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Was Anwälte in Zeiten der Corona-Krise wissen müssen

  • 6 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion
  • Auch Rechtsanwälte sind mittlerweile durch die Corona-Krise wirtschaftlich und organisatorisch bedroht.
  • Der DAV und die BRAK fordern ein Entgegenkommen der Gerichte, damit die Arbeit der Anwälte möglich bleibt. 
  • Rechtsanwälte können auch einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung haben, wenn Engpässe zu erwarten sind. 
  • Anwälten ist zu empfehlen, ihren Kanzleialltag zu strukturieren und für erforderliche Vertretung zu sorgen.

Nicht nur Unternehmen in der Dienstleistungsbranche oder Produktionsstätten sind von der Corona-Krise betroffen. Mittlerweile müssen auch Anwälte um ihr Überleben fürchten, da auch sie hart getroffen sind.

Bereits die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) haben sich zu den Schwierigkeiten der Rechtsanwälte geäußert und verlangen von Gerichten mildere Umstände. Sie sehen im Anwaltsberuf ebenfalls eine Systemrelevanz und fordern entsprechende Unterstützung.

Immer weitere Maßnahmen beschlossen 

In den Bundes- und Länderregierungen wird stetig über weitere Maßnahmen diskutiert. So wurden mittlerweile in vielen Bundesländern Ausgangsbeschränkungen verkündet, um das Virus einzudämmen.

Für die Dauer von zwei Wochen dürfen Bürger nur unter Auflagen ihr Haus bzw. ihre Wohnung verlassen. Ausnahmen sind zwar zugelassen, jedoch nur im sehr strengen Rahmen. Dies geht auch an den Rechtsanwälten über das Bundesgebiet nicht spurlos vorbei, sie müssen mit beruflichen und finanziellen Rückschlägen rechnen.

DAV fordert Ausnahmeregelung in der BRAO, um corona-bedingten Widerruf der Zulassung zu verhindern

Anwälte laufen auch Gefahr, ihre Zulassung zu verlieren, wenn sie unverschuldet in die finanzielle Schieflage geraten sind und deswegen nicht mehr ihren Verpflichtungen nachkommen können.

Der Deutsche Anwaltverein fordert daher eine befristete Sonderregelung in der BRAO. Diese Regelung soll einen durch die Corona-Krise bedingten Widerruf der Zulassung verhindern. In der kommenden Woche will der Bundestag darüber beraten.

DAV äußert sich

Der DAV sieht die Notwendigkeit, Anwälte und ihre Kitaarbeiter von der Ausganssperre auszunehmen, um die Funktionalität des Rechtsstaats weiterhin gewährleisten zu können. Der Zugang zum Recht und zur rechtlichen Beratung müsse laut dem DAV auch während einer Ausgangssperre gewährleistet werden. 

Zudem fordert der DAV, dass die Anwaltschaft zum Kreis der systemrelevanten Berufe erklärt wird. Dabei handelt es sich um solche Berufe, die für die Versorgung der Bevölkerung wichtig sind und dazu beitragen, dass das Minimum an Versorgung aufrechterhalten werden kann. Dazu zählen u. a. Energieversorgungsunternehmen, Lebensmittelhändler, Transportunternehmen und das Bankenwesen.

Würde man die Anwaltschaft neben der Justiz als systemrelevant anerkennen, könnten auch Anwälte ihre Kinder in Notbetreuung geben, um dann ihren Mandanten weiterhin helfen zu können. Andernfalls kann es zu Ausfällen kommen, da Kitas und Schulen geschlossen sind und Anwälten keinerlei Möglichkeiten mehr gegeben sind, ihre Kinder betreuen zu lassen. 

Die Einstufung als systemrelevant ist Ländersache.

Mit technischen Störungen ist zu rechnen

Das Arbeiten ist zurzeit für viele eine Herausforderung und teilweise nur eingeschränkt möglich. Auch das besondere elektronische Anwaltspost (beA) läuft noch nicht zu hundert Prozent ohne Störungen.

Die BRAK fordert ein Entgegenkommen 

Aufgrund der Situation fordert die BRAK nunmehr finanzielle Hilfe. Es sei mit einem Ausbleiben von Mandanten zu rechnen, sodass Rechtsanwälte mit finanziellen Engpässen zu kämpfen haben werden. In Zeiten von Corona wird man demnach damit rechnen müssen, dass weniger Anwälte zur Verfügung stehen. 

Demnach sei es wichtiger als zuvor, diese zu unterstützen, um die Funktionalität des Rechtsstaates aufrecht erhalten zu können. Insbesondere im Hinblick darauf, dass der Zugang zum Recht bestehen bleiben muss, ist eine Unterstützung notwendig. Neben Liquiditätssicherstellung werden Zuschüsse für Selbstständige, Stundung von Steuern oder schnelle Bearbeitung von bei Behörden gestellten Anträgen gefordert. Hinzukommen soll die Vereinfachung der Kreditvergabe und die Kreditvergabe unter günstigen Konditionen.

Auch moniert wird, dass die vom Bund eingerichteten Anruf-Hotlines zu gewichtigen Themen wie Kurzarbeitergeld und Fördermöglichkeiten oft überlastet sind und hier ein Nachbesserungsbedarf bestehe.

Was können Anwälte tun?

Der DAV rät den vor allem Einzelanwälten, einen Vertreter gemäß § 53 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zu bestellen, falls der Rechtsanwalt in Quarantäne muss. Dies soll dazu dienen, die Kanzleiorganisation nicht zu gefährden und Haftungsfälle zu vermeiden.

Die Verpflichtung für eine Vertretung zu sorgen, besteht nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO für jene Anwälte, die länger als eine Woche daran gehindert sind, ihren Beruf auszuüben bzw. sich mehr als einer Woche von der Kanzlei entfernen wollen (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 BRAO). So entschied es auch der BGH in einer Entscheidung sehr deutlich. 

Wer als Einzelanwalt tätig ist und keine Angestellten hat, muss dennoch dafür Sorge tragen, dass er eine angemessene Vertretung hat, wenn er wegfällt. Dies gilt insbesondere für die jetzigen Umstände, die bereits seit Monaten bekannt sind.

Anwälte können ihren Vertreter selbst wählen und bestellen, vorausgesetzt der Vertreter gehört derselben Rechtsanwaltskammer wie der Vertretene an. In allen anderen Fällen kann ein Vertreter nur auf Antrag des Rechtsanwalts von der RAK bestellt werden. Nur wer für ausrechende Maßnahmen gesorgt hat, kann unter weiteren Bedingungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolgreich geltend machen.

Die BRAK muss dem Vertreter die Nutzung des beAs ebenfalls ermöglichen. In diesen Fällen erhält dieser für die Dauer seiner Vertretung einen Zugang, der sich auf eine Übersicht der eingegangenen Nachrichten beschränkt ist. Ihm können aber unter Umständen weitere Zugangsrechte eingeräumt werden.

Organisation des Kanzleialltages

Rechtsanwälte sollten ihre Kanzlei derart organisieren, dass sie im Falle eines Fernbleibens etwa wegen Quarantäne oder Ausgangssperre von außen weiterhin aufrecht erhalten kann.

So ist neben dem Fristenkalender auch das E-Mail-Postfach und die Buchhaltung derart einzurichten, dass eine externe Zugriffsmöglichkeit besteht. Bei Fristenkalender nur in Papierform sollte dieser unbedingt mitgenommen werden, um Fristen nicht zu verpassen.

Zudem sollten beA-Kartenlesegerät und Laptop mitgenommen werden, wenn die Kanzleiakten und sonstige Daten nicht anderweitig zugänglich sind.

Vor allem relevant ist auch die die Vertretungsregelung hinsichtlich der Post und eingehenden Faxen. So müssen Briefkasten und Faxgerät regelmäßig geleert und kontrolliert werden, um keine Fristen zu versäumen. Dazu ist es wichtig, das personelle Regelungen hinsichtlich der Vertretung getroffen werden. Hinzukommt, dass sie eine sichere Kommunikation gewährleisten, die auch in Ausnahmezuständen die anwaltliche Schweigepflicht erfüllen können.

Was ist mit anstehenden Gerichts­ver­fahren?

Anwälten wird geraten, ihre Termine rechtzeitig zu verlegen, um soziale Kontakte möglichst zu vermeiden. Im Streitfall kann die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 247 ZPO beantragt werden.Auch hier haben der DAV und die BRAK bereits Unterstützung angefordert.

Wenn Gerichtstermine verlegt werden müssen, weil Rechtsanwälte oder Mandanten in Quarantäne sind bzw. erkrankt sind, muss dies beim zuständigen Gericht beantragt werden. Die Verlegung geschieht nicht automatisch. Wenn ein Antrag nicht gestellt wird, kann unter Umständen auch ohne Erscheinen der Parteien verhandelt werden.

Auch Anwälte können finan­zielle Hilfe bekommen

Wenn finanzielle Engpässe voraussichtlich oder bereits eingetreten sind, können auch Rechtsanwälte finanzielle Hilfe bekommen, etwa weil Mitarbeiter quarantänebedingt wegbleiben. Sie haben dann einen sogenannten quarantänebedingten Entschädigungsanspruch.

Wenn eine Existenzgefährdung droht, können Mehraufwendungen geltend gemacht werden und Anträge auf Erstattung der weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben verlangt werden.
Freiberuflich tätige können hinzukommend einen Anspruch auf aufstockende Leistungen haben. Den Antrag darauf müssen sie beim zuständigen Jobcenter stellen. Für Mitarbeiter besteht die Möglichkeit, Kurzarbeitergeld zu beantragen, um so einer Kündigung dieser entgegenzuwirken.

Wie kann die Fortbil­dungs­pflicht nach § 15 FAO erfüllt werden?

Rechtsanwälte, die einer Fortbildungspflicht unterliegen, können Fortbildungsstunden auch ohne Präsenzveranstaltungen nachweisen und den Fachanwaltstitel erhalten.

Dies kann durch die Teilnahme an Webinaren bzw. Online-Seminaren stattfinden. Voraussetzung ist, dass eine Interaktion zwischen den Lehrenden und den Teilnehmenden möglich ist und ein Nachweis darüber erbracht wird, dass eine regelmäßige Teilnahme stattgefunden hat (vgl. § 15 Abs. 2 FAO). Seminare dieser Art sind unter anderem bei der Deutschen Anwaltakademie zu finden.

Auch ist unter bestimmten Umständen zum einen das Selbststudium möglich, wenn eine Lernerfolgskontrolle erfolgt und zum anderen kann man der Pflicht nachkommen, indem man etwas publiziert.

Sollten diese Möglichkeiten nicht genügen, kann eine Fristverlängerung beantragt werden, etwa aus persönlichen Gründen (Quarantäne-Maßnahmen oder Erkrankung) oder weil bereits gebuchte Fortbildungsveranstaltungen abgesagt wurden.

Foto(s): ©Shutterstock.com

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