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VG Hamburg: Tantra-Massage-Studios sind Prostitutionsstätten im Sinne des ProstSchG

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Per Urteil vom 05.01.2023 hat das Verwaltungsgericht Hamburg entschieden, dass Tantra-Massage-Studios Prostitutionsstätten im Sinne des ProstSchG sind. Betreiber benötigen eine Erlaubnis nach § 12 ProstSchG (VG Hamburg, Urteil vom 05.01.2023, Az.: 7 K 4828/20. 

In dem über 2 Jahre andauernden Verfahren hatte die Klägerin die gerichtliche Feststellung begehrt, dass sie für die Durchführung von Tantra-Massagen in ihrem Studio keine Erlaubnis nach § 12 ProstSchG benötigt. Sie war im März 2020 von der zuständigen Behörde in Hamburg zur Einreichung eines Erlaubnisantrags nach dem ProstSchG aufgefordert worden und kam der Aufforderung zur Vermeidung juristischer Probleme nach. Die Erlaubnis wurde ihr entsprechend erteilt. 

In der Entscheidung setzte sich das Verwaltungsgericht Hamburg mit der bisher zum Thema bekannten Rechtsprechung auseinander und führt u.a. wie folgt aus:

"Das Gericht folgt nicht der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, wonach eine sexuelle Handlung dann nicht anzunehmen sei, wenn die sexuelle Stimulation nicht der mit der Behandlung verfolgte Hauptzweck, sondern nur eine Nebenfolge sei (vgl. AG Stuttgart, Urt. v. 3.7.2020, 4 OWi 25 Js 11152/19, n.v.; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 29.8.2019, 5 K 4649/18, juris, Rn. 29). 

Eine solche Schwerpunktbetrachtung findet keine Stütze im Gesetz. Der Wortlaut des Gesetzes differenziert nicht zwischen einer Gesamtdienstleistung und dem darin enthaltenen sexuellen Handlungsteil. Auch die Gesetzesbegründung enthält keinen Schwellenwert, bei dessen Überschreitung ein Sexualbezug anzunehmen sei, sondern verweist vielmehr wie dargelegt auf die im Strafrecht vorherrschende Betrachtung des äußeren Erscheinungsbilds der Handlung. 

Zudem hat der Gesetzgeber im Kontext der Einordnung einer Wohnung als Prostitutionsstätte einer getrennten Betrachtung sexueller und nichtsexueller Zwecke eine Absage erteilt: Nach der Gesetzesbegründung ist eine Wohnung auch dann als Prostitutionsstätte anzusehen, wenn sie zugleich zum Zwecke des Wohnens oder des Schlafens genutzt wird (BT-Drucksache 18/8556, S. 61). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die in der Rechtsprechung vertretene Schwerpunktbetrachtung ihren Ursprung im Baurecht findet und dort einen anderen rechtlichen Anknüpfungspunkt hat, nämlich ob der Betrieb einer Massage-Praxis einen bor- dellartigen Betrieb darstellt. 

Wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen selbst ausführt, ist zwischen der Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit und der Frage, ob eine sexuelle Dienstleistung im Sinne § 2 Abs. 1 ProstSchG vorliege, zu unterscheiden (vgl. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 29.8.2019, 5 K 4649/18, juris, Rn. 34). Aufgrund der unterschiedlichen Gesetzeszwecke kann die baurechtliche Rechtsprechung nicht auf das Prostituiertenschutzgesetz übertragen werden. Die baurechtliche Einordnung von bordellartigen Betrieben soll bodenrechtliche Spannungen zwischen diesen Betrieben und insbesondere Wohnnutzung bewältigen, das Prostituiertenschutzgesetz hingegen schwerpunktmäßig die (sexuelle) Selbstbestimmung von Menschen in der Prostitution schützen und den Gesundheitsschutz fördern.

Die Klägerin dringt auch nicht damit durch, sie benötige keine Erlaubnis nach § 12 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG, weil der Schutzbereich des Gesetzes nicht berührt sei. 

...

Die Klägerin macht damit in der Sache eine teleologische Reduktion geltend. Das Gericht folgt dem nicht. Eine teleologische Reduktion ist dann vorzunehmen, wenn die auszulegende Vorschrift auf einen Teil der vom Wortlaut erfassten Fälle nicht angewandt werden soll, weil Sinn und Zweck der Norm, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Beschl. v. 31.10.2016, 1 BvR 871/13, juris, Rn. 22). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Zum einen spricht die Entstehungsgeschichte dafür, dass auch Prostituierte, die sich nicht in einer vulnerablen Situation befinden, in den Anwendungsbereich der Regelung fallen sollen. Denn der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass dem Gesetzgeber bewusst war, dass sich nicht alle Prostituierten in einer vulnerablen Situation befinden (BT- Drucksache 18/8556, S. 32):

„Nicht alle Prostituierten sind von Ausbeutung, Gewalt und unzumutbaren gesundheitlichen Bedingungen tatsächlich betroffen.“

Hat der Gesetzgeber trotz dieser Feststellung diesen Personenkreis nicht von dem Anwen- dungsbereich des Prostituiertenschutzgesetzes ausgenommen, so ist e contrario zu schlussfolgern, dass auch diejenigen Prostituierten, die sich nicht in einer Zwangslage be- finden, vom Prostituiertenschutzgesetz erfasst werden sollen.

Unabhängig davon sind auch bei der Tantra-Massage jedenfalls einige der Schutzzwecke des Prostituiertenschutzgesetzes berührt. Das Gericht folgt nicht den Ausführungen des von der Klägerin zitierten Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2020, OWI 25 Js 11152/19, n.v., wonach der Gesetzeszweck, der Schutz Prostituierter, durch den Betrieb eines Tantra-Massage-Studios aufgrund des Ausschlusses von Geschlechtsverkehr und der sonstigen Arbeitsbedingungen nicht berührt werde. Denn zum einen sind entgegen der Ausführungen der Klägerin Übergriffe nicht „völlig ausgeschlossen“. Zwar folgt die TantraMassage klaren Regeln und das Vorgespräch dient auch dazu, diese Regeln festzulegen. Ein Übergriff stellt indes gerade ein Verhalten dar, das bestehende Regeln verletzt. Auch die Klägerin kann nicht mit letzter Sicherheit Situationen ausschließen, in denen ein Kunde entgegen der Absprache versucht, sie zu berühren. Dass sich auch die Klägerin durchaus in einer Situation des Druckes befindet, folgt für das Gericht schließlich auch daraus, dass sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung bei der Massage von Männern – anders als bei der Massage von Frauen – keine Handschuhe bei der Berührung des Penis benutzt, da – so ihre Begründung – Männer sich von Handschuhen oft zurückgewiesen fühlten. Zum anderen und zentral ist für das Gericht schließlich, dass das Prostituierten- schutzgesetz auch dem Gesundheitsschutz dient, indem es z.B. eine verpflichtende Ge- sundheitsberatung vorsieht (§§ 4 Abs. 3, 10 Abs. 3 ProstSchG; siehe auch BT-Drucksache 18/8556, S. 33). 

Das Amtsgericht Stuttgart verkürzt die Zwecke des Prostituiertenschutzgesetzes vor diesem Hintergrund unzutreffend allein auf den Schutz der Prostituierten vor Zwangslagen. Der Zweck des Gesundheitsschutzes ist vorliegend berührt. Denn wie dargelegt kommt die Klägerin mit dem Intimbereich und den Geschlechtsorganen der Kundinnen und Kunden in Berührung, was der effektivste Übertragungsweg für Geschlechtskrankheiten ist. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin nicht durchgängig Handschuhe benutzt. Bei der Prostata-Massage benutzt die Klägerin nach ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung sogenannte Fingerlinge, die nur einzelne Finger bedecken. Den Penis des Mannes berührt sie wie dargelegt ohne Handschuhe. Dabei kann sie auch mit dem Ejakulat in Berührung kommen."

Die Klägerin prüft derzeit die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung. 



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