Wann verjähren Ansprüche nach fehlerhafter ärztlicher Behandlung?

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Gerade die Verjährung ist immer wieder Gegenstand vor den Landgerichten.

Definition

Verjährung bedeutet, dass ein Anspruch (also ein Schadensersatzanspruch oder Schmerzensgeldanspruch nach einer ärztlichen fehlerhaften Behandlung) nicht mehr durchgesetzt werden kann. Es handelt sich hierbei um eine sog. Einrede, d.h. der Anspruchsgegner muss sich darauf berufen, dass die Ansprüche verjährt sind. Tut er dies nicht, können Sie auch nach über 3 Jahren noch Ihre Ansprüche durchsetzen. Auch wenn dies nur äußerst selten vorkommt, auch anwaltlich vertretene Ärzte vergessen hin und wieder, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

Regelmäßige Verjährungsfrist bei Behandlungsfehlern

Schadensersatzansprüche nach Ärztepfusch unterliegen der regelmäßigen 3-jährigen Verjährungsfrist gem. § 195 BGB.

Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist bei Behandlungsfehlern

Bei Ärztepfusch beginnt die Verjährung nicht zwingend mit der der fehlerhaften ärztlichen Behandlung. Der Beginn der Verjährung ist regelmäßig abweichend von dem Zeitpunkt der ärztlichen fehlerhaften Behandlung.

Zum einen beginnt sie mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Ansprüchen, also Sie als geschädigter Patient von den Anspruch begründeten Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen mussten (§§ 195, 199 I BGB). Diese juristische Formulierung ist für juristische Laien kaum verständlich. Vereinfacht gesagt bedeutet es, dass allein der negative Ausgang einer fehlerhaften Behandlung nicht dazu führen muss, dass Sie als geschädigter Patient Kenntnis von einer ärztlichen Fehlbehandlung haben. Frühestens dann, wenn Sie den Verdacht haben, Opfer einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung geworden zu sein, beginnt die Verjährungsfrist zu laufen.

Rechtsprechung des BGH zum Beginn der Verjährung im Arzthaftungsrecht – im Urteil des BGH vom 10.11.2009 – VI ZR 247/08 – VersR 2010,214 heißt es:

„Wie der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen hat, kann die Erkenntnis vom Schaden i. S. d. § 852 Abs. 1 BGB a.F. (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F.) nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Denn das Ausbleiben des Erfolges ärztlicher Maßnahmen kann in der Eigenart der Erkrankung oder in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben. Deshalb gehört zur Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsache das Wissen, dass sich in dem Misslingen der ärztlichen Tätigkeit des Behandlungs- und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht hat.

Hierzu genügt es nicht schon, dass der Patient Einzelheiten des ärztlichen Tuns oder Unterlassen kennt, wie hier zum Beispiel den Einsatz einer Geburtszange, das Nähen des Risses oder das Unterlassen einer Sectio. Vielmehr muss ihm aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Deshalb begann die Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB a.F. nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hatte, aus denen sich ergab, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen war oder Maßnahmen nicht getroffen hatte, die nach ärztlichem Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären.

Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden bzw. die erforderliche Folgeoperation als naheliegend erscheinen zu lassen Denn nur dann wäre dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich.

Für den juristischen Laien verständlich ausgedrückt:

Allein der negative Ausgang einer ärztlichen Behandlung führt nicht dazu, dass der Patient auch den Verdacht von einer fehlerhaften Behandlung haben muss. Dies gilt umso mehr, als dass Patienten häufig vor einem Eingriff über mögliche Risiken aufgeklärt werden und der Patient in der Regel nicht dazu in der Lage ist, abzuschätzen, ob der Arzt sich fehlerhaft verhalten hat oder ab sich ein Risiko verwirklicht hat.“

Der BGH geht sogar noch weiter. Rechtsprechung des BGH zur Frage der groben Unkenntnis: Im Urteil des BGH vom 10.11.2009 – VI ZR 247/08 – VersR 2010,214 heißt es:

„Die Klägerin hat sich auch nicht rechtsmissbräuchlich einer sich aufdrängenden Kenntnis verschlossen. Allerdings steht es nach der Rechtsprechung des Senats der vom Gesetz geforderten positiven Kenntnis gleich, wenn der Geschädigte diese Kenntnis nur deswegen nicht besitzt, weil er von einer sich ihm ohne Weiteres anbietenden, gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühen verursacht, die Augen verschlossen hat. Diese Rechtsprechung betrifft aber nur Fälle, in denen letztlich das Sichberufen auf die Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis gehabt hätte.

In diesem Fall geltend die maßgeblichen Umstände in dem Augenblick als bekannt, in dem der Geschädigte auf die entsprechende Erkundigung hin die Kenntnis erhalten hätte. Ein Anwendungsfall dieser Rechtsprechung liegt jedoch insbesondere dann nicht vor, wenn der Geschädigte – wie hier – besondere Recherchen hinsichtlich der Schadensursache durchführen müsste. Auch aus erheblichen Schadensfolgen musste die Klägerin nicht auf einen Behandlungsfehler schließen.“

Sie sind als Patient regelmäßig auch nicht gehalten, nach einer Behandlung Nachforschungen anzustellen, um dann Kenntnis von einem Behandlungsfehler zu erlangen.

Ende der regelmäßige Verjährungsfrist bei Behandlungsfehlern

Das Ende der Verjährung ist regelmäßig der 31.12. eines Jahres, d.h. spätestens an diesem Tag müsste eine Klage beim Gericht eingereicht werden, damit Sie ihre Ansprüche noch erfolgreich durchsetzen können.

Berechnungsbeispiel:

Ein Beispiel: Es macht also keinen Unterschied, ob sie am 02.01.15 oder erst am 10.10.2015 den Verdacht von einer fehlerhaften Behandlung erhalten. In beiden Fällen beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist mit dem 01.01.2016 zu laufen und endet somit nach 3 Jahren am 31.12.2018.

Absolute Verjährungsfrist bei Behandlungsfehlern

„Auf jeden Fall“, d.h. ohne Rücksicht auf das Entstehen und/oder der Kenntnis vom Behandlungsfehler, verjähren Ihre Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche wegen Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit in 30 Jahren ab Begehung der Handlung, Pflichtverletzung oder sonstigem schadensauslösenden Ereignis (siehe hierzu § 199 Abs. 2 BGB).

Haben Sie also nach 29 Jahren den Verdacht von einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung, bleibt Ihnen nur noch maximal ein Jahr Zeit, um Ihre Ansprüche gerichtlich einzufordern.

Hemmung der Verjährung:

Es gibt auch verschiedene Konstellationen, in denen die Verjährungsfrist sich verlängert. Befinden sich die Parteien etwa in Vergleichsverhandlungen, so ist in dieser Zeit die Verjährung gehemmt. Das bedeutet, verhandeln beispielsweise die Parteien 6 Monate, so stoppt in dieser Zeit die Verjährung und wird hinten angehängt. Aber Vorsicht, hier sollte man stets den sichersten Weg gehen und der Gegenseite den Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zu einem bestimmten Termin vereinbaren, damit später nicht unnötigerweise darüber diskutiert wird, ob Ihre Ansprüche verjährt sind.

In bestimmten Konstellationen kann auch das Verfahren vor den Schlichtungsstellen der Gutachterkommissionen zu einer Hemmung der Verjährung führen. Aber Vorsicht: In vielen Fällen hemmt das Verfahren vor der Gutachterkommission. die Verjährung gerade nicht. Die Verfahren können dort gerne 1,5 Jahre und länger dauern und sind daher – zumindest was die Verjährung anbelangt – mit einem großen Risiko für Sie als geschädigten Patienten verbunden. Die Gutachten, die Ihre Krankenkasse über den MDK einholt, hemmt die Verjährungsfrist ebenso nicht.

Unser Tipp:

Sollten Sie den Verdacht haben, fehlerhaft behandelt worden zu sein, sollte Sie sich nicht allzu viel Zeit lassen. Gerade bei umfangreichen Behandlungen benötigen Sachverständigengutachten sehr viel Zeit. Auch wir Patientenanwälte müssen Behandlungsunterlagen beiziehen, ggf. erst Herausgabeklagen einreichen und umfangreiche Recherchearbeit betreiben. Daher sollten Sie nicht zögern, sollten Sie den Verdacht habe, Opfer von Ärztepfusch geworden zu sein.

Sollten Sie sich nicht sicher sein, ob Ihre Ansprüche zwischenzeitlich verjährt sind, kontaktieren Sie einen Fachanwalt für Medizinrecht, dieser berechnet dann Ihre Verjährungsfrist.

Die vorangegangenen Ausführungen dienen nur dem Überblick, welcher Weg für Ihren Fall der richtige ist, muss individuell beurteilt werden. Hierzu sollten Sie dann einen Termin zur Erstberatung für eine Ersteinschätzung vereinbaren.

Foto(s): Rechtsanwaltskanzlei Sabrina Diehl

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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