Verkehrssicherungspflicht bei Entzug der Verfügungs­gewalt

  • 2 Minuten Lesezeit

Wird dem Verkehrssicherungspflichtigen durch eine hoheitliche Maßnahme die tatsächliche Verfügungsgewalt über sein Grundstück gegen oder ohne seinen Willen entzogen, sodass ihm nur noch die rein formale Rechtsposition des Eigentums verbleibt, so reicht dies zur Begründung einer Deliktshaftung für die von dem Grundstück ausgehende Gefahr nicht aus. In diesem Fall verbleibt auch kein Raum für eine reduzierte Verkehrssicherungspflicht in Form von Überwachungspflichten.


Mit dieser Begründung hat der BGH unter dem 13.06.2017 – VI ZR 395/16 - das Berufungsurteil des OLG Dresden bestätigt, wonach die beklagte Grundstückseigentümerin keinen Schadensersatz schuldet. Diese hatte der Kläger wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen, nachdem sein Pkw durch Astbruch eines auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Baumes beschädigt worden war. Indes war zuvor die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Straßenbaubehörde, nach § 18 f Fernstraßengesetz zu Straßenbauzwecken in den Besitz dieses Grundstückes eingewiesen worden.


Nach § 823 Abs. 1 BGB ist zwar grundsätzlich jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, verpflichtet, alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um andere vor Schäden zu bewahren. Insbesondere hat derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, soweit möglich und zumutbar dafür zu sorgen, dass von den dort befindlichen Bäumen keine Gefahren für Dritte ausgehen und daher den Baumbestand in angemessenen Zeitabständen auf vorhandene Gefahrenquellen zu überwachen. Soweit sich der an sich Verkehrssicherungspflichtige allerdings des Einflussbereiches und der tatsächlichen Verfügungsgewalt - sei es vertraglich oder faktisch - begibt, wird grundsätzlich der Dritte für den Gefahrenbereich deliktisch verantwortlich, während  der ursprünglich Verkehrssicherungspflichtige zu dessen Überwachung verpflichtet und damit neben ihm verantwortlich bleibt. Wer indes – wie hier – Adressat einer zwangsweisen Verlagerung seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt auf einen Dritten ist, auf den er selbst keinerlei Einflussmöglichkeit hat, so hat er diesen auch nicht noch zu überwachen. Aufgrund der vorzeitigen Besitzeinweisung des Trägers der Straßenbaulast durch die Enteignungsbehörde wurde dem Eigentümer mittels hoheitlicher Maßnahme die Sachherrschaft und damit auch die Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück entzogen. Damit verlor dieser die deliktische Verantwortung für die Kontrolle der Bäume gänzlich, während diese durch den in den Besitz Eingewiesenen begründet wurde.


Weitere Informationen auch zu anderen Themen erhalten Sie unter „www.dr.s.v.berndt.de“.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Dr. Sabine Veronika Berndt

Beiträge zum Thema