Ungelöstes Problem: Am 01.01.2022 Rücknahmepflicht für Elektroaltgeräte bei Lieferung von Elektrogroßgeräten

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Aktuell gibt es bereits für sogenannte Vertreiber, d.h. Internethändler, die Elektrogeräte verkaufen unter bestimmten Voraussetzungen die Verpflichtung, Elektroaltgeräte zurückzunehmen. Diese Verpflichtung gilt aktuell für Internethändler, die eine Versand- und Lagerfläche für Elektrogeräte von mindestens 400m“ haben.

Am 01.01.2022 ändert sich das Elektrogesetz durch das „Erste Gesetz zur Änderung des Elektro- und Elektronikgesetzes“. Die Rücknahmepflichten für Elektroaltgeräte werden für Internethändler erheblich erweitert.

Berechnung der entscheidenden 400m² ändert sich

Ab dem 01.01.2022 wird bei der Berechnung der 400m², die ein Internethändler rücknahmepflichtig für Elektroaltgeräte machen, sämtliche Verkaufs-, Lager- und Versandflächen für Elektro- und Elektronikgeräte addiert. Insbesondere werden auch Flächen für den stationären Handel hinzugerechnet. Sollte es unterschiedliche Versand- und Lagerflächen geben an einzelnen Standorten, so werden diese mit hinzugezählt. Das Gesetz spricht insofern von „allen Lager- und Versandflächen für Elektro- und Elektronikgeräte“. Theoretisch sind somit auch Versand- und Lagerflächen für Amazon-FBA mit hinzuzuaddieren. Es wird somit einige Internethändler geben, die ab dem 01.01.2022 plötzlich rücknahmepflichtig für Elektroaltgeräte werden.

Neu: Rücknahmepflicht für bestimmte Elektroaltgeräte bei der Lieferung eines Neugerätes

Bei folgenden Kategorien des Elektrogesetzes besteht eine Rücknahmepflicht des Elektroaltgerätes zeitglich mit der Lieferung, wenn grundsätzlich aufgrund der 40m²-Regel eine Rücknahmepflicht besteht:

Kategorie 1. Wärmeüberträger 

Kühlschränke
Gefriergeräte
Geräte zur automatischen Abgabe von Kaltprodukten
Klimageräte
Entfeuchter
Wärmepumpen
Wärmepumpentrockner
ölgefüllte Radiatoren
Boiler
Warmwasserspeicher
sonstige Wärmeüberträger, bei denen andere
Flüssigkeiten als Wasser für die Wärmeübertragung verwendet werden


Kategorie 2. Bildschirme, Monitore und Geräte, die Bildschirme mit einer Oberfläche von mehr als 100 Quadratzentimetern enthalten 


Bildschirme
Fernsehgeräte
LCD-Fotorahmen und digitale Bilderrahmen
Monitore
Laptops
Notebooks
Tablets und Tablet-PCs

Kategorie 4. Großgeräte 


Waschmaschinen
Wäschetrockner
Geschirrspüler
Elektroherde und Elektrobacköfen
Elektrokochplatten
Leuchten
Ton- oder Bildwiedergabegeräte
Musikausrüstung (mit Ausnahme von Kirchenorgeln)
Geräte zum Stricken und Weben
Großrechner
Großdrucker
Kopiergeräte
Geldspielautomaten
medizinische Großgeräte
große Überwachungs- und Kontrollinstrumente
große Produkt- und Geldausgabeautomaten
große Photovoltaikmodule
Nachtspeicherheizgeräte
große Antennen
Pedelecs Elektrokleinstfahrzeuge mit zwei Rädern und ohne Sitz

Wichtig: Diese Auflistung von Großgeräten ist nicht abschließend. Auch weitere Großgeräte fallen unter die Kategorie 4. Zu Großgeräten gehören z.B. auch Gasgrills mit elektrischer Beleuchtung, Whirlpools, Dampfduschen, Saunen, soweit diese mit elektrischen Bestandteilen (Ofen oder Beleuchtung) ausgeliefert werden, Gartenpavillons mit elektrischer Beleuchtung etc.

Die Rücknahmepflicht in der Praxis

Die ab dem 01.01.2022 geltende neue Rücknahmepflicht von Elektroaltgeräten bei Lieferung des Elektroneugerätes hat mehrere Rechtsfolgen:

Zum einen muss während des Bestellprozesses spätestens bei Vertragsschluss bei dem Kunden eine Abfrage erfolgen, ob der Kunde bei Auslieferung des neuen Gerätes ein Elektroaltgerät zurückgeben möchte. Abhängig von den angebotenen Elektrogeräten muss daher z.B. im Checkout eines Internetshops die Möglichkeit zur Abfrage geschaffen werden. Plattformen, wie Amazon oder eBay müssen ebenfalls Möglichkeiten schaffen, um diese Abfrage zu ermöglichen.

Ungelöst: Mitnahme des Elektroaltgerätes bei Lieferung

Das Gesetz ist vom Wortlaut her eindeutig so zu verstehen, dass bei Lieferung des Elektroneugerätes quasi zeitgleich das Elektroaltgerät zurückgenommen werden muss. Sogenannte Wärmeübertrager (Kühlschränke, Gefrierschränke, etc.) wie aber auch Elektrogroßgeräte werden häufig über eine Spedition ausgeliefert. Hier kann der Versender mit der Spedition klären, dass eine Elektroaltgeräterücknahme auf Wunsch des Kunden erfolgt.

Ein ungelöstes Problem ist jedoch der Versand von Geräten der Kategorie 2 (Bildschirme, Monitore und Geräte, die Bildschirme mit einer Oberfläche von mehr als 100cm² enthalten):

Diese Geräte werden häufig durch die üblichen Logistikdienstleister, wie z.B. DHL versandt. Die Rücknahmeverpflichtung besteht für ein ähnliches Gerät.

Wenn somit z.B. ein Käufer einen kleinen Flachbildfernseher bestellt, kann es theoretisch denkbar sein, dass er gleichzeitig einen riesigen alten Röhrenfernseher als Elektroaltgerät zurückgeben möchte. Neben rein praktischen Problemen, wie z.B. einer ordnungsgemäßen Transportsicherung oder der Frage, wie sehr schwere Geräte z.B. in der Praxis in das Postauto kommen, gibt es jedoch noch ein ungelöstes Problem:

Logistikdienstleister bieten Abholung und Rücknahme von Elektroaltgeräten nicht an.

Logistikdienstleister, d.h. Versandunternehmen und Carrier bieten nach unserer Kenntnis (Stand 10/2021) ab 2022 keine gleichzeitige Elektroaltgeräterücknahme an. Uns ist jedenfalls trotz Kontakte zu Branchenverbänden kein Logistikdienstleister bekannt, der dies mit Sicherheit zum Anfang des nächsten Jahres anbieten wird. Selbst wenn man annehmen würde, dass die Abholung des Elektroaltgerätes nicht zeitgleich erfolgen muss, sondern durch einen anderen Dienstleister auch zeitlich versetzt erfolgen kann, gibt es nach unserer Kenntnis auch keine Dienstleister, die eine bundesweite Abholung gewährleisten könnten.

Was tun?

Internethändler, die bereits aktuell von der Rücknahmeverpflichtung betroffen sind oder aufgrund der Änderung der 400m²-Regelung ab dem 01.01.2022 von der Rücknahmeverpflichtung betroffen sein werden, ist zu empfehlen, sich frühzeitig um eine Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben zu kümmern.

Insbesondere empfiehlt es sich, bei Logistikdienstanbietern nachzufragen, inwieweit diese eine entsprechende Lösung anbieten. Zudem müssen auch die technischen Abläufe in Internetshops, wie z.B. die Abfrage der Rücknahme von Elektroaltgeräten bei den entsprechenden Produkten gewährleistet sein.

Insbesondere Internethändler, die Produkte der Kategorie 2 vertreiben, die ganz normal per Paket versandt werden, müssen eine Lösung finden.

Das Problem auszusitzen, ist keine Alternative.

Verstöße gegen Rücknahmepflichten von Elektroaltgeräten als Elektrogesetz sind wettbewerbswidrig. Es gibt zu dieser Thematik bereits jetzt mehrere Urteile. Entsprechende Abmahner, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) haben das Thema nach unserem Eindruck bereits jetzt im Fokus.

Hinzukommt, dass bei einer Nichteinhaltung der neuen Vorgaben nach Elektrogesetz ein Bußgeldverfahren droht. Zuständig ist das Umweltbundesamt (UBA). Das Bußgeld kann bis zu 100.000,00 Euro betragen.

Wir beraten Sie gern konkret.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de seit vielen Jahren Internethändler.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen fast 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.

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Johannes Richard
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz


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