verunreinigter (Listerien) Rohmilch-Käse: 150.000,- € Schadensersatz und Schmerzensgeld

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inkomplette Querschnittslähmung nach Verzehr von bakteriell verunreinigtem (Listerien) Rohmilch-Käse: 150.000,- € Schadensersatz und Schmerzensgeld (auch Produkthaftung)


1. Ich nahm für einen Mandanten [bereits in einem weit fortgeschrittenen Alter] sowohl den Hersteller bzw. auch die Verkäufer von Käsereiprodukten wegen Herstellung und Inverkehrbringen von bakteriell verseuchtem Bio-Rohmilch-Käse (Stamm: „listeria monocytogenes“, sog. Listerien) aus Produkthaftung und Delikt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gesamtschuldnerisch in Anspruch. Der Mandant hatte als Liebhaber von Rohmilchkäse regelmäßig u.a. auch den Käse der Beklagten gekauft.

2. Die Beklagten hatten bakteriell verunreinigten Käse in den Verkehr gebracht; dieses Risiko ist typisch bei der Verarbeitung von Rohmilcherzeugnissen und kann für bestimmte Verbraucherkreise schwerwiegende und erhebliche Auswirkungen haben. Die Beklagte hätte daher u.a. die Verkehrspflicht getroffen, sich vor Inverkehrbringung zu vergewissern, dass die Produkte mängelfrei wären.

Gesetzlicher Hintergrund: Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden (Artikel 14 Abs. 1 VO EG 178/2002). Lebensmittel gelten dann als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie gesundheitsschädlich sind, Art 14 Abs. 2a VO EG 178/2002, früher § 8 Nr. 2 Lebensmittelbedarfsgesetz (LMBG). Rohmilchkäse muss laut § 6 Abs. 2 Nr. 3a der Milch-VO so hergestellt sein, dass er die Anlage 6 der Ziffer 3.3.1.1. Nr. 1 und 2. erfüllt. Es dürfen keine pathogenen Keime wie „listeria monocytogenes“ u.a. im Käse enthalten seien. Um eine gesundheitliche Gefährdung der Verbraucher auszuschließen, dürfen in Verkehr gebrachte verzehrfertige Lebensmittel während der gesamten Haltbarkeitsdauer nicht mehr als 100 Keime von Listeria monocytogenes pro Gramm enthalten. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) müssen Listeriose –Erkrankungen den zuständigen Behörden gemeldet werden (meldepflichtige Krankheit). 

Die an verschiedenen Standorten in Verkehr gebrachten Käsereiprodukte wiesen aber nachweisbar gesundheitsschädliche Mängel (Produktfehler) auf: es konnten Bakterien vom Stamm „listeria monocytogenes“ festgestellt und in gesundheitsschädlichem Ausmaß nachgewiesen werden – dies ergaben umfassende Recherchen.

Listerien“ sind Stäbchenbakterien, die nur geringe (Nährstoff-)Anforderungen stellen und daher fast überall vorkommen. Von besonderer Bedeutung ist das Bakterium „listeria monocytogenes“, welches die Listeriose (Infektionskrankheit verursacht durch Listerien) des Menschen auslösen kann. Listeria monocytogenes Erreger werden vor allem in rohen, vom Tier stammenden, Lebensmitteln gefunden, so u.a. bei Rohmilch und Rohmilchkäse, und stellen - zwar nicht für die Allgemeinheit, aber für spezielle Risikogruppen - eine ggfls. ganz erhebliche Gefahr dar: meist verläuft sie symptomslos und bleibt daher unerkannt. Wenn Symptome auftreten sind sie eher unspezifisch und grippeähnlich. Fieber und Muskelschmerzen sind beschrieben und unter Umständen treten Erbrechen und Durchfall auf. Die Infektion kann aber bei besonders gefährdeten Personen (Risikogruppe: Schwangere, Neugeborene, ältere Menschen sowie Personen, die durch Vorerkrankungen ein geschwächtes Immunsystem haben) schwerwiegende gesundheitliche Schäden verursachen.

In den Jahren 2001 bis 2018 wurden für Deutschland insgesamt 8157 Listeriosen nach IfSG übermittelt, pro Jahr im Durchschnitt 453 Fälle [Quelle RKI].

3. Nach Verzehr entstandenen beim Mandanten leider sehr weitreichende Folgen: der verunreinigte Käse hat bei ihm zunächst zu der bakteriellen Infektion („Listeriose“) geführt, bedingt dadurch bildete sich eine Rückenmarksentzündung („Listerienmyelitis“) und schließlich in der Folge eine inkomplette Querschnittslähmung. Aufgrund der unspezifischen Symptome blieb die Ursache der Erkrankung zu lange unerkannt, die Rückenmarksentzündung war bereits unumkehrbar weit fortgeschritten - dem langjährig behandelnden Haus-Arzt wurde nach Entscheidung des Mandanten kein ärztlicher Behandlungsfehler vorgeworfen.

Gesundheitsschäden: Der Kläger war in seinem hohen Alter plötzlich auf den Rollstuhl angewiesen; Gehen war nur in sehr engen Grenzen, mit Gehhilfen für sehr kurze Strecken oder im Wasser möglich. Im Ergebnis war der Kläger an den Rollstuhl gefesselt.

Vorgerichtliche Einigungsversuche scheiterten.

In der mündlichen Verhandlung wurde nach nochmalig nachgebessertem Angebot der Versicherung schließlich ein gerichtlicher Vergleich protokolliert; vorrangig für die Entscheidung des [betagten] Mandanten für einen zeitnahen Abschluss waren schließlich die Hinweise des Gerichts (mögliche Beweisproblematik hinsichtlich der Kausalität, v.a. wegen dem ebenfalls aktenkundigen Bezug von Rohmilchprodukten durch den Kläger über mehrere Jahre) und nicht zuletzt das sehr fortgeschrittene Alter des Klägers.

Es konnte so schließlich eine Zahlung in Höhe von 150.000,- € [Schmerzensgeld und Schadensersatz] erreicht werden.



Rainer Beer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht 


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