Vorladung oder Anklage wegen Graffiti? - Strafverteidigung durch Fachanwalt (bundesweit)

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Von vielen – insbesondere jugendlichen – Sprayern werden Graffiti als Kunst verstanden, eine Möglichkeit, Gefühle, Denkanstöße, politische Aussagen oder auch eigene Meinungen auf einer schlichten Wand aus Holz, Metall oder Beton zu verewigen.

Doch häufig kollidiert diese freigeistige Ansicht mit der von denjenigen, die sich Eigentümer dieser Wände nennen. So kann die eben genannte Holzwand eine Scheune sein, die Betonmauer eine Garage oder die Metallwand der Wagon eines Zuges und alle haben eines gemein: Einen Eigentümer, der von der unfreiwilligen Verschönerung seiner Flächen gar nicht so begeistert ist, wie der Sprayer selbst von seinem Werk. Wo der Sprayer hohe Kunst sieht, sieht der Eigentümer nur „Schmiererei” und bringt eben diese häufig zur Anzeige. Der Kläger sieht sich in solchen Fällen meist fraglos im Recht, auch wenn die Rechtslage für Laien meist nur schwer zu durchblicken ist. Gegen welches Gesetz verstößt man zum Beispiel genau, wenn man sprayt?

Können einem aufgrund des persönlichen Tags auch andere Graffitis mit diesem Tag zugeordnet werden? Muss man auch Schadensersatz zahlen, wenn der Kläger das Graffiti gar nicht entfernt, es ihm vielleicht sogar gefällt? Wann verjährt die Tat und mit welcher Strafe ist sie überhaupt bedroht? Diese und alle weiteren relevanten Fragen zum Thema Graffiti werde ich im Folgenden beantworten.

Wie mache ich mich als Sprayer überhaupt strafbar?

Zu unterscheiden ist hier zwischen dem strafrechtlichen und dem zivilrechtlichen Teil. „Strafbar” macht man sich nach dem Strafrecht, welches diejenigen bestraft, die dagegen verstoßen. Für einen Angeklagten ist aber auch das Zivilrecht relevant, in welchem es um Schadensersatzansprüche zwischen den Bürgern, also zwischen Sprayer und Geschädigtem geht.

Im Zivilrecht:
Zivilrechtlich schuldet man als Sprayer – eine rechtskräftige Verurteilung vorausgesetzt – den Ersatz des durch das Sprayen entstandenen Schadens. Dieser beläuft sich in der Regel auf die Kosten für das Entfernen des Graffitis oder den Neuanstrich der Wand.

Im Strafrecht:
Strafrechtlich macht man sich zunächst wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 II StGB strafbar, da man „unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich verändert”.
Je nach den Tatumständen kommen zusätzlich aber auch Verurteilungen wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung, § 304 II StGB, Hausfriedensbruch, § 123 I StGB, und/oder Urkundenunterdrückung, § 274 I 1 StGB, in Betracht.
§ 304 II StGB ist erfüllt, wenn Gegenstände, die dem öffentlichen Nutzen dienen, wie etwa Denkmäler, Kunstgegenstände oder auch Straßenschilder so besprayt werden, dass sie diesem Nutzen nicht mehr nachkommen können.
§ 123 I StGB hat mit dem eigentlichen Sprayen nichts zu tun, doch häufig betreten Sprayer unbefugt fremdes Gebiet wie Gärten, Hinterhöfe oder auch bestimmte Bereiche an Bahnhöfen, womit sie den Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllen.
Der Urkundenunterdrückung nach § 274 I 1 StGB macht sich dagegen strafbar, wer etwa Grenzsteine unkenntlich macht.

Im strafrechtlichen Bereich ist noch zu erwähnen, dass bereits der Versuch strafbar ist. Wer etwa mit einer Dose in der Hand vor einer Mauer erwischt wird und im Begriff ist, diese zu besprayen, macht sich zumindest theoretisch ebenso strafbar wie derjenige, der bereits die ganze Mauer besprayt hat.

Muss ich mich einem zivilrechtlichen und einem strafrechtlichen Verfahren stellen?

Nein. In der Regel werden beide Verfahren zusammengezogen, sodass keine weiteren Kosten für ein etwaiges zweites Verfahren auf Sie zukommen.

Muss ich Schadensersatz zahlen, wenn das Graffiti gar nicht entfernt wird?

Ja. § 249 II BGB normiert ausdrücklich, dass es dem Eigentümer freisteht, die Beseitigung nicht vorzunehmen. In diesem Fall sind die „fiktiven“ Reinigungskosten zu zahlen, jedoch wird die Umsatzsteuer dem vermutlich zugrundeliegenden Kostenvoranschlag abgezogen.

Welche Strafe steht auf das Sprayen von Graffiti?

Auch bei dieser Frage ist zwischen den verschiedenen Möglichkeiten zu unterscheiden. Auf den „Grundtatbestand” des Sprayens, die einfache Sachbeschädigung, steht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

Die gemeinschädliche Sachbeschädigung dagegen wird mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht, während auf die Urkundenunterdrückung sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe steht. Der Hausfriedensbruch hingegen ist nur mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht.
Dabei ist zu beachten, dass sich die mögliche Dauer der Freiheitsstrafe natürlich vergrößert, umso mehr Delikte gleichzeitig erfüllt sind wie zum Beispiel wenn Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung zusammenfallen, oder auch mehrere Sachbeschädigungen (durch mehrere Graffitis) in Tatmehrheit begangen wurden.

Wann verjährt das Sprayen?

Die Sachbeschädigung verjährt gemäß § 78 III Nr. 4 StGB nach fünf Jahren.

Selbiges gilt für alle anderen infrage kommenden Delikte. Denkbar ist allerdings eine Unterbrechung der Verjährung nach § 78c StGB durch richterliche Durchsuchungsanordnungen, eine Klageerhebung oder ähnliches. Im Falle einer Unterbrechung beginnt die Verjährung in ihrer vollen Länge von vorne, jedoch bis maximal zehn Jahre nach der Tat, welche danach endgültig verjährt ist.

Wird jede Tat zur Anzeige gebracht und kommt es immer zum Verfahren?

Nein. Zumindest beim einfachen Hausfriedensbruch und der einfachen Sachbeschädigung handelt es sich um sogenannte Strafantragsdelikte. Diese werden nur dann verfolgt, wenn der Geschädigte einen Strafantrag stellt oder von der Staatsanwaltschaft ein „besonderes öffentliches Interesse” bejaht wird, was bei gewöhnlichen Graffitis in der Regel nicht der Fall ist.
Zu beachten ist jedoch, dass der Geschädigte auch wenn er auf einen Strafantrag verzichtet zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz zur Beseitigung des Graffitis geltend machen kann.

Sind mir alle Graffitis mit meinem Namen zuordenbar?

Nein. Egal, ob Sie auf frischer Tat ertappt wurden, als sie gerade Ihren Namen unter ein Werk sprayen, oder Ihnen das Sprayen eines Graffitis im Nachhinein bewiesen wird: Jedes einzelne Graffiti muss bewiesen werden und kann nicht lediglich aufgrund eines Namens oder ähnlicher Motive demselben Sprayer zugeordnet werden.

Gerade in der Graffiti-Szene kommt das Nachahmen von Motiven oder Namen häufig vor, weshalb es sich dabei lediglich um ein Indiz handelt, keinesfalls aber um einen Beweis. Gefährlich wird es erst dann, wenn weitere Indizien zusammentreffen, denn diese müssen dann widerlegt werden.

Wozu bin ich verpflichtet, wenn ich erwischt wurde – und wozu nicht?

Nachdem Sie erwischt wurden oder als Verdächtiger feststehen, gibt es seitens der Justiz viele Mittel und Wege, um diesen Verdacht zu untermauern. Jedoch sind diese nicht immer rechtmäßig und Verfahrensfehler können Ihnen zugutekommen, weshalb Sie auf folgendes achten sollten:

Auf frischer Tat ertappt:

Als Volljähriger sind Sie grundsätzlich verpflichtet sich auszuweisen, damit die Tat Ihnen in einer entsprechend mit Ihrem Namen versehenen Akte zugeordnet werden kann.
Auch Fingerabdrücke und Fotos dürfen gemäß § 81b StPO von Ihnen genommen werden um die Tat später beweisen zu können.
Anders steht es gemäß § 81g StPO hingegen mit Speichelproben welche zum Abgleich mit Zigarettenstummeln oder Sturmhauben dienen sollen: Die Entnahme solcher Proben darf nur erfolgen, wenn Sie dem zustimmen, oder sie richterliche angeordnet wird, was jedoch äußerst selten vorkommt.
Generell gilt: Stimmen Sie niemals etwas zu, was später gegen sie verwendet werden könnte. Auch wenn der Beamte versucht Ihnen einen anderen Eindruck zu vermitteln: Er ist nicht ihr Freund, sondern ermittelt gegen Sie!

Hausdurchsuchung:

Diese ist nach § 102 StPO grundsätzlich zulässig, wenn bei Ihnen weitere Beweismittel vermutet werden oder „Gefahr im Verzug“ (Drohender Beweismittelverlust) angenommen wird. Jedoch steht es nicht in der Macht der Polizei, dies zu entscheiden, sondern es muss immer versucht werden, den zuständigen Untersuchungsrichter zu erreichen. Nur dieser darf einen Durchsuchungsbefehl ausstellen, welcher Ihnen auf Verlangen auch gezeigt werden muss. Auch hier gilt der Hinweis: Stimmen Sie niemals einer Hausdurchsuchung zu!
Bei der Hausdurchsuchung sind Sie verpflichtet, die Beschlagnahmung persönlicher Gegenstände, welche als Beweismittel dienen können, wie etwa Spraydosen, Eddings, Kameras oder auch Laptops, Festplatten und ähnlichem zu dulden. Diese Sachen kriegen Sie jedoch zurück nachdem ich einen Herausgabeanspruch gestellt habe. In der Regel werden Ihre Sachen dann noch vor dem Verfahren herausgegeben.
Sie haben jedoch das Recht, bei der Hausdurchsuchung anwesend zu sein, wovon Sie unbedingt Gebrauch machen sollen. Weisen Sie die Beamten darauf hin, wenn diese im Begriff sind, einen nicht von Ihnen genutzten Raum des Hauses/der Wohnung zu durchsuchen. Notieren Sie sich dabei unbedingt auch Namen und Dienstgrad der Beamten, damit Sie diese später nennen können. Beobachten sie jeden Handgriff und machen Sie sich Notizen, falls Ihnen etwas ungewöhnlich vorkommt; Jeder Verfahrensfehler kann helfen, Beweise unbrauchbar zu machen. Zudem sollten Sie sich auch keinen Fall von den Beamten in Gespräche verwickeln lassen. Was als gewöhnliche Unterhaltung über Ihre Verhältnisse getarnt ist, ist in Wahrheit ein Verhör; Jede Aussage kann und wird gegen sie verwendet werden.

Machen Sie die Beamten deshalb darauf aufmerksam, dass Sie nichts sagen werden und verweisen sie im Falle weiterer Fragen auf mich. Zuletzt sollten Sie eine Ihnen vorgelegte Bestätigung der Hausdurchsuchung nicht oder mit dem Wort „Widerspruch“ unterschreiben, damit deutlich wird, dass sie dieser nicht zugestimmt haben.

Ich vertrete sie gerne als Rechtsanwalt vor Gericht.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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