenz Israels. Dies ist grundsätzlich geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören und auch Personen zum Hass aufzustacheln oder gar dass diese Gewalt- oder Willkürmaßnahmen begehen.


Kann eine Strafbarkeit unter Berufung auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG ausgeschlossen sein?

Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob es sich bei dem Verhalten lediglich um eine straflose Meinungsäußerung handelt, die durch Art. 5 Abs.1 GG geschützt ist. Denn nach Art. 5 Abs. 1 GG hat jeder das Recht, seine Meinung frei zu äußern, auch wenn man nicht die Meinung der Mehrheit teilt. Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht grenzenlos gegeben. Nach Art. 5 Abs. 2 GG kann die Meinungsfreiheit durch allgemeine Gesetze beschränkt werden. So kann sich nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen werden, wenn ein Fall des § 130 StGB oder § 140 StGB gegeben ist.

Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Verhalten noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist oder bereits ein strafbares Verhalten vorliegt.


Sie haben eine Vorladung der Polizei mit dem Vorwurf der Billigung einer Straftat oder der Volksverhetzung erhalten?

Einer Vorladung der Polizei müssen Sie nicht Folge leisten. Als Beschuldigter haben Sie das Recht zu schweigen. Zu dem in der Vorladung angegebenen Termin müssen Sie nicht erscheinen.


Ob eine Billigung einer Straftat oder Volksverhetzung vorliegt oder lediglich eine straflose Meinungsäußerung gegeben ist, ist anhand des Einzelfalls zu beurteilen. Kontaktieren Sie uns. Nach erfolgter Akteneinsicht prüfen wir, wie in Ihrem konkretem Fall vorzugehen ist.

Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Benjamin Grunst

Beiträge zum Thema