Vorsorgevollmacht? Betreuungsverfügung? Neuregelung für Ehegatten ab 01.01.2023

  • 7 Minuten Lesezeit

Vorsorgevollmacht? Betreuungsverfügung?

So etwas brauche ich doch nicht! Oder etwa doch?

Neuregelung für Ehegatten ab 1.1.2023

Vorsorgevollmacht oder gar Altersvorsorgevollmacht – für die Jüngeren unter Ihnen sind das Begriffe, welche man vielleicht schon einmal gehört hat. Gedanken machen über „so etwas“ kann man sich ja immer noch einmal später. Die etwas ältere Generation macht sich schon Gedanken. Der Einfachheit halber bittet man jedoch „die Kinder“, vielleicht auch „die Enkelkinder“ so einen Vordruck aus dem Internet herunterzuladen. Beim Ankreuzen der einzelnen Fragen gibt es dann bestimmt Hilfe. Und dann gibt es noch jene Gruppe, welche entweder eine solche Vorsorgevollmacht schon erteilt hat oder selbst von jemandem bevollmächtigt wurde.

Verbreitet ist darüber hinaus die Meinung bei verheirateten Paaren, dass „im Falle eines Falles“ der jeweilige andere Ehegatte doch ohnehin automatisch vertretungsberechtigt sei.

Vorneweg – die Errichtung einer Vorsorgevollmacht ist keine Frage des Alters. Deshalb stört mich auch der immer wieder zu lesende Begriff „Altersvorsorgevollmacht“.

Besser und im Übrigen juristisch korrekt ist die Begrifflichkeit „Vorsorgevollmacht“.

Doch was regelt nun eine solche Vorsorgevollmacht, für was benötige ich so etwas?

Vorsorgevollmacht umfasst Vermögenssorge und Gesundheitssorge

Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt eine Person (juristisch „Vollmachtgeber" genannt) eine andere Person (juristisch „Bevollmächtigter" genannt) in bestimmten Situationen entweder einzelne vorher genau bestimmte Aufgaben oder allgemein alles Notwendige für ihn oder sie zu erledigen.

Die juristischen Feinheiten des Vertretungsrechtes und der Vollmachtserteilung im Allgemeinen sind geregelt in den §§ 164 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die dortigen Formulierungen sind allerdings kompliziert und für den juristischen Laien nicht ohne Weiteres auf Anhieb zu verstehen.

Der Begriff „Vorsorgevollmacht" findet sich in § 1901c BGB.

Darin geht es nach dem Gesetzestext um „Schriftstücke, in denen der Betroffene eine andere Person mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten bevollmächtigt hat".

Um welche Art von Angelegenheiten handelt es sich hier?

Nun, es geht natürlich einmal um die sogenannte Vermögenssorge. Beispielsweise geht es natürlich oftmals um die Regelung der Finanzen; es kommt aber auch in Betracht der Abschluss von Verträgen, welche die Unterbringung in einem Pflegeheim regeln, die Regelung von Mietangelegenheiten in der eigenen Wohnung, die Regelung von Rentenangelegenheiten und vieles mehr.

Diesen ganzen Komplex nennt man eben Vermögenssorge.

Daneben darf der oder die Bevollmächtigte natürlich auch für die vertretene Person die sogenannten persönlichen Angelegenheiten regeln. Insbesondere gilt das natürlich für Heilbehandlungen in einem Krankenhaus oder Pflegeheim, aber natürlich auch für andere persönliche Belange bis hin zur Bestimmung des Aufenthaltsortes, also sehr weitreichend.

Weil eben mit einer Vorsorgevollmacht sehr weit reichende Entscheidungen für den Vollmachtgeber getroffen werden können, sollte man im sogenannten Innenverhältnis (also zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten) möglichst genau vereinbaren, für welche Situationen die Vollmacht gelten soll (z.B. Krankheit und Unfall o. ä.) und welche Befugnisse dem Bevollmächtigten dann übertragen werden.

Grundsätzlich gilt, dass eine solche Vorsorgevollmacht schon alleine aus Beweiszwecken und der Klarheit halber zumindest in Schriftform erteilt werden sollte.

Eine notarielle Beurkundung ist grundsätzlich nicht zwingend erforderlich. Für bestimmte Rechtsgeschäfte, insbesondere im Immobilienbereich, bedarf es jedoch mindestens der öffentlichen Beglaubigung der Unterschrift des Vollmachtgebers. Die notarielle Beurkundung der Vorsorgevollmacht ist darüber hinaus ebenfalls oft vorteilhaft.

Vorsorgevollmacht soll auch die gerichtliche Anordnung einer Betreuung vermeiden

Eine Vorsorgevollmacht soll auch dazu dienen, die Anordnung einer sogenannten rechtlichen Betreuung zu vermeiden.

Auch das ist gesetzlich geregelt. Vereinfacht ausgedrückt sagt das Gesetz, dass eine Betreuung dann nicht erforderlich ist, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB).

Betreuungsverfügung enthält Vorschlag zur Person des Betreuers

Trotzdem gibt es Situationen, in denen die Anordnung einer Betreuung durch das zuständige Betreuungsgericht unumgänglich und erforderlich ist. Dann ist es gut, wenn eine sogenannte Betreuungsverfügung vorliegt.

Mit der Betreuungsverfügung - gerichtet an das Betreuungsgericht – wird der Wunsch des Betroffenen festgelegt, eine bestimmte von ihm namentlich genannte Person zum Betreuer zu bestimmen, wenn er betreuungsbedürftig wird.

In der Praxis kann diese Betreuungsverfügung problemlos in der Vorsorgevollmacht integriert werden.

Die meisten gängigen Vordrucke sehen dies auch vor.

Allerdings sollte man vorsichtig sein bei der Verwendung von Formularen, bei denen nur „ja“ und „nein“ anzukreuzen ist.

Denn wenn z.B. versehentlich oder aus Unkenntnis weder „ja“ noch „nein“ angekreuzt ist, dann ist zumindest in diesen Punkten die Vollmacht entweder unvollständig oder widersprüchlich, jedenfalls unwirksam.

Außerdem enthalten viele Vordrucke Formulierungen, die zwar juristisch korrekt sind, deren Tragweite dem juristischen Laien oftmals jedoch nicht bewusst ist. Auch hier kann ein falsches Kreuzchen zu viel Ärger und Verdruss führen.

Vorsorgevollmachten sind für jeden Erwachsenen sinnvoll

In jüngerem Alter dann, wenn Vorsorge getroffen werden soll für den Fall, dass jemand z.B. einfach aufgrund eines Unfalles oder Krankheit an der normalen Erledigung seiner Angelegenheiten gehindert ist.

Mit zunehmendem Lebensalter dann, wenn ich Vorsorge für den Fall treffen möchte, dass ich aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkung nicht mehr in der Lage bin, meine Angelegenheiten selbst zu regeln.

Vorsorgeregelungen sorgfältig formulieren

Allerdings stellt zwischenzeitlich die Rechtsprechung an den Inhalt und die Gestaltung von Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung sowie auch Patientenverfügung hohe Anforderungen. Dies ist verständlich, nachdem mit einer derartigen Vollmachtserteilung ein hohes Maß an Vertrauen verbunden ist.

Denn „im Ernstfall“ kann ja der Vollmachtgeber nicht mehr selbst gefragt werden und/oder nicht mehr selbst entscheiden. Deshalb muss so genau und so präzise wie möglich beschrieben werden, was der Bevollmächtigte darf und was er unter Umständen auch gerade nicht tun darf für den Vollmachtgeber.

Die Verwendung handelsüblicher Vordrucke kann deshalb allenfalls eine erste „Notlösung“ darstellen, um überhaupt eine schriftliche Regelung für den Vorsorgebereich zu haben. Auch sind die mit diesen Vordrucken oftmals verbundenen rechtlichen Erläuterungen und Beispiele hilfreich, um sich mit dieser schwierigen Materie zunächst grundlegend vertraut zu machen.

Die ausführliche und vertiefende Beratung durch einen Notar oder hierauf spezialisierten Rechtsanwalt können und sollen diese Vordrucke nicht ersetzen.

Ehegatte nicht automatisch vertretungsberechtigt

Nun zu der oftmals verbreiteten Laienmeinung, es dürfe ein Ehegatte für den anderen automatisch aufgrund Eheschließung handeln:

Dies sind ein weitverbreiteter Mythos und Rechtsirrtum.

Auch und gerade Ehegatten untereinander sollten darüber nachdenken, ob nicht der jeweils andere zum Bevollmächtigten bestellt wird und zwar schriftlich dokumentiert nach den oben vorgeschlagenen Kriterien.

Selbstverständlich können auch Ehegatten sogenannte Dritte bevollmächtigten, z.B. ihre erwachsenen Kinder.

Neuregelung des Vertretungsrechtes ab 1.1.2023

Weil jedoch in der Praxis immer noch viel zu wenige Vorsorgevollmachten vorliegen und viel zu viele Ehegatten an das jeweilige angeblich automatische Vertretungsrecht des anderen glauben, hat der Gesetzgeber gehandelt.

Am 5.3.2021 hat der Bundestag ein sogenanntes „Notvertretungsrecht für Ehegatten" beschlossen. Dies gilt voraussichtlich ab dem 1.1.2023.

Nach dieser neuen Regelung ist vorgesehen, dass Ehegatten in Gesundheitsangelegenheiten für die Dauer von sechs Monaten ein Notvertretungsrecht haben. Nach Ablauf dieser Frist ist die Einsetzung eines Betreuers/einer Betreuerin vorgesehen.

Dem kann durch einen Eintrag in das Zentrale Vorsorgeregister die Bundesnotarkammer widersprochen werden.

Gleichzeitig empfiehlt sich für diesen Fall eben die Errichtung einer Vorsorgevollmacht, im Idealfall in Verbindung mit einer Patientenverfügung.

Zusammenfassung

Noch einmal zusammenfassend:

Eine umfassende Vorsorgeregelung setzt sich zusammen aus

  • einer Vorsorgevollmacht
  • eine Betreuungsverfügung und
  • einer Patientenverfügung.

Zur Patientenverfügung habe ich einen gesonderten Rechtstipp verfasst.

Die Patientenverfügung betrifft das „Ob" und das „Wie" einer medizinischen Behandlung mit ihren Behandlungswünschen und unter Berücksichtigung ihrer eigenen Wertvorstellungen.

Die Vorsorgevollmacht umfasst die Gesundheit und Vermögensvorsorge und regelt, welche Person

  • sich um Ihre Angelegenheiten kümmern soll, wenn Sie dazu selbst nicht mehr in der Lage sind aus gesundheitlichen Gründen
  • sich darum kümmern soll, dass die schriftlich niedergelegten Wünsche aus Ihrer Patientenverfügung auch umgesetzt werden.

Durch die Vorsorgevollmacht soll möglichst auch die Anordnung einer gerichtlich festgelegten Betreuung vermieden werden. Sollte die Betreuung dennoch unvermeidlich sein, so kann durch eine sogenannte Betreuungsverfügung das Gericht einen Vorschlag zur Person des Betreuers enthalten.

Verbindlich ist dieser Vorschlag allerdings nicht für das Gericht. Denn wenn z.B. die vorgeschlagene Person selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollte, die Aufgaben für den Vollmachtgeber zu erfüllen, dann wird das Gericht dem Vorschlag nicht folgen.

Ansonsten wird das Gericht in der Regel dem Vorschlag aus der Betreuungsverfügung entsprechen.

In der Hoffnung, der geneigten Leserschaft dieses kleinen Beitrages einen ersten Überblick über die Gestaltung einer idealen umfassenden Vorsorge gegeben zu haben, hoffe und wünsche ich Ihnen, dass der durch Sie geregelte Vorsorgefall so spät wie möglich oder am besten gar nicht eintritt.

Sollten Sie noch Fragen und/oder weiteren Beratungsbedarf auch zu dieser Thematik haben, so stehe ich Ihnen mit meinem Fachwissen gerne zur Verfügung.

Schreiben Sie mir einfach eine E-Mail, dann melde ich mich umgehend bei Ihnen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechts- und Fachanwalt Rüdiger Gust

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten