Verzicht auf den Versorgungsausgleich - Wann ist er sinnvoll?

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Der Versorgungsausgleich ist fester Bestandteil des Scheidungsverfahrens. Mehr noch: Es handelt sich hierbei um die einzige Scheidungsfolgesache, die von Amts wegen durchgeführt wird, ohne dass ein gesonderter Antrag erforderlich ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Versorgungsausgleich zwangsläufig immer stattzufinden hat. Es kann nämlich Fallkonstellationen geben, in denen es sich anbietet, auf den Versorgungsausgleich zu verzichten. Wann genau ein solcher Verzicht vorteilhaft ist und welche verfahrensrechtlichen Förmlichkeiten hierbei eingehalten werden müssen, erfahren Sie in diesem Rechtstipp. 

1. Was genau geschieht beim Versorgungsausgleich? 

Bei der Ehescheidung wird grundsätzlich im Verbund der Versorgungsausgleich durchgeführt, um dem während der Ehe nicht oder nur gering verdienenden Ehegatten einen gerechten Anteil an der Altersversorgung zu übertragen. Dies geschieht unabhängig von den Unterhaltsverpflichtungen und ohne Rücksicht auf den Güterstand. Ähnlich den Grundprinzipien des Zugewinnausgleichs werden beim Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Anrechte - die sog. Anwartschaften - auf eine Versorgung wegen Alters-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ausgeglichen. 

Das Familiengericht prüft, ob und in welcher Höhe einem der Ehegatten Rentenansprüche abgezogen und dem anderen gutgeschrieben werden. Durch den Versorgungsausgleich kann sich die Rente also für eine Seite mindern und für die andere entsprechend erhöhen. Der Versorgungsausgleich gleicht also die im Erwerbseinkommen fußenden Vorsorgeunterschiede zwischen den Ehegatten aus.

2. Scheidung ohne Versorgungsausgleich - Wann ist ein Verzicht sinnvoll?

Wie bereits angedeutet, beschäftigt sich das Familiengericht in der Regel automatisch mit dem Ausgleich der Rentenanwartschaften. Allerdings gibt es hiervon auch einige Ausnahmen:

  • Hat die Ehe - von Eheschließung bis zur Einreichung des Scheidungsantrages - nicht länger als drei Jahre angedauert, wird der Versorgungsausgleich nicht von Amts wegen durchgeführt. Das bedeutet, dass ein Ausgleich der Rentenanwartschaften nur auf Antrag eines Ehegatten stattfindet. In dieser Situation also ist kein gesonderter Verzicht auf den Versorgungsausgleich erforderlich.
  • Ähnlich liegt der Fall, wenn die Ausgleichswerte nahezu gleichwertig sind oder nur wenige Rentenpunkte in der Ehezeit erworben wurden. In diesem Fall können die Ehegatten den Versorgungsausgleich ausschließen. Im Unterschied zur eingangs erwähnter Konstellation der kurzen Ehedauer, ist in diesem Fall aber ein förmlicher Verzicht erforderlich.
  • Auch wenn beide Ehegatten eine ausreichende private Altersvorsorge vorweisen können, kann es sich anbieten den Versorgungsausgleich auszuschließen.

3. Wie kann ich auf den Versorgungsausgleich verzichten?

Um den Versorgungsausgleich auszuschließen, kommen verschiedene Varianten und verschiedene Zeitpunkte in Betracht.

Zunächst kann der Verzicht auf den Versorgungsausgleich in einem Ehevertrag durch Aufnahme der Beispielsformulierung: “Wir schließen hiermit den Versorgungsausgleich für die gesamte Ehezeit aus” erklärt werden. Ein solcher Vertrag kann vor der Eheschließung oder auch während der Ehe geschlossen werden. Bei Abschluss im Lauf der Ehe können die Ausschlusswirkungen bis auf den Zeitpunkt der Eheschließung zurückbezogen werden. Hier besteht also ein hohes Maß an Flexibilität. 

Solche Vertragsvereinbarungen haben die Ehegatten zur Niederschrift eines Notars zu erklären. Dieser belehrt die Ehegatten dabei über die rechtliche Tragweite ihrer Vereinbarungen und achtet darauf, dass ein unerfahrener oder ungewandter Ehegatte nicht benachteiligt wird.

 Alternativ hierzu kann der Versorgungsausgleich auch im Scheidungstermin ausgeschlossen werden. Hierzu müssen jedoch beide Seiten anwaltlich vertreten sein.

4. Wann ist der Verzicht auf den Versorgungsausgleich sittenwidrig?

Wenn der Verzicht auf den Versorgungsausgleich einmal erklärt ist, bedeutet das noch nicht, dass er auch in jedem Fall wirksam ist! Zwar hat der Gesetzgeber einerseits bewusst die Möglichkeit eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs geschaffen. Andererseits bezweckt der Versorgungsausgleich aber den Schutz des Schwächeren vor dem existentiellen Risiko der Armut im Alter und bei Invalidität. Gerät dieser Schutzgedanke ins Ungleichgewicht, kann der Verzicht unwirksam sein.

Die Verzichtsmöglichkeit über den Versorgungsausgleich wurde im Kern dafür geschaffen, um befriedigende Lösungen in solchen Fällen zu finden, in denen die gesetzlichen Regelungen über den Versorgungsausgleich ihren Zweck verfehlen. Die Familiengerichte werden daher bei entsprechenden Anhaltspunkten sicherstellen, dass die des Schutzes des Versorgungsausgleichs bedürftigen Ehegatten nicht aus Unerfahrenheit oder Leichtfertigkeit eine finanzielle Sicherung verlieren und - schlimmstenfalls - damit ihre eigene Sozialhilfebedürftigkeit herbeiführen. Maßstab ist bei dieser Prüfung das Kriterium der Sittenwidrigkeit!

Sittenwidrig ist der Verzicht auf den Versorgungsausgleich aber nicht per se, sondern nur in Verbindung mit besonderen Begleitumständen. 

BEISPIEL: Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist sittenwidrig, wenn er offenkundig der Interessenlage eines Ehegatten widerspricht. Wenn beispielsweise eine Hausfrau und Mutter mit drei Kleinkindern auf den Versorgungsausgleich verzichtet, so wird sich das Familiengericht fragen, ob diese Vereinbarung nicht sittenwidrig ist, weil der Versorgungsausgleich auf genau diese Personengruppe zugeschnitten ist. Die Ehefrau nämlich hat zu Gunsten der Familienplanung auf eine eigene Erwerbstätigkeit verzichtet und muss dementsprechend durch die Teilhabe an den Anwartschaften ihres Ehemannes abgesichert werden.

5. Die wichtigsten Fakten zum Verzicht auf den Versorgungsausgleich 

  • Ehegatten können auf den Versorgungsausgleich grundsätzlich verzichten
  • Der Verzicht erfolgt durch notariellen Vertrag oder im Scheidungstermin
  • Bei kurzer Ehe von weniger als drei Jahren erfolgt regelmäßig kein Versorgungsausgleich
  • Der Verzicht auf den Versorgungsausgleich darf nicht sittenwidrig sein 

Nehmen Sie bei Fragen zum Thema Scheidung und Versorgungsausgleich jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!


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