Was passiert mit laufenden Verträgen in einer Insolvenz?

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1. Einführung

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens markiert eine bedeutende Wende für bestehende Verträge. Durch diese Eröffnung werden im Grunde genommen alle bis dato aufgetretenen Schulden in das gesamte rechtliche Verfahren der Insolvenz nach § 38 InsO einbezogen. 

Die Forderung des Gläubigers wird üblicherweise zu einer reinen insolvenzbasierten Forderung, die während des Verfahrens nur noch gemäß den Vorschriften der Insolvenzordnung verfolgt und beglichen werden kann (§§ 87, 174 ff. InsO). 

Dies hat zur Konsequenz, dass der Partner des Vertrages als Gläubiger normalerweise nur einen Anteil erhält. Für bereits erbrachte Leistungen mag dies noch annehmbar sein (unter der Beachtung der Zäsur einer Insolvenzeröffnung), da er sich in derselben Situation wie die anderen Gläubiger befindet."

Die Konsequenz scheint jedoch ungerecht zu sein, wenn beide Seiten noch ausstehende Leistungen haben und der Vertragspartner gezwungen wäre, die volle Leistung zu erbringen, aber nur einen Bruchteil dafür erhalten würde. 

Andererseits kann ihm nicht einfach gestattet werden, für vergangene Leistungen in voller Höhe als bevorzugter Massegläubiger behandelt zu werden, da dies den anderen Gläubigern gegenüber unfair wäre. Um diese gegensätzlichen Interessen auszugleichen, hat der Gesetzgeber versucht, mit den Bestimmungen des Insolvenzvertragsrechts in §§ 103 ff. InsO sowohl dem Schutz der Masse als auch der gleichberechtigten Behandlung der Insolvenzgläubiger gerecht zu werden.


2. Die Struktur der §§ 103 ff. InsO und die jeweilige Rechtsfolge für die entsprechende Vertragskonstellation

Das Gesetz sieht für die Behandlung von Verträgen und Vertragsverhältnissen in der Insolvenz eine Grundnorm vor (§ 103 InsO), die durch verschiedene Spezialtatbestände in den Folgevorschriften (§§ 104 ff. InsO) eingeschränkt wird.

a. Grundnorm: § 103 InsO 

Hierüber hat der Insolvenzverwalter (oder der Schuldner analog in Eigenverwaltung) ein Wahlrecht und zwar wie folgt:

(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.

(2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, kann der andere Teil eine Forderung wegen Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterlässt er dies, so kann er auf Erfüllung nicht bestehen (Wortlaut von § 103 Abs. 2 InsO).

b. Sonderregelungen in den §§ 104 ff. InsO

Die Sonderregelungen zu § 103 InsO sind vielschichtig und komplex. Nachfolgend kann nur ein Abriss bzw. können exemplarisch lediglich einzelne Sonderregelungen herausgestellt werden.

Diese Tatbestände der §§ 104 ff. InsO sind „lex specialis“ zu § 103 InsO und schränken das Wahlrecht des Verwalters ein. Teilweise ist die Erfüllungswahl ausgeschlossen, teilweise ist der Verwalter zur Erfüllung verpflichtet. 

Besonderheiten bestehen insoweit für:

  • Fixgeschäfte und Finanzleistungen, § 104 InsO,
  • teilbare Leistungen, § 105 InsO,
  • vormerkungsgesicherte Ansprüche, § 106 InsO,
  • Kauf unter Eigentumsvorbehalt, § 107 InsO,
  • Darlehen, § 108 Abs. 2 InsO,
  • Miete und Pacht, §§ 108 Abs. 1, 109–112 InsO,
  • Auftragsverhältnis, § 115 InsO,
  • Erlöschen von Geschäftsbesorgungsverträgen, § 116 InsO,
  • Erlöschen von Vollmachten, § 117 InsO,
  • Auflösung von Gesellschaften, § 111 InsO,
  • Dienst und Arbeitsverhältnisse, §§ 113, 114, 120-128 InsO.

Die jeweiligen Sonderregelungen nach § 103 InsO sind zum Teil hoch komplex und können nur durch einen fachkundigen Insolvenzanwalt in der entsprechenden Konstellation für die richtige Anwendung und Rechtewahrung des jeweiligen Gläubigers sorgen.


3. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Regelungen der §§ 103 ff. InsO eine grundlegende und wichtige, aber auch eine komplexe Komponente des Insolvenzrechts darstellen. 

Eine adäquate und rechtssichere Handhabung dieser Vorschriften ist ohne die Expertise eines versierten Rechtsanwalts kaum denkbar. 

Daher ist es für alle Beteiligten von größter Bedeutung, sich in diesen Angelegenheiten frühzeitig professionell beraten und unterstützen zu lassen, um die bestmöglichen Entscheidungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens treffen und insbesondere die eigenen Rechte wahren zu können.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 

Gerne stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für eine rechtliche Beurteilung und Einschätzung Ihres Falles zur Verfügung und vertrete durchsetzungsstark und resolut auch Ihre Interessen ggü. (Mit)Gläubigern, dem Insolvenzschuldner, dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter. Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch oder Schreiben Sie mich an.

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Foto(s): Dr. Holger Traub generiert über ChatGPT

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