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VG Berlin und OVG Berlin-Brandenburg: Tantra-Massage-Studios sind Prostitutionsstätten im Sinne des ProstSchG

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Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts hat in einem Eilverfahren entschieden, dass Tantra-Massage-Studios als Prostitutionsstätten im Sinne des ProstSchG anzusehen sind und deshalb eine entsprechende Erlaubnis benötigen (Beschluss vom 17. November 2022, Az.: VG 4 L 460/22). 

Die Antragstellerin des Verfahrens war kurze Zeit vorher von dem zuständigen Ordnungsamt in Berlin zur Einreichung eines Erlaubnisantrages nach § 12 ProstSchG aufgefordert worden und war dieser Aufforderung auch nachgekommen. Sie wünschte allerdings eine grundsätzliche Klärung der Frage, ob die Erlaubnis für ihren Betrieb erforderlich ist, da viele der selbständigen Masseurinnen und Masseure keine Anmeldung als Prostituierte durchführen wollen - befürchtet werden eine Stigmatisierung sowie private und berufliche Probleme. Aus diesem Grund sind bereits einige der zuvor im Studio der Antragstellerin tätigen Masseurinnen und Masseure zu anderen Studios abgewandert, die bislang ohne Erlaubnis nach § 12 ProstSchG betrieben werden (und möglicherweise auch zukünftig betrieben werden können).

In Berlin sind die Ordnungsämter der verschiedenen Bezirke für die Erlaubnisverfahren und die Aufsicht über die jeweiligen Betriebsstätten zuständig. Einige dieser Ordnungsämter haben offenbar keine große Motivation, Tantra-Massage-Studios als Prostitutionsstätten anzusehen und einen entsprechenden Erlaubnisantrag anzufordern. Da die meisten dieser Studios offen mit ihrem Angebot werben, wären sie bei einem entsprechenden Willen auch unproblematisch zu recherchieren. 

Dass eine Ungleichbehandlung von Wettbewerbern in einem räumlich begrenzten Markt zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen kann, liegt auf der Hand. 

Das Verwaltungsgericht Berlin hat sich hiervon in seiner Entscheidung nicht beeinflussen lassen. Die in dem Studio der Antragstellerin auch angebotenen Massagen des Intimbereichs seien als "sexuelle Handlungen" im Sinne des ProstSchG anzusehen, weshalb das Studio eine Prostitutionsstätte sei. Eine Erlaubnis nach § 12 ProstSchG sei nötig. 

Die gegen den Beschluss beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereichte Beschwerde wurde mit Beschluss vom 10. Januar 2023 zurückgewiesen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.01.2023, Az.: OVG 1 S 77/22). 

Das Gericht führte in der Entscheidung u.a. aus:

"Der Einwand, das Verwaltungsgericht ignoriere in seiner Entscheidung das in der Antragsschrift (S. 17 f.) auszugsweise zitierte Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2020 (4 OWI 25 Js 111521/19 – juris), greift in der Sache nicht durch. 

Zwar wird das amtsgerichtliche Urteil nicht explizit erwähnt, inhaltlich begründet das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss jedoch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausführlich, aus welchen Gründen es mit Blick auf die sexuelle Stimulation durch Tantra-Massagen der Differenzierung des Amtsgerichts Stuttgart in „Hauptzweck“ und „Nebenfolge“ der entgeltlichen Dienstleistung nicht folgt. Dazu, dass die Schwerpunktbetrachtung, die ihren Ursprung im öffentlichen Baurecht habe, auf das Prostituiertenschutzgesetz unabhängig von Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik schon angesichts der kaum justiziablen Gestaltungs- und damit Umgehungsmöglichkeiten rechtlich nicht haltbar sei (BA S. 6 bis 9), verhält sich die Beschwerde nicht. Ebenso wenig hat das Verwaltungsgericht übersehen, dass nach einer teleologischen Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen der Massagebetrieb der Antragstellerin nicht dem Prostituiertenschutzgesetz unterfallen dürfe. Dem Gesetz liegt vielmehr entgegen der Beschwerde ein weites Verständnis von Prostitution zugrunde, das diesem Bereich möglichst alle Angebotsformen entgeltlicher sexueller Kontakte und deren gewerbsmäßiger Organisation zurechnet. 

Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist es, „den Anwendungsbereich auf eine möglichst große Band-breite an Geschäftsmodellen im Bereich der sexuellen Dienstleistung zu erstre-cken“ (BT-Drs. 18/8556, S. 58) und „nahezu alle Formen bezahlter sexueller Kon-takte“ zu erfassen (BT-Drs. 18/8556, S. 33). Auch durch die strikte Regelung des Begriffs der Prostitutionsstätte in § 2 Abs. 4 ProstSchG „soll eine Umgehung der Erlaubnispflicht vermieden werden“ (BT-Drs. 18/8556, S. 61)“. Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass selbst die vorgetragenen - und unterstellt - optimalen Bedingungen im Betrieb der Antragstellerin, die Ausbildung der bei ihr tätigen Personen sowie die fehlende milieutypische Kriminalität nicht zum Wegfall der Erlaubnispflicht führen, sondern - bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen - einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis nach § 12 ProstSchG begründen können. Mit der Einordnung gehe weder eine moralische Bewertung einher noch stelle sie unzumut-bare Hürden auf (BA S. 6).   Gegenteiliges folgt – anders als die Beschwerde meint – auch nicht aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 19. Mai 2020 (20 L 589/20 – juris). Das Gericht hat die Begrifflichkeiten der nordrheinwestfälischen Corona-schutzverordnung ausdrücklich eigenständig ausgelegt und allein darauf abgestellt, „ob und welches Infektionsrisiko bei typisierender Betrachtungsweise ... besteht“. Entgegen der Behauptung der Beschwerde hat es daher offengelassen („nicht ausschlaggebend“), „ob es sich…bei der angebotenen Tantra-Massage um eine sexuelle Dienstleistung im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes bzw. im gewerberechtlichen Sinne“ handle. Offen gelassen hat es ferner, wie der Betrieb baurechtlich zu bewerten sei, denn die Begrifflichkeiten in der Coronaschutzverordnung seien „weder streng akzessorisch zum Prostitutionsgesetz bzw. zum Gewerberecht noch zum Baurecht“ (VG Gelsenkirchen, a.a.O. Rz. 21, 23)."

Der Beschluss ist unanfechtbar, so dass im Eilverfahren kein weiteres Rechtsmittel möglich ist. 



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