Umgehung von Belehrungspflichten auf ebay.de durch Einstellung der Artikel auf ebay.co.uk?

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Viele gewerbliche Anbieter im Online-Handel sind genervt von der teilweisen Flut an Verpflichtungen zu umfangreichen Verbraucherbelehrungen wie etwa Widerruf, Preisangaben, Streitbeilegung usw. usw. Sicherlich ein Stück weit zurecht, denn die Regelungswut des EU-Gesetzgebers führt nicht selten zu Unübersichtlichkeit der jeweiligen Vorgaben. Am Ende ist oft unklar, über was nun wo und wie überhaupt zu informieren ist. Hinzu kommt, dass zwar die Grundregeln europaweit einheitlich sind, die jeweilige Umsetzung und Durchsetzung je nach Land allerdings ganz anderen Vorgaben folgen. Das wirkt sich insbesondere in der wettbewerbsrechtlichen Verfolgbarkeit aus, welche gerade im deutschen Recht durch die Möglichkeit von Abmahnungen geprägt ist.

Daher könnte man auf die Idee kommen, zwar als deutscher Unternehmer aufzutreten, sein Angebot jedoch außerhalb Deutschlands bereitzuhalten, auch wenn letztlich der Verkauf, wie gehabt, in erster Linie nach Deutschland erfolgt.

Beispiel: Unternehmer A ist in Deutschland ansässig, er hat seine Verwaltung und sein Lager in Deutschland, Versand und Vertragsabwicklung erfolgen ebenso von Deutschland aus. Unser Unternehmer A hat einen gewerblichen eBay-Account auf der deutschen Variante ebay.de. Seine Waren stellt er jedoch ausschließlich über die Plattform ebay.co.uk ein. Etwaige Belehrungs- und Informationsvorgaben nach den deutschen Vorgaben hält unser A aufgrund der Artikel-Listung via ebay.co.uk nicht für geboten. Er ist der Auffassung, durch Listung der Waren auf ebay.co.uk gelte für ihn allenfalls britisches Recht. Dies selbst dann, wenn er nach Deutschland verkauft und über die Suchliste „Artikelstandort Deutschland“ auch problemlos über ebay.de gefunden wird. Die Idee klingt doch ganz charmant und tricky, also Problem gelöst?

Ganz so einfach geht’s leider nicht.

Für diese Lösungsvariante konnte sich das Landgericht Saarbrücken 7 HK O 27/19 in einem hier über die Kanzlei betreuten Fall nicht erwärmen, sah daher in der Konsequenz das Ganze anderes und erkannte aufgrund diverser fehlender Verbraucherbelehrungen einen Wettbewerbsverstoß des Unternehmers nach deutschem Recht. Das Landgericht Saarbrücken stellte in einem Hinweisbeschluss klar, dass es nicht darauf ankommt, auf welcher Online-Plattform ein Unternehmer registriert ist oder aber wo die Artikel eingestellt sind. Ob das nun also über ebay.de oder aber ebay.co.uk oder sonst wo erfolgt, spielt demnach keine Rolle. Entscheidend ist, so das Landgericht Saarbrücken, ob das jeweilige Angebot des Unternehmers auf den deutschen Markt ausgerichtet, die Waren damit auf dem deutschen Markt angeboten werden. Das wiederum ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Waren auch tatsächlich an Kunden in Deutschland verkauft werden.

Diese Rechtsauffassung ist nicht neu. Auch das Landgericht Saarbrücken war bereits zuvor in einer ähnlichen Angelegenheit mit einer vergleichbaren Problematik befasst und legte diese dem EuGH vor. Bei der Vorlage an den EuGH ging es um die Frage, welches Gericht denn nun zuständig ist, wenn ein französischer Händler mit einem deutschen Kunden in Frankreich einen Vertrag schließt. Nach europarechtlichen Vorgaben kann dies auch das Gericht des Wohnsitzes des Verbrauchers (hier also Deutschland) sein, wenn der französische Händler explizit deutsche Kunden mit seinem Angebot angesprochen hat. Dies ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der EU-Verordnung Nr. 44/2001.

Wann spricht ein Händler deutsche Kunden an?

Damit war zu klären, wann spricht ein Händler mit seinem Angebot deutsche Kunden an. Der EuGH C-218/12 bestätigte im Rahmen der Vorlage im Grunde seine schon damals bestehende Rechtsauffassung, dass stets anhand einzelner Indizien des konkreten Sachverhalts zu prüfen ist, ob der Unternehmer sich unmittelbar an Verbraucher eines bestimmten Landes richtet. Diese Indizien können in aller Regel auch aus dem Internetauftritt des Händlers gezogen werden. Bereits weit zuvor gab der EuGH im Jahr 2010 in der Entscheidung C‑585/08 einige Beispiel vor, welche als Orientierungshilfe bei der Bewertung etwaiger Indizien dienen können. Dazu zählen etwa eine vom Sitz des Anbieters abweichende Top-Level-Domain der genutzten Angebotsseite (-de., -co.uk, -fr usw.), auf das Zielland ausgerichtete Kontaktmöglichkeiten, die Verwendung unterschiedlicher Sprachen oder aber Anfahrtsbeschreibungen aus einem anderen Mitgliedsstaat hin zum Anbieter. 

Wichtig dabei ist, dass es nicht darauf ankommt, ob der jeweilige Vertrag sodann über die betreffende Webseite im Rahmen des Fernabsatzes über das Internet geschlossen wird. Es kommt im Grunde noch nicht einmal darauf an, ob der Verbraucher als Kunde die Webseite des Händlers überhaupt kennt, sprich, ob der Webauftritt des Händlers „kausal“ und damit ursächlich für den Vertragsschluss war. Wenn der Verbraucher aber die Webseite tatsächlich kennt und genau deshalb sich an den ausländischen Händler wendet, dann ist dies nach Auffassung des EuGH im Umkehrschluss erst Recht ein starkes Indiz dafür, dass der Händler den ausländischen Verbraucher direkt ansprechen wollte.

Und die Konsequenz für unseren Händler A?

Mit Blick auf den Beispielfall unseres Händlers A teilte das Landgericht Saarbrücken in seinem Hinweisbeschluss mit, es werde für die Frage dahingehend, ob es geboten war, die vorvertraglichen Verbraucherinformationen bereitzuhalten, die maßgeblichen Kriterien der EuGH-Rechtsprechung zur Gerichtszuständigkeit anwenden. Damit war für Landgericht Saarbrücken entscheidend, in welcher Form der A sein Angebot ausgerichtet hat. Dass der A dabei nicht nur fiktiv, sondern tatsächlich auch Kunden in Deutschland beliefert, war unbestritten und ergab sich schon unproblematisch aus dem Bewertungsprofil. Ebenso hielt der A verschiedene Hinweise und Informationen in deutscher Sprache bereit. So belehrte er auf Deutsch über die Möglichkeit der Online-Streitschlichtung (OS-Plattform) und teilte ebenso auf Deutsch mit, er werde die Mehrwertsteuer auf seinen Rechnungen separat ausweisen. Allein das waren bereits Angaben, welche einen englischsprachigen oder sonst nicht Deutsch sprechenden Kunden auf ebay.co.uk herzlich wenig interessieren, geschweige denn, dass er diese Informationen versteht. Ebenso hielt der A eine deutsche Mobilfunknummer sowie eine deutsche E-Mail-Adresse bereit und verwies letztlich über seinen eBay-externen, tatsächlich nur in Deutsch gehaltenen Onlineshop ausdrücklich auf seinen eBay-Account auf ebay.co.uk.

Dadurch war das Ergebnis für das Landgericht Saarbrücken im Grunde klar: Unser A spricht ohne Weiteres bewusst und gewollt Kunden aus Deutschland direkt an. Ob er dies nun über ebay.co.uk macht oder über sonst eine ausländische Verkaufsplattform ist bei der konkreten Angebotsausgestaltung unerheblich. Infolgedessen waren auch die üblichen vorvertraglichen Belehrungen bereitzuhalten. Soweit diese fehlten, sah das Landgericht Saarbrücken einen Wettbewerbsverstoß als gegeben an.

Praxistipp:

Das Umgehen notwendiger gesetzlicher Vorgaben wird jedenfalls in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht nicht dadurch erreicht, dass ein in Deutschland ansässiger Unternehmer seine Angebote außerhalb Deutschlands listet, obwohl er im Grunde seine Waren weitestgehend und unmittelbar nach Deutschland verkauft bzw. versendet. Sobald das Angebot sich wenigstens auch an deutsche Kunden direkt richtet, müssen die dahingehenden Vorgaben eingehalten werden. Wann das jeweilige Warenangebot auf den deutschen Markt ausgerichtet ist, ist im konkreten Einzelfall anhand der vorliegenden Indizien zu prüfen. Das kann z. B. der Fall sein, wenn eine ausländische Webseite nahezu vollständig in deutscher Sprache gestaltet ist, aber auch dann, wenn beispielsweise eine in französischer Sprache ausgestaltete Webseite ausdrücklich deutsche Telefonnummern für die Kontaktaufnahme oder Anfahrtsbeschreibungen auf Deutsch bereithält (so der Sachverhalt EuGH C-218/12).

Die Konsequenz dieser Sichtweise ist übrigens im Weiteren, dass umgekehrt auch nicht deutsche Anbieter, welche sich über die Verkaufsplattform ebay.de oder aber auch andere Onlineshop-Seiten an deutsche Kunden direkt wenden, die notwendigen rechtlichen Vorgaben nach deutschem Recht einhalten müssen. Ist dies nicht der Fall, trifft das Risiko eines Wettbewerbsverstoß nach deutschen Vorgaben auch den ausländischen Unternehmer, so beispielsweise das LG Karlsruhe 14 O 27/11 für den Fall eines niederländischen Anbieters auf ebay.de.

Der einzelne Unternehmer kommt also nicht umhin, sich vor Aufnahme der Tätigkeit Gedanken über die Ausrichtung seines Angebots zu machen. Liegt der Fokus wenigstens auch auf dem direkten Ansprechen des deutschen Marktes, ist dringend zu empfehlen, das jeweilige Angebot hinsichtlich der gebotenen Informations- und Belehrungsvorgaben zu prüfen. Ist anderes herum ein Ansprechen des deutschen Marktes gerade nicht gewollt, sollte auch das aus der Gestaltung des jeweiligen Angebots unbedingt hervorgehen.

Abschließende Ergänzung: Die hier gegebenen Ausführungen zielen in erster Linie auf das Vorhalten notwendiger Verbraucherinformationen im Online-Handel ab. Jedoch kommt die Anwendung der Indizienfindung auch bei der grundsätzlichen Frage zum Tragen, welches Gericht welchen Staates bei einem Streit über einen Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher außerhalb des Online-Handels zuständig ist. Auch dabei ist maßgeblich, welche Verbraucherkreise der Unternehmer ansprechen möchte. Wichtig ist, dass auch hier der Blick auf die Online-Präsenz des Händlers relevant sein kann, dies selbst dann, wenn der Kunde die Webseite gar nicht kennt und/oder der Vertrag nicht über die Webseite zustande gekommen ist.

Eine andere Frage ist, inwieweit für den jeweiligen Vertrag selbst eine Rechtswahl getroffen werden kann bzw. das Recht, welchen Staates in einem Streitfall zur Anwendung kommt. Das betrifft aber das konkrete Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer und spielt für die Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Vorgaben zunächst keine Rolle.



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