Strafverteidigung: Einstellung wegen Mängeln der Anklage?

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Oft werden wir Strafverteidiger gefragt, ob Mängel einer erkennbar mit heißer Nadel gestrickten Anklage für die Verteidigung nutzbar gemacht werden können. Die Anklage hat das zur Last gelegte Fehlverhalten sowie Zeit und Ort seiner Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des "geschichtlichen" Vorgangs klargestellt wird und für den Angeklagten erkennbar wird, welche Tat gemeint ist. Die Anklage hat mithin

  • eine Umgrenzungsfunktion (Beschreibung der zur Aburteilung gestellten Tat) und eine
  • Informationsfunktion (Vermittlung der für die Hauptverhandlung belangvollen Informationen)

Nur einen Mangel der Umgrenzungsfunktion kann sich die Verteidigung zu Nutze machen. Ein Verstoß gegen die Informationsfunktion dagegen bringt allenfalls den/die Vorsitzende(n) zur Weißglut, weil sie/er sich alle Informationen im Rahmen der Hauptverhandlung zusammensuchen muss.

Was häufig von der Staatsanwaltschaft nonchalant übersehen wird: hat die Anklage Vorwürfe gegen mehrere Angeschuldigte zum Gegenstand, muss sie sich zur Frage der jeweiligen Teilnahmeform und des jeweiligen konkret zur Last gelegten Tatbeitrags verhalten. Dies wird im Anklagesatz oft pauschal mit dem Adjektiv "gemeinschaftlich" abgetan, obwohl dies keine Beschreibung eines Tatbeitrags ist, sondern eine Wertung bzw. das Tatbestandsmerkmal des § 25 Abs. 2 StGB selbst. 

In diesem Fall empfiehlt sich ein Einstellungsantrag in der Hauptverhandlung (den die Verteidiger schriftlich zu Protokoll geben sollten), der übrigens - wenn das Gericht nicht folgen sollte - auch noch in der Revision überprüfbar ist.

Der Strafverteidiger ist kein Statist oder "Verurteilungsbegleiter". Er nimmt als Organ der Rechtspflege die Rechte des/der Angeklagten im Ergebnis weisungsfrei wahr. Hierunter fällt auch die Wahrnehmung prozessualer Rechte des Angeklagten.

Übrigens: Jeder Anwalt darf zur Vermeidung von Interessenkonflikten nur einen Beschuldigten vertreten, während sich ein Beschuldigter mehrerer Verteidiger bedienen darf!

Foto(s): LIEB

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