Versetzung des Arbeitnehmers – einige wichtige Grundsätze

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1. „In meinem Arbeitsvertrag ist als Arbeitsort München angegeben. Kann ich trotzdem an einen anderen Standort meines Arbeitgebers versetzt werden?“

Die Antwort lautet: die Versetzung ist deswegen nicht ausgeschlossen. Die Angabe eines Arbeitsortes oder Dienstortes im Arbeitsvertrag bedeutet im Normalfall nicht, dass der Arbeitgeber auf das Recht verzichtet hat, den Arbeitnehmer auch an anderen Orten einzusetzen. Eine Beschränkung des arbeitsvertraglich geschuldeten Einsatzes auf einen bestimmten Arbeitsort ist also die Ausnahme, nicht die Regel.

Bei Umstrukturierungsmaßnahmen können die Betriebsparteien vereinbaren, dass Versetzungen nicht oder nur beschränkt vorgenommen werden. Deshalb ist es wichtig, in solchen Fällen zu wissen, was die Betriebsparteien vereinbart haben.

2. „Eine Versetzung ist völlig unnötig, weil meine Aufgaben am bisherigen Arbeitsort unverändert weiter bestehen.“

Die Entscheidung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer zu versetzen, kann auch unwirtschaftlich oder unzweckmäßig sein. Eine Zweckmäßigkeitskontrolle bezüglich der unternehmerischen Entscheidung findet nicht statt. Es ist auch nicht gerichtlich überprüfbar, ob es möglicherweise andere, sinnvollere organisatorische Entscheidungen gibt.

Bundesarbeitsgericht v. 30.11.2016 – gerichtl. Aktenz. 10 AZR 11/16

3. „Ich bin sozial schutzwürdiger als meine Kollegen. Muss der Arbeitgeber dann nicht erst einmal die anderen Mitarbeiter versetzen?“

Eine Sozialauswahl findet bei der Versetzung, anders als bei der betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 KSchG, nicht statt:

Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden.

Bundesarbeitsgericht v. 17.08.2011, gerichtl. Aktenz. 10 AZR 202/10

4. Welche Grenzen gibt es überhaupt für Versetzungen?

Der Arbeitgeber kann nach § 106 S. 1 der Gewerbeordnung

„Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.“

Geprüft werden muss also zunächst, ob tariflich oder durch Betriebsvereinbarungen oder arbeitsvertraglich eine Beschränkung der Einsatzmöglichkeiten geregelt ist.

Hat der Arbeitgeber sich im Arbeitsvertrag die Versetzung an einen anderen Arbeitsort des Unternehmens vorbehalten, ist der Einsatz des Arbeitnehmers nicht auf den im Arbeitsvertrag ggf. angegebenen Arbeitsort beschränkt (siehe oben zu Nr. 1).

Bundesarbeitsgericht v. 13.11.2013 – gerichtl. Aktenz. 10 AZR 1082/12

Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 der Gewerbeordnung.

BAG v. 26.09.2012 – gerichtl. Aktenz. 10 AZR 311/11

Das Bundesarbeitsgericht erklärt es so:

Bei der Ausübungskontrolle erfolgt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen.

Bundesarbeitsgericht v. 28.08.2013 – gerichtl. Aktenz. 10 AZR 569/12

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart



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