(Wann) darf man eine Unterhaltszahlung zurückbehalten?

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Unterhaltszahlungen haben den Zweck, den Lebensunterhalt des Unterhaltsberechtigten sicherzustellen. Unterhalt ist daher monatlich im Voraus zu zahlen. Gibt es am Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten jedoch Zweifel, stellt sich die Frage, ob Sie die Unterhaltszahlung zurückbehalten dürfen oder ob Sie bedingungslos zahlen müssen. Um unnötigen Ärger möglichst zu vermeiden, sollten Sie wissen, wie sich die Situation beurteilt, ggf. unterschieden nach Kindes- (volljährig und minderjährig) und Partnerunterhalt.

Begründen fehlende Auskünfte ein Zurückbehaltungsrecht des Unterhalts?

Sie haben Anspruch, dass der Unterhaltsberechtigte im Hinblick auf den Kindesunterhalt, Trennungs- oder Ehegattenunterhalt Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilt (§§ 1605 Abs. I, 1580 BGB). Danach richtet sich die Höhe Ihrer Unterhaltszahlung.

Diese Auskunft dürfen Sie alle zwei Jahre geltend machen. Vor Ablauf von zwei Jahren können Sie Auskunft nur erneut verlangen, wenn Sie glaubhaft darlegen, dass der Unterhaltsberechtigte und zur Auskunft Verpflichtete wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat (§ 1605 Abs. II BGB). In Betracht kommt, dass das Kind eine Ausbildungsvergütung bezieht oder BAföG in Anspruch nimmt.

Aber: Erteilt der Unterhaltsberechtigte keine Auskunft oder nur unzureichende Auskünfte, dürfen Sie trotzdem kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen und Ihre Unterhaltszahlung zurückbehalten. Das Zurückbehaltungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches betrifft vornehmlich nur vertragliche Verhältnisse (§ 273 BGB).

Gegenüber familienrechtlichen Ansprüchen ist diese Vorschrift nur anwendbar, soweit dies mit der Eigenart des familienrechtlichen Rechtsverhältnisses vereinbar ist. Da der Unterhalt den Lebensunterhalt des Unterhaltsberechtigten gewährleisten soll, würde ein Zurückbehaltungsrecht diesen gesetzgeberisch definierten Zweck unterlaufen. Daher ist ein solches Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen, wenn Sie Auskunft über die Einkommensverhältnisse verlangen und die Auskunft nicht erteilt wird (OLG Hamm NJW-RR 1996, 4).

Zurückbehaltungsrecht gegenüber minder- vs. volljährigen Kindern

Diese Beurteilung betrifft insbesondere den Unterhalt eines minderjährigen Kindes. Geht es um den Unterhalt für ein volljähriges Kind ab 18 Jahren, lässt sich ein Zurückbehaltungsrecht möglicherweise rechtfertigen. Da ein Kind ab 18 Jahren grundsätzlich für sich selbst sorgen muss, kann es seinen Unterhaltsanspruch verlieren („verwirken“), wenn es gegenüber dem unterhaltspflichtigen Elternteil keine oder falsche Angaben über das eigene Einkommen macht (Kammergericht Berlin FamRZ 2016, 37).

Gibt es tatsächlich handfeste Gründe, den Kindesunterhalt mangels entsprechender Auskünfte zu verweigern, könnten Sie es natürlich auch auf eine Zahlungsklage ankommen lassen. Das Familiengericht kann die Auskunftspflicht des Kindes anordnen und das Kind verpflichten, entsprechende Belege vorzulegen. Notfalls kann das Gericht Auskünfte beim Arbeitgeber, bei Sozialleistungsträgern oder Finanzämtern einfordern (§ 236 FamFG). Wird Ihre Zahlungspflicht allerdings bestätigt, riskieren Sie, dass Sie die Verfahrenskosten vollständig oder zumindest teilweise tragen und rückständigen Unterhalt nachentrichten müssen sowie Verzugszinsen zahlen.

Unterhaltsrecht auch bei Verweigerung des Umgangs

Verweigert Ihr Kind oder der betreuende Elternteil den Umgang, dürfen Sie den Unterhalt für das Kind nicht verweigern oder zurückhalten. Auch hier ist auf den Zweck des Unterhalts, der den Lebensbedarf sicherstellen soll, abzustellen. Unterhalt und Umgang dürfen nicht in einen Topf geworfen werden. Gleiches gilt, wenn der betreuende Elternteil die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs verweigert (Kammergericht Berlin ZbJR 1978, 372). Erst recht dürfen Sie den Unterhalt wegen eines wirklichen oder vermeintlichen Fehlverhaltens des sorgeberechtigten Elternteils nicht zurückbehalten (§ 1611 Abs. II BGB). Der Unterhalt für das Kind steht im Vordergrund.

Was ist, wenn Sie den Unterhalt nicht mehr zahlen können?

Haben Sie bislang Unterhalt in einer bestimmten Höhe geleistet und können den Unterhalt aufgrund Ihrer reduzierten Einkommensverhältnisse nicht mehr leisten, sollten Sie Ihre Zahlungen den Gegebenheiten anpassen. Beim Kindesunterhalt orientieren Sie sich an der Düsseldorfer Tabelle. Auch der Trennungs- und Ehegattenunterhalt richtet sich nach Ihrem Einkommen. Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, die Unterhaltszahlung vollständig zurückbehalten zu wollen.

Berücksichtigen Sie, dass sich die Höhe des Unterhalts nach Ihrem durchschnittlich erzielten Einkommen der letzten zwölf Monate richtet. Soweit Sie lediglich vorübergehende Liquiditätsprobleme haben, rechtfertigt dies nicht ohne weiteres, den Unterhalt zu reduzieren oder zurückzubehalten. Sie müssen damit rechnen, dass der Unterhaltsberechtigte Zahlungsklage erhebt. Dann wird im gerichtlichen Verfahren festgestellt, was Sie zahlen müssen. Wird Ihre Unterhaltspflicht in vollem Umfang bestätigt, gehen die Verfahrenskosten zur Ihren Lasten.

Anders ist es, wenn Ihre Unterhaltspflicht rechtsverbindlich festgestellt (tituliert) wurde. Der so titulierte Unterhalt ist verbindlich. Sie dürfen Ihre Zahlungen nicht einfach so reduzieren oder zurückhalten. Möchten Sie die Zahlungen an Ihre veränderten Einkommensverhältnisse anpassen, bleibt Ihnen zunächst nur, mit dem Unterhaltsberechtigten eine Verständigung herbeizuführen, mit dem Ziel, dass Sie vorübergehend oder dauerhaft weniger Unterhalt zahlen. Gelingt die Verständigung nicht, müssten Sie beim Familiengericht eine Abänderungsklage einreichen. Dann prüft das Gericht, inwieweit der Unterhaltsanspruch Ihren Verhältnissen anzupassen ist. Für die Unterhaltsklage beim Familiengericht müssen Sie sich anwaltlich vertreten lassen.

Wann können Sie Ihre Unterhaltszahlungen reduzieren?

Auch wenn Sie wegen Ihrer Unterhaltszahlungen im Regelfall kein Zurückbehaltungsrecht ausüben können, dürfen Sie Ihre Unterhaltszahlungen in Ausnahmefällen reduzieren. Hier muss zwischen Kindes- und (Ex-)Partnerunterhalt unterschieden werden.

Kindesunterhalt

Ist das unterhaltsberechtigte Kind durch sein „sittliches Verschulden“ bedürftig geworden oder hat sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegenüber Ihrer Person schuldig gemacht, brauchen Sie nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, der der „Billigkeit“ entspricht. Ihre Verpflichtung entfällt sogar vollständig, wenn die Inanspruchnahme „grob unbillig“ wäre (§ 1611 BGB).

Mit unbillig meint das Gesetz, dass es aufgrund der Gegebenheiten ungerechtfertigt und nicht zuzumuten wäre, Sie bedingungslos zur Unterhaltszahlung zu verpflichten. Eine schwere Verfehlung erfordert eine tiefgreifende Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange. Zu deren Feststellung ist eine umfassende Abwägung aller Umstände erforderlich. Wann diese Ausnahmefälle vorliegen, hängt von den Umständen im Einzelfall ab. Hierzu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung.

Beispiele

  • Schwere vorsätzliche Verletzung von Informationspflichten, etwa über einen Schulabbruch (OLG Köln FamRZ 2005, 301) oder die verschwiegene Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (OLG Jena FamRZ 2009, 1416).
  • Tiefe Kränkungen, die einen groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung und menschlicher Rücksichtnahme erkennen lassen, wie etwa tätliche Angriffe, Bedrohungen oder Denunziation zum Zweck beruflicher oder wirtschaftlicher Schädigung (OLG Celle FamRZ 1993, 1235) oder falsche Strafanzeigen (OLG Hamm 2006,509), Vorwurf sexuellen Missbrauchs (OLG Hamm FamRZ 1995, 958).
  • Ein bloßer Kontaktabbruch ist nur relevant, wenn weitere Umstände vorliegen, die das Verhalten des unterhaltsberechtigten Kindes auch als schwere Verfehlung erscheinen lassen (BGH FamRZ 1995, 476).

Ehegattenunterhalt

Auch Trennungs- und Ehegattenunterhalt ist wegen grober Unbilligkeit auszuschließen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn die Unterhaltszahlung nicht zuzumuten wäre (§ 1579 BGB). In Betracht kommt beispielsweise, dass der unterhaltsberechtigte Ex-Partner in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt oder sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig gemacht hat. Auch hier dürfen Sie ihre Unterhaltszahlung nicht einfach nach eigenem Ermessen reduzieren oder zurückbehalten. Ist der Unterhalt rechtsverbindlich festgestellt (tituliert), empfiehlt sich, die Unterhaltspflicht im Wege einer Abänderungsklage überprüfen zu lassen.

Alles in allem

Die Frage, ob Sie Unterhalt zurückbehalten dürfen oder bedingungslos zur Zahlung verpflichtet bleiben, lässt sich nicht pauschal beantworten. Das Gesetz verschließt sich jedoch nicht jeglicher Argumentation, wenn die Unterhaltspflicht im Einzelfall unzumutbar erscheint. Insoweit kommt es immer auf die Umstände im Einzelfall an. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Argumentation im Streit auf eine Abwägung hinausläuft. Da die Beurteilung erfahrungsgemäß schwierig ist, können Sie sich für eine erste Einschätzung gern an mich wenden. Nutzen Sie dazu das untenstehende Kontaktformular.

Foto(s): iurFRIEND

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