Was ist ein Unterhaltsvorschuss?

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Sie können für Ihr Kind Unterhaltsvorschuss beantragen, wenn Sie Ihr Kind allein erziehen und der unterhaltspflichtige Elternteil keinen oder nur unzureichend Unterhalt für Ihr gemeinsames Kind bezahlt. Dies ist eher eine Notlösung, jedoch auch eine wertvolle finanzielle Hilfe, die der unterhaltspflichtige Elternteil an den Staat zurückzahlen muss. In diesem Beitrag erfahren Sie, in welchen Fällen und wie Sie Unterhaltsvorschuss beantragen können, sowie die Höhe der Zahlung.

Wer kann Unterhaltsvorschuss beantragen?

Sie haben Anspruch auf Unterhaltsvorschuss für Ihr Kind, wenn

  • Sie mit Ihrem Kind in Deutschland wohnen,
  • Sie das Kind allein erziehen und überwiegend Verantwortung für das Kind tragen,
  • das Kind das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
  • der unterhaltspflichtige Elternteil gar keinen, unregelmäßig oder nur unzureichend Kindesunterhalt zahlt,
  • der unterhaltspflichtige Elternteil verstorben ist und
  • Sie nicht wieder neu verheiratet sind.

Sie müssen mit dem Kind in einem Haushalt zusammenleben. Dies braucht nicht Ihr eigener Haushalt zu sein. Sie erfüllen diese Voraussetzungen auch, wenn Sie mit dem Kind im Haushalt der Großeltern zusammenleben. Absolviert das Kind eine Ausbildung und ist vorübergehend am Arbeitsplatz untergebracht, zählt das Kind trotzdem zu Ihrem Haushalt, wenn es seinen Lebensmittelpunkt in Ihrer Wohnung weiterhin beibehält.

Bis wann kann man Unterhaltsvorschuss beantragen?

Bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres Ihres Kindes erhalten Sie ohne zeitliche Einschränkung Unterhaltsvorschuss. Ihr Einkommen spielt, sofern das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, keine Rolle. Für Kinder zwischen 12 und 18 Jahren besteht zusätzlich die Voraussetzung, dass

  • das Kind nicht auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II) angewiesen ist oder
  • Sie als alleinerziehender Elternteil, sofern Sie selbst im SGB-II-Bezug stehen, über ein monatliches Bruttoeinkommen von mindestens 600 EUR verfügen.

 Zweck der Regelung ist, dass Sie den Anreiz haben, durch eigenen Verdienst teilweise aus dem Bezug von Sozialleistungen auszusteigen. Das Kindergeld wird bei der Bemessung des Einkommens nicht berücksichtigt.

Unterhaltsvorschuss, wenn man heiratet

Sie haben keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn Sie nach Ihrer Scheidung wieder heiraten. Leben Sie nach Ihrer Scheidung mit einem neuen Partner oder einer neuen Partnerin lediglich in einer neuen Lebensgemeinschaft zusammen, ist der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss jedoch begründet.

In welcher Höhe gibt es Unterhaltsvorschuss?

Der Staat zahlt Ihnen Unterhaltsvorschuss in Höhe von:

  • 177 EUR für Kinder bis zu 5 Jahren,
  • 236 EUR für Kinder zwischen 6 und 15 Jahren,
  • 314 EUR für Kinder zwischen 12 und bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres.

Die Beträge werden im Regelfall am Monatsende für den kommenden Monat gezahlt. Eine weitergehende Vorauszahlung ist nicht möglich.

Muss der Kindesunterhalt rechtsverbindlich festgestellt (tituliert) sein?

Zahlt der unterhaltspflichtige Elternteil keinen Kindesunterhalt, müssen Sie den Kindesunterhalt rechtsverbindlich feststellen, sprich titulieren, lassen. Als Titel kommt ein gerichtlicher Beschluss oder ein gerichtlicher Vergleich im Unterhaltsrechtsstreit in Betracht. Aus einem solchen Titel könnten Sie dann die Zwangsvollstreckung betreiben.

Ein Titel ist aber nicht erforderlich, um Unterhaltsvorschuss zu beantragen. Ist der andere Elternteil finanziell in der Lage, Kindesunterhalt zumindest in Höhe des Unterhaltsvorschusses zu zahlen, wird das Jugendamt den Elternteil in Regress nehmen.

Auch wenn das Jugendamt den Elternteil in Regress nimmt, haben Sie für Ihr Kind weiterhin Anspruch auf den vollen Kindesunterhalt, der sich nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle berechnet. Möchten Sie diesen Anspruch geltend machen, sollten Sie sich umgehend anwaltlich beraten und vertreten lassen. Ihr Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin wird den unterhaltspflichtigen Elternteil dann auffordern, den Kindesunterhalt zu leisten und den Anspruch gegebenenfalls gerichtlich einklagen und notfalls auch zwangsweise vollstrecken.

Kann man Unterhaltsvorschuss rückwirkend beantragen?

Der Unterhaltsvorschuss wird längstens für den letzten Monat vor dem Monat geleistet, in dem Sie den Antrag beim Jugendamt gestellt haben. Sofern Sie also Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben, sollten Sie nicht zögern, den Antrag einzureichen.

Beispiel: Sie beantragen am 5. April 2022 Unterhaltsvorschuss. Ihr Anspruch besteht dann rückwirkend ab März 2022.

Wo und wie beantragen Sie Unterhaltsvorschuss?

Ihr Ansprechpartner für Unterhaltsvorschuss ist das Jugendamt der Gemeinde, in der Sie mit Ihrem Kind wohnen. Das Jugendamt Ihrer Gemeinde hält ein Formular „Antrag auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz“ bereit. Den Antrag finden Sie auch online. Sie benötigen dazu folgende Angaben und Unterlagen

  • Angaben zu Ihrer Person, der Person Ihres Kindes und zum Vater des Kindes
  • Unterlagen zu den Einkommensverhältnissen
  • gültigen Personalausweis oder Reisepass, Geburtsurkunde Ihres Kindes
  • ggf. Scheidungsbeschluss des Familiengerichts
  • falls vorhanden Unterhaltstitel

Gibt es Unterhaltsvorschuss, wenn der Vater unbekannt ist?

Im Antragsformular müssen Sie Angaben machen, wer der Vater Ihres Kindes ist. Zweck ist, dass Sie es dem Jugendamt ermöglichen, den verauslagten Unterhaltsvorschuss regressweise vom unterhaltspflichtigen Elternteil zurückzufordern. Sie bekommen den Unterhaltsvorschuss dann aber trotzdem, wenn nicht zu klären ist, wer der Vater Ihres Kindes ist oder wenn der Elternteil verstorben ist. Kennen Sie die Identität des Vaters nicht oder haben Sie Zweifel, welcher Mann der Vater Ihres Kindes ist, sind Sie verpflichtet, Nachforschungen anzustellen und alles zu unternehmen, um die Vaterschaft festzustellen oder dem Jugendamt die Feststellung der Vaterschaft zu ermöglichen. Bei Nachlässigkeit kann das Jugendamt den Unterhaltsvorschuss in begründeten Fällen verwehren.

Wie beeinflusst das Kindergeld den Unterhaltsvorschuss?

Beim Unterhaltsvorschuss wird das Kindergeld für das erste Kind in voller Höhe angerechnet. Zusammen mit dem Kindergeld erhalten Sie dann in Abhängigkeit vom Alter Ihres Kindes eine finanzielle Unterstützung in Höhe des Mindestunterhalts für das Kind nach der Düsseldorfer Tabelle.

Beispiel: Der Mindestunterhalt für ein Kind von 0 - 5 Jahre beträgt nach der Düsseldorfer Tabelle 396 EUR. Wenn Sie davon das Kindergeld in Höhe von 219 EUR abziehen, ergibt sich der Unterhaltsvorschuss in Höhe von 177 EUR.

Höhe des Unterhaltsvorschusses nicht gleich Höhe des Kindesunterhalts

Wenn Sie die Düsseldorfer Tabelle zum Kindesunterhalt einsehen, stellen Sie fest, dass der Kindesunterhalt bereits in der niedrigsten Einkommensstufe 1 höher ist als der Unterhaltsvorschuss. Der Kindesunterhalt steigt an, je mehr der unterhaltspflichtige Elternteil verdient. Außerdem wird beim Kindesunterhalt nur die Hälfte des Kindergeldes angerechnet, während das Kindergeld beim Unterhaltsvorschuss in voller Höhe zur Anrechnung kommt.

Unterhaltsvorschuss ist also immer nur eine Ersatzlösung, wenn Sie zu wenig oder keinen Kindesunterhalt bekommen. Sofern die Chance besteht, den unterhaltspflichtigen Elternteil auf Zahlung des vollen Kindesunterhalts in Anspruch zu nehmen, sollten Sie Ihren Anspruch unbedingt geltend machen. Sie brauchen sich dann nicht mit dem geringeren Unterhaltsvorschuss zu begnügen.

Wer muss den Unterhaltsvorschuss zurückzahlen?

Da der Staat über das Jugendamt den Unterhaltsvorschuss nur als Vorschuss zahlt und der unterhaltspflichtige Elternteil nach wie vor in der Verantwortung für das Kind steht, wird das Jugendamt den Elternteil in Regress nehmen. In Abhängigkeit von seinen Einkommensverhältnissen muss der unterhaltspflichtige Elternteil den vom Jugendamt verauslagten Unterhaltsvorschuss zurückzahlen. Die Rückzahlungspflicht besteht aber nur insoweit, als der unterhaltspflichtige Elternteil über ein Einkommen verfügt, das über seinem persönlichen Selbstbehalt liegt. Der Selbstbehalt beträgt bei erwerbstätigen Personen 1.160 EUR und bei nicht erwerbstätigen Personen 960 EUR.

Ihre Rechte, wenn das Jugendamt Ihren Antrag ablehnt

Haben Sie Unterhaltsvorschuss beantragt, schickt Ihnen das Jugendamt einen Bescheid, in dem Ihr Antrag bewilligt oder abgelehnt wird. Wird der Antrag abgelehnt, können Sie gegen den Bescheid innerhalb von vier Wochen Widerspruch einlegen. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem Sie den Bescheid in Ihrem Briefkasten finden. Sie müssen den Wiederspruch schriftlich einlegen oder persönlich zur Niederschrift im Jugendamt erklären.

Es empfiehlt sich dringend, den Widerspruch mit einer Begründung zu versehen, die nachvollziehbar ist und möglichst Bezug auf die gesetzlichen Vorgaben nimmt. Wird auch Ihr Widerspruch abgewiesen, können Sie Ihren Anspruch beim Verwaltungsgericht einklagen. Da die Voraussetzungen, unter denen der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss besteht, nicht einfach nachzuvollziehen sind, sollten Sie sich möglichst anwaltlich beraten und vertreten lassen.

Wann entfällt Unterhaltsvorschuss?

Der Unterhaltsvorschuss entfällt,

  • wenn Sie sich weigern, über den zahlungspflichtigen Elternteil Auskunft zu erteilen,
  • Sie sich weigern, bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des unterhaltspflichtigen Elternteils mitzuwirken,
  • wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet,
  • Sie erneut heiraten,
  • unverheiratet mit dem anderen Elternteil des Kindes zusammenleben,
  • der andere Elternteil Kindesunterhalt mindestens in Höhe des in der Altersstufe maßgeblichen Unterhaltsvorschussleistung zahlt

Übrigens: Es besteht auch dann kein Anspruch, wenn Sie Ihr Kind im echten Wechselmodell betreuen, bei dem jeder Elternteil zu gleichen Anteilen Verantwortung für das Kind übernimmt. Grund ist, dass der Unterhaltsvorschuss nur alleinstehende Elternteile unterstützen soll, bei denen sich ein Elternteil seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem unterhaltsberechtigten Kind erzieht, weil er hierzu ganz oder teilweise nicht imstande oder verstorben ist. Bei der Betreuung im Wechselmodell entlasten sich die Elternteile gegenseitig bei der Pflege und Erziehung des Kindes, so dass es an den Voraussetzungen fehlt, unter den Unterhaltsvorschuss zu gewähren ist.

Fazit

Unterhaltsvorschuss ist immer nur eine Notlösung. Sofern die Chance besteht, dass Sie den unterhaltspflichtigen Elternteil zur Zahlung des vollen Kindesunterhalts veranlassen können, sollten Sie tätig werden. Um Ihr Ziel einzuschätzen, empfiehlt es sich, dass Sie sich anwaltlich beraten lassen.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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