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Streitwert im Gerichtsverfahren: Was er bedeutet und wie er festgelegt wird

  • 7 Minuten Lesezeit
Streitwert im Gerichtsverfahren: Was er bedeutet und wie er festgelegt wird

Was ist der Streitwert?

Der Streitwert (auch Prozesswert genannt) meint bei Gerichtsverfahren grundsätzlich den Geldwert des Streitgegenstandes. Der Streitgegenstand ist der Anspruch, den eine Partei aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts in einem Gerichtsverfahren geltend macht. Streitgegenstände können beispielsweise sein: 

  • die Kaufpreiszahlung nach einem Immobilienerwerb 

  • der Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall 

  • der Zugewinnausgleich bei einer Scheidung 

In Familiensachen spricht man statt vom Streitwert vom Verfahrenswert. Beide Begriffe meinen jedoch dasselbe. Außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens verwendet man dagegen die Bezeichnung Gegenstandswert. Die Höhe des Streitwerts hat insbesondere Auswirkungen auf die Höhe der Prozesskosten, die im Zuge eines gerichtlichen Streits entstehen. Prozesskosten bestehen aus Anwaltskosten und Gerichtskosten. 

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Was ist der Gebührenstreitwert?

Wie hoch der Streitwert letztlich angesetzt wird, ist stets abhängig vom jeweiligen Fall. Geht es zum Beispiel um die Zahlung eines Geldbetrags, entspricht der Streitwert in der Regel diesem. Man spricht insofern vom finanziellen Interesse des Klägers. In anderen Fällen, wie etwa bei einem Scheidungsverfahren, einer Räumungsklage oder Kündigungsschutzklage, errechnet er sich nach Regeln, die in diesem Ratgeber weiter unten erklärt werden. Da der Streitwert maßgeblich die Verfahrenskosten sowie die Rechtsanwaltsgebühren bestimmt, wird der Streitwert auch Gebührenstreitwert oder Kostenstreitwert genannt. 

Beispiel für den Gebührenstreitwert 

Sie haben wegen einer Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr einen Bußgeldbescheid über 350 € erhalten. Da Sie der Zahlungsaufforderung nicht nachgekommen sind, kommt es zu einem Gerichtsverfahren. Der Gebührenstreitwert entspricht hier dem Betrag von 350 €, über den das Gericht verhandelt. 

Welche Bedeutung hat der Streitwert?

Zuständigkeit des Gerichts

Vom sogenannten Zuständigkeitsstreitwert ist die Rede, wenn die Höhe des Streitwerts darüber entscheidet, welches Gericht für das Verfahren zuständig ist. Der Zuständigkeitsstreitwert ist nur bei Zivilprozessen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts von Bedeutung. Bei Verfahren vor Verwaltungsgerichten, Sozialgerichten, Arbeitsgerichten oder Finanzgerichten ist die Zuständigkeit dagegen unabhängig vom Streitwert. In Zivilprozessen ist in der Regel bis zu einem Streitwert von 5.000 € das Amtsgericht zuständig, ab einem Streitwert von mehr als 5.000 € dagegen das Landgericht. 

Beispiel für den Zuständigkeitsstreitwert

Sie haben Ihr Auto privat für 10.000 € verkauft. Der Käufer überweist eine Anzahlung von 2.500 €, den Rest bleibt er Ihnen schuldig. Sie verklagen den Käufer daher auf die Zahlung der restlichen 7.500 €. Der Streitwert entspricht dem restlichen Kaufpreis von 7.500 €, den Sie einklagen. Da es sich hierbei um keine einem bestimmten Gericht besonders zugewiesene zivilrechtliche Streitigkeit handelt und der Zuständigkeitsstreitwert die Grenze von 5.000 € überschreitet, ist das Landgericht für das Verfahren zuständig. 

Zulässigkeit von Rechtsmitteln

Als Rechtsmittelstreitwert bestimmt der Streitwert, ob man einfach Rechtsmittel gegen ein Urteil einlegen kann oder nicht. Um Berufung einzulegen, muss der Rechtsmittelstreitwert einen Wert von 600 € (§ 511 Zivilprozessordnung) übersteigen. Allerdings muss das Gericht des ersten Rechtszuges seit 2002 die Berufung auch unabhängig vom Wert zulassen, wenn 

  • die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 

  • die Rechtssache der Fortbildung des Rechts dient oder 

  • die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. 

Hat das Gericht keine Revision gegen das Urteil zugelassen, haben Sie die Möglichkeit, dagegen Rechtsbeschwerde einzulegen. In diesem Fall muss der Streitwert der Sache, die durch die Revision geltend gemacht werden soll, mehr als 20.000 € betragen (§ 544 ZPO). 

Wie wird der Streitwert bestimmt?

Bei Zahlungsansprüchen ist der Streitwert identisch mit der Summe der (Gesamt-)Forderung, also der Summe des eingeklagten Geldbetrags. Wird z. B. um eine Immobilie gestritten, dann entspricht der Streitwert dem Wert der Immobilie. 

Wird dagegen kein konkreter Geldbetrag eingeklagt, muss der Streitwert durch das Gericht ermittelt werden. Regeln zur Festsetzung und zu Grenzen des Streitwerts enthalten insbesondere das Gerichtskostengesetz (GKG) und das Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG). Sind keine gesetzlichen Regelungen vorhanden, kann der Richter den Streitwert mithilfe eines Streitwertkatalogs festlegen. Er enthält unverbindliche Empfehlungen für die Bemessung des Streitwerts je nach Streitgegenstand, insbesondere in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit. 

Das jeweils zuständige Gericht setzt den Streitwert grundsätzlich „nach freiem Ermessen“ fest. Dies bedeutet nicht, dass das Gericht den Streitwert willkürlich festsetzt. Maßgeblich ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse des Klägers. Fehlen Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts, gibt § 52 GKG einen Streitwert von 5.000 € vor (z. B. bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen). 

Wie hoch der Streitwert ausfällt, richtet sich auch nach der Art der Entscheidung: Endet das Verfahren durch einen Vergleich, sind Abweichungen vom vorläufigen Streitwert möglich. Dazu kommt es bei vergleichsweiser Einigung auf einen niedrigeren oder höheren als den ursprünglich gerichtlich geltend gemachten Betrag, der im Fall einer Klage als Klagewert bezeichnet wird. Im einstweiligen Rechtsschutz – wenn Sie zum Beispiel eine einstweilige Verfügung erwirken möchten – beträgt der Streitwert gegenüber dem Streitwert im Hauptsacheverfahren nur etwa ein Drittel bis die Hälfte. 

Beispiel für den Streitwert bei Arbeitsplatzkündigung

Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen kündigt und Sie dagegen eine Kündigungsschutzklage einreichen, entspricht der Streitwert in der Regel drei Bruttomonatslöhnen. Haben Sie beispielsweise einen Bruttoarbeitslohn von 4.000 €, wird der Streitwert der Kündigungsschutzklage mit 12.000 € angesetzt. 

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Beispiel für den Streitwert bei Wohnungskündigung

Bei einer Räumungsklage in folge einer Wohnungskündigung entspricht der Streitwert dem Jahresbetrag der Nettomiete, also der Monatsmiete ohne Nebenkosten-/Betriebskostenvorauszahlung (auch Kaltmiete genannt) x 12. Zahlen Sie für Ihre Wohnung eine monatliche Kaltmiete von 650 €, entspräche der Streitwert bei einer Räumungsklage folglich dem Jahresmietzins von 650 € x 12 = 7.800 €. 

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Beispiel für den Verfahrenswert bei Scheidung

Der Verfahrenswert in einem Scheidungsverfahren berechnet sich folgendermaßen: 

  • Das Monatsnettoeinkommen beider Ehegatten wird zusammengerechnet und mit dem Faktor 3 multipliziert. 

  • In der Regel werden dazu 5 % des vorhandenen Vermögens der Ehegatten addiert (hier gelten jedoch Freibeträge). 

  • Für jedes unterhaltsberechtigte Kind, das aus der Ehe hervorging, werden ca. 250 € vom gemeinsamen Nettoeinkommen der Ehepartner abgezogen. 

  • Wird im Scheidungsverfahren außerdem über den Versorgungsausgleich entschieden, erhöht sich der Verfahrenswert um mindestens 1.000 €. Weitere Anrechte aus der privaten oder betrieblichen Altersvorsorge sowie der gesetzlichen Rentenversicherung erhöhen den Verfahrenswert zusätzlich. 

  • Sollten noch weitere Folgesachen im Scheidungsverfahren verhandelt werden, wie Sorgerecht, Unterhalt oder Zugewinnausgleich, erhöht sich der Verfahrenswert je Sache. 

Eine Beispielberechnung sähe wie folgt aus: 

Nettoeinkommen Ehegatte 1: 2.800 €
Nettoeinkommen Ehegatte 2: 3.200 €
Gemeinsames Nettoeinkommen = 6.000 €

Unterhaltsberechtigte Kinder: 2 

6.000 € – 500 € (2 x 250 €) = 5.500 € 

5.500 € x 3 = 16.500 €

Vermögen: 50.000 € 

16.500 € + 2.500 € (5 % von 50.000 €) = 19.000 € 

Verfahrenswert = 19.000 €

Die Frage, wie hoch der Verfahrenswert bei einer Scheidung ausfällt, hängt von vielen Faktoren ab und kann nicht pauschal beantwortet werden. Ein Anwalt für Familienrecht hilft Ihnen bei allen Fragen zu einem Scheidungsverfahren und kann Ihnen den voraussichtlichen Verfahrenswert nennen. Finden Sie jetzt einen Anwalt! 

Wann wird der Streitwert festgesetzt?

Der Streitwert wird vom zuständigen Gericht zunächst vorläufig festgesetzt, grundsätzlich folgt es hierbei dem Antrag des Klägers. Dieser muss im Übrigen zwingend einen Streitwert angeben, um überhaupt Klage einreichen zu können. 

Die endgültige Festsetzung des Streitwerts erfolgt mit der Beendigung des Verfahrens. Die Festsetzung des Streitwerts ergeht durch Beschluss des Gerichts. 

Streitwert zu hoch oder zu niedrig? Wie Sie dagegen vorgehen

Da Ihre Ansprüche und die Höhe der Verfahrenskosten vom Streitwert abhängen, müssen Sie den Wert, den das Gericht festgesetzt hat, nicht hinnehmen. Hierfür gibt es einen besonderen Rechtsbehelf: die Streitwertbeschwerde (§ 68 GKG). Streitwertbeschwerde – bzw. Verfahrenswertbeschwerde in Familiensachen – können beide Parteien sowie die beteiligten Rechtsanwälte einlegen. Dies ist sowohl wegen eines zu niedrig als auch zu hoch festgesetzten Streitwerts möglich. 

Voraussetzungen für eine Streitwertbeschwerde sind: 

  • Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200 €: Das bedeutet nicht, dass der Unterschied zwischen dem festgesetzten und dem angestrebten Streitwert mehr als 200 € betragen muss. Entscheidend ist, ob die finanziellen Nachteile, die die Streitwertfestsetzung für Sie hat, größer als 200 € sind. Unabhängig davon ist eine Streitwertbeschwerde möglich, wenn das Gericht sie in seinem Beschluss zulässt. 

  • Streitwert muss endgültig festgesetzt sein durch 

  • separaten Streitwertbeschluss. 

  • Urteil in der Hauptsacheentscheidung. 

  • Beschwerde wird innerhalb der Frist eingelegt: Die Frist beträgt sechs Monate, nachdem die Hauptsacheentscheidung rechtskräftig oder der Prozess anderweitig für erledigt erklärt wurde. 

  • Beschwerde erfolgt beim Gericht, das den Streitwert festgesetzt hat. 

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(THH)

Foto(s): ©Fotolia/Markus Bormann

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