Vaterschaftsanerkennung und Missbräuchlichkeit im internationalen Kontext

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Wird ein Kind ehelich geboren, so gilt im deutschen Recht als rechtlicher Vater der Ehemann der Mutter, § 1592 BGB.

Bei einem Kind, welches von einer ledigen Mutter geboren wird, bedarf es nach deutschem Recht allerdings eines weiteren Aktes zur Zuordnung der Vaterschaft. Hier muss der Vater das Kind durch eine Erklärung beim Standesamt, Notar oder Jugendamt anerkennen.

Ob er tatsächlich der leibliche Vater des Kindes ist, spielt so lange keine Rolle, wie er tatsächlich die soziale Vaterrolle übernimmt. Der deutsche Staat nimmt es also hin, dass möglicherweise ein nichtbiologischer Vater ein Kind anerkennt, solange er sich um dieses Kind kümmert. Auch für das Kind ist diese Anerkennung ein Gewinn, denn damit übernimmt der soziale Vater auch rechtliche Pflichten wie Unterhaltspflichten und das Kind wird zudem gesetzlicher Erbe.

Allerdings hat sich der Gesetzgeber auch mit der sogenannten missbräuchlichen Anerkennung von Vaterschaften auseinandergesetzt und dies seit 29.07.2017 im § 1597a BGB gesetzlich geregelt. Eine Vaterschaft darf nämlich dann nicht anerkannt werden, wenn gezielt die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter geschaffen werden sollen auch im Hinblick auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz.

In sog. Verdachtsfällen soll daher eine Beurkundung zunächst unterbleiben. Die Urkundsperson hat zu prüfen, ob konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft bestehen. In diesem Fall ist nach § 85a Aufenthaltsgesetz die zuständige Ausländerbehörde zu informieren. Die Ausländerbehörde entscheidet dann, ob vorliegend eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung gegeben ist. Bis die endgültige Entscheidung der Ausländerbehörde vorliegt, darf das Kind allerdings auch von einer anderen Person nicht anerkannt werden.

Das Gesetz sieht folgende Katalogbeispiele als Anzeichen für das Vorliegen von Anhaltspunkten für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung vor:

  1. Es besteht eine vollziehbare Ausreisepflicht des anerkennenden Vaters oder der Kindesmutter.
  2. Der Anerkennende oder die Kindesmutter haben einen Asylantrag gestellt und die Staatsangehörigkeit eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a Asylgesetz.
  3. Es besteht der Verdacht, dass der Anerkennende bereits mehrfach die Vaterschaft von Kindern verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat und jeweils die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise etc. geschaffen hat.
  4. Es besteht der Verdacht, dass dem Anerkennenden oder der Kindesmutter ein Vermögensvorteil für die Anerkennung der Vaterschaft oder die Zustimmung hierzu gewährt oder versprochen wurde.

Liegen derartige Anzeichen vor, muss die anerkennende Behörde weitere Prüfungen anstellen um herauszufinden, ob sich die Verdachtsmomente zu einem konkreten Anhaltspunkt verdichten. Stellen sich beispielsweise keine aufenthaltsrechtlichen Fragen, da alle Beteiligten Deutsche sind oder ist der anerkennende Vater tatsächlich der leibliche Vater, so liegt keine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung vor.

Andererseits steht einer Vaterschaftsanerkennung gerade nicht entgegen, dass der anerkennende Vater nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Dies ist so lange nämlich unschädlich, wie er eine tragfähige persönliche Beziehung mit dem Kind hegt und sich um das Kind kümmert.

Die Betroffenen können sich also durch entsprechende Erklärungen und Glaubhaftmachung von dem Tatverdacht der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung befreien.

So geschehen in einem Fall, welcher letztinstanzlich beim Bundesverwaltungsgericht gelandet ist und dort durch Urteil vom 24.06.2021 zum Geschäftszeichen 1 C 30.20 entschieden wurde:

Hier stellte das oberste deutsche Verwaltungsgericht klar, dass eine Vaterschaftsanerkennung dann nicht missbräuchlich ist, wenn persönliche Beziehungen zwischen Vater und Kind bestehen. Der anerkennende Vater und Kläger war dabei deutscher Staatsangehöriger und Beamter im Dienst des Auswärtigen Amtes. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit war er in verschiedenen Ländern bei den Deutschen Botschaften eingesetzt und hat neun Kinder, deren leiblicher Vater er auch sein will. Drei der Kinder sind aus der Ehe mit einer japanischen Staatsangehörigen hervorgegangen. Die weiteren sechs Kinder stammen aus nichtehelichen Beziehungen mit verschiedenen Frauen, wobei er jeweils die Vaterschaft der Kinder anerkannt hat, mit diesen zum Teil zusammengelebt hat und denen Unterhalt gewährt.

Während seines Aufenthalts in Kamerun lernte der Kläger nun eine Kamerunerin und deren bereits im Jahr 2001 geborenen Sohn kennen, zu dem es offensichtlich keinen rechtlichen Vater gab. Der Kläger erkannte die Vaterschaft für das Kind im Jahr 2016 an, die Deutsche Botschaft lehnte jedoch die Beurkundung der notwendigen Zustimmungserklärung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung ab, da sie die Zustimmungserklärung für missbräuchlich hielt und erließ einen entsprechenden Bescheid im April 2018.

Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht Berlin lehnte die Klage des Vaters ab und bestätigte somit die Missbräuchlichkeit. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gab der Berufung des Klägers letztlich aber statt, weil die Vaterschaftsanerkennung nicht missbräuchlich gewesen sei. Bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen sei ein enges Verständnis einer Missbräuchlichkeit geboten. Diese läge daher nur dann vor, wenn der alleinige Zweck der Anerkennung darin bestehe, die rechtlichen Voraussetzungen für eine ansonsten verwehrte Einreise etc. zu schaffen.

Kann der Kläger allerdings gewichtige Umstände vorbringen, zum Beispiel das Bestehen einer persönlichen Bindung zu dem Kind, die gegen eine Missbräuchlichkeit sprechen, so ist diese widerlegt. Die positive Folge einer Vaterschaftsanerkennung in Form der Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit bzw. Möglichkeit der Einreise nach Deutschland sei dann quasi als Begleiterscheinung vom Staat hinzunehmen. Das Gericht stellte klar, dass es gerade nicht ausreichend sei, dass der aufenthaltsrechtliche Zweck auch ein prägender Zweck sei.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte nach der Revision der beklagten Ausländerbehörde die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts. Gemäß dessen Ausführungen habe nämlich die Anerkennung der Vaterschaft eines nichtdeutschen minderjährigen Kindes durch einen deutschen Staatsangehörigen zwangsläufig auch aufenthaltsrechtliche Wirkungen. Diese darf ein die Vaterschaft Anerkennender auch wollen und bezwecken.

Wird jedoch ein über die aufenthaltsrechtlichen Wirkungen hinausgehender, rechtlich anzuerkennender Zweck verfolgt, kann die Vaterschaftsanerkennung nicht missbräuchlich sein. Zulässig ist dabei die Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung. Die aus der Vaterschaftsanerkennung resultierenden Rechte und Pflichten unterhaltsrechtlicher, erbrechtlicher und sozialer Natur muss der Anerkennende auch tatsächlich wahrnehmen und leben wollen. Dabei kann er die Eltern-Kind-Beziehung autonom und weitestgehend frei von staatlichen Vorgaben ausgestalten, da es kein staatlich geprägtes Bild eines Eltern-Kind-Verhältnisses gibt. Dies soll heißen, dass der tatsächliche Umfang der Unterhalts- und Unterstützungsleistungen etc. den Eltern und dem Kind vorbehalten sind. Zum Beispiel ist keine häusliche Lebensgemeinschaft erforderlich, ausreichend ist auch eine geistig-emotionale Nähebeziehung.

Ob diese gegeben ist, kann die zuständige Ausländerbehörde aufgrund von umfassender Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilen. Sowohl die Ausländerbehörde als auch die beurkundende Stelle können also Fragen stellen nach der persönlichen Beziehung zwischen dem anerkennenden Vater, der Mutter und dem Kind, ob bereits andere Kinder von anderen Beteiligten anerkannt wurden, ob die anderen Beteiligten andere Staatsangehörigkeiten besitzen oder ob der Anerkennende oder die Mutter durch die Vaterschaftsanerkennung einen Vermögensvorteil erlangen.

Die Frage nach der biologischen Vaterschaft dürfte meines Erachtens allerdings dann unzulässig sein, wenn tatsächlich die sozialen Beziehungen gelebt werden, denn dann kommt es gerade nicht auf die biologische Vaterschaft an.

BVerwG, Urteil vom 24.06.2021-1 C 30.20

Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.01.2020 - 3 B 31.19 und VG Berlin, Urteil vom 07.06.2019 – 11 K 381.18

Nicole Rinau

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Sozialrecht

Foto(s): @buemlein


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