Vaterschaftsanfechtung – wer, wie, wann?

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Die Anfechtung der Vaterschaft ist eine wichtige Möglichkeit, um die Abstammung eines Kindes und damit verbundene Unterhaltspflichten zu klären. Dennoch ist sie nur bestimmen Fällen möglich. Diese Regelung soll dem Kind eine gedeihliche Entwicklung ermöglichen, in der es möglichst weiß, wer sein Vater ist. Zugleich soll das Kind, das in einer intakten Familie lebt, davor geschützt werden, dass sein Verhältnis zum Vater, der bislang eine wichtige Bezugsperson war, gestört oder ein vermeintlicher Vater sich in das Leben der Familie hineindrängt. Erfahren Sie hier alles zum (heimlichen) Vorgehen, anfechtungsberechtigten Personen, Fristen und Kostenverantwortung.

Wer kann anfechten?

Der Kreis der anfechtungsberechtigten Personen ist eng begrenzt. . Neben dem Kind selbst können folgende Personen in den jeweiligen Szenarien eine Vaterschaft anfechten lassen.

Der rechtliche Vater des Kindes

Zur Anfechtung berechtigt sind Sie, wenn das Kind während Ihrer bestehenden Ehe von Ihrer Ehefrau geboren wurde und Sie daher als rechtlicher Vater des Kindes gelten. Insoweit ist die Vaterschaftsanfechtung auch während einer bestehenden Ehe möglich. Genauso ist die Vaterschaftsanfechtung nach der Scheidung eine Option, da Sie auch nach der Scheidung als rechtlicher Vater des Kindes gelten und möglicherweise ein Interesse daran haben, wegen der mit der Scheidung verbundenen Unterhaltspflichten für das Kind die Vaterschaft zu klären.

Derjenige, der die Vaterschaft anerkannt hat

Anfechtungsberechtigt sind Sie sogar auch, wenn Sie die Vaterschaft anerkannt haben. Es soll der wahren Abstammung des Kindes zum Durchbruch verholfen werden, wenn es wenigstens ein Beteiligter so möchte. Deshalb ist auch bei einer bewusst wahrheitswidrigen Anerkennung die spätere Anfechtung möglich. Dieses Argument wird dadurch unterstützt, dass die Mutter der Anerkennung zustimmen muss und selbst am besten weiß, wer als Vater in Frage kommt.

Der leiblich-biologische Vater

Sie sind anfechtungsberechtigt, wenn Sie vermeintlich der leiblich-biologische Vater des Kindes sind. Dazu müssen Sie an Eides statt versichern, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Damit soll verhindert werden, dass sich unbeteiligte Dritte einmischen. Ein Anfechtungsrecht ist zudem mindestens problematisch, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht, die im Interesse der intakten Familie dem Recht des vermeintlich leiblich-biologischen Vaters übergeordnet ist. In der Praxis kann sich diese Einschränkung oft als unüberwindliche Hürde erweisen.

Die Mutter

Anfechtungsberechtigt ist zudem die Mutter des Kindes. Eine Anfechtung kommt in Betracht, wenn die Mutter die rechtliche Vaterschaft ihres Ehemannes nach der Scheidung beseitigen und den vielleicht leiblichen Vater als Vater des Kindes in die Verantwortung für das Kind einbeziehen möchte. Das einschränkende Erfordernis einer Kindeswohlprüfung ist im Gesetz trotz des möglichen Interessenkonflikts zwischen Mutter und Kind und der eventuellen Bindung zum Scheinvater nicht vorgesehen.

Der Samenspender – nur unter Umständen

Ob der Samenspender ein Anfechtungsrecht hat, ist eine schwierige Frage. Das Anfechtungsrecht hängt davon ab, ob der Samenspender auf sein Elternrecht wirksam verzichtet hat, was bei einer anonymen Spende im Regelfall anzunehmen ist. Das Anfechtungsrecht dürfte meist ins Leere gehen, wenn das Kind eine sozial-familiäre Beziehung zu seinem rechtlichen Vater aufgebaut hat und die Anerkennung der Vaterschaft des Samenspenders diese heile Welt des Kindes gefährden würde.

Zuständigkeit bei der Vaterschaftsanfechtung

Die Vaterschaftsanfechtung erfordert ein Verfahren vor dem örtlichen zuständigen Familiengericht. Zuständig ist das Familiengericht, in dessen Bezirk das Kind wohnt. Beim Standesamt können Sie also keine Erklärung abgeben, dass Sie nicht der Vater des Kindes oder umgekehrt der Vater des Kindes sind.

Besteht für die Vaterschaftsanfechtung Anwaltszwang?

Für die Vaterschaftsanfechtung besteht kein Anwaltszwang. Sie können sich also selbst vertreten. Angesichts der komplexen Rechtsverhältnisse und der anspruchsvollen Verfahrensweise sollten Sie sich jedoch möglichst anwaltlich informieren, beraten und vor dem Familiengericht auch vertreten lassen. Zudem könnte noch ein Verfahren für den so genannten Unterhaltsregress anstehen, bei dem es darum geht, von dem leiblichen Vater den Unterhalt zurückzufordern, der bereits an das Kind geleistet wurde.

Wie ist der Ablauf des Verfahrens bei der Vaterschaftsanfechtung?

Wird der Schriftsatz zur Vaterschaftsanfechtung beim Familiengericht eingereicht, prüft das Gericht, ob Ihr Antrag stichhaltig ist. Reine Vermutungen allein reichen nicht aus. So genügt es nicht, zu behaupten, das Kind habe keinerlei Ähnlichkeit mit Ihnen selbst oder ähnele offensichtlich einer anderen Person.

Vielmehr müssen Sie konkrete Umstände vortragen, aus denen sich die Vermutung, dass Sie nicht der Vater sind, begründen lässt. Der Bundesgerichtshof verlangt einen sogenannten begründeten Anfangsverdacht, aus dem sich Umstände ergeben, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes zu retten.

In Betracht kommen folgende Gründe:

  • Sie haben der Mutter während der Empfängniszeit nicht beigewohnt, weil Sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits getrennt hatten,
  • Sie waren in der Empfängniszeit schwerwiegend erkrankt,
  • Sie sind nachweislich zeugungsunfähig,
  • Sie haben im Einverständnis mit Mutter oder Kind ein Abstammungsgutachten mit einem für Sie positiven Ergebnis durchgeführt,
  • Die Mutter hat in der Empfängniszeit nachweislich mit einem anderen Mann geschlafen.

Wird das Verfahren eingeleitet, erhalten alle Beteiligten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Um die Vaterschaft abzuklären, beauftragt das Familiengericht in der Regel ein Abstammungsgutachten. Das Abstammungsgutachten ist ein medizinisches Sachverständigengutachten, das abklären soll, ob Sie als Antragsteller der Vater sind oder ob ein anderer Mann als Vater des Kindes in Betracht kommt. Zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes können der Vater jeweils von Mutter und Kind, die Mutter jeweils von Vater und Kind und das Kind von beiden Elternteilen verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe dulden (§ 1598a BGB).

Vaterschaft heimlich testen?

Ein Vaterschaftstest, der ohne die Zustimmung des Kindes oder des gesetzlichen Vertreters des Kindes durchgeführt wurde, kann vor Gericht nicht als Beweis verwertet werden. Ein heimlicher Test ist nicht geeignet, Zweifel an der Vaterschaft schlüssig darzulegen. Er verstößt gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes. Ein solcher Test kann allenfalls ein Indiz dafür sein, dass Sie nicht der Vater sind und Sie bestärken, die Vaterschaftsanfechtung auf den Weg zu bringen.

Gibt es für die Vaterschaftsanfechtung eine Frist?

Die Vaterschaft kann im Interesse des Kindes und der eventuell bestehenden Familiensituation nur in einer Frist von zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt allerdings erst, wenn der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfährt, die seine Vaterschaft infrage stellen. Die Frist beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes. Ist die Frist abgelaufen, es ist nicht mehr möglich, die Vaterschaft gerichtlich anzufechten.

Wer trägt die Kosten bei der Vaterschaftsanfechtung?

Verläuft die Vaterschaftsanfechtung erfolgreich, werden die Kosten zwischen den Beteiligten im Regelfall aufgehoben. Dies bedeutet, dass die Gerichtskosten geteilt werden und jeder Beteiligte die Gebühren für einen eventuell beauftragten Rechtsanwalt selber trägt. Minderjährige Kinder werden jedoch nicht an den Gerichtskosten beteiligt.

Die Höhe der Gebühren hängt vom Verfahrenswert ab. Der Regelwert beläuft sich auf 2.000 EUR (§ 47 FamGKG). Bei Annahme dieses Verfahrenswertes sollten Sie mit einem Gebührenaufwand von ca. 1.000 EUR rechnen. Hinzu kommen die Kosten für das Abstammungsgutachten, die Sie gleichfalls mit ca. 1.000 EUR veranschlagen sollten. Lassen Sie sich anwaltlich vertreten, fallen auch dafür Kosten an.

Was sind die Folgen der erfolgreichen Anfechtung der Vaterschaft?

Steht fest, dass Sie nicht der leiblich-biologische Vater des Kindes sind, werden Sie von der Unterhaltspflicht für das Kind befreit. Sie verlieren Ihr Sorgerecht, gelten mit dem Kind als nicht mehr verwandt und können eventuell gegenüber dem leiblichen Vater wegen Ihrer bisherigen Unterhaltsleistungen für das Kind Schadensersatzansprüche geltend machen. Solche Schadensersatzansprüche erweisen sich in der Praxis aber oft als schwierig durchzusetzen. Sie müssten der Mutter eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachweisen, indem die Mutter gezielt ein fremdes Kind unterschieben wollte (Kuckuckskind).

Fazit

Der Weg zur Feststellung der biologischen Vaterschaft ist mit einer Reihe von Hürden verbunden. Möchten Sie Ihre Verantwortung für das Kind einer Prüfung unterziehen, sollten Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen. Wichtig ist dabei natürlich der emotionale Aspekt: Personen, zu denen das Kind bereits eine enge Bindung aufgebaut hat, und die gut für seine Entwicklung sind, sollten möglichst weiterhin Teil seines Lebens bleiben (können).


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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