Wayks ./. Tchibo – Was schützt gegen Produktnachahmungen?

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Ein Fall erhitzt aktuell die deutschen Social Media Kanäle:


Gemischtwarenanbieter Tchibo soll nahezu 1:1 die hochwertigen Produkte eines Berliner Mode-Start-Ups nachgeahmt haben. Der Name Wayks ist in der Gründerszene bekannt, nach einer Crowdfunding-Kampagne 2019 etablierte sich das Berliner Label im Bereich modularer Reisetaschen.


Nicht ganz günstig sind die Produkte von Wayks, ein Rucksack wird für knapp unter 300 Euro angeboten, bietet jedoch viele Funktionen, tolles Design und eine besondere Wandlungsfähigkeit. Das nahezu gleiche Pendant von Tchibo, nahezu im exakt selben beigen Farbton, wie das Wayks-Modell ist hingegen mit 89 Euro ein Schnäppchen.

Ähnliches gilt für eine Umhängetasche, zum Verwechseln ähnlich, große Preisdiskrepanz. Im Vorjahr soll eine Bestellung der beiden Produkte an die Adresse der Tchibo-Zentrale geliefert worden sein, sodass davon auszugehen ist, dass ein gezielter Nachbau der Wayks-Produkte unter Vornahme marginaler Änderungen erfolgte.

Angabegemäß tritt Wayks daraufhin mit Tchibo in Kontakt, es folgen warme Worte, jedoch keine Einigung, die Produkte sind weiter bei Tchibo online. Ein Rechtsstreit sollte nach Angaben von Wayks vermieden werden, dieser sei unvorhersehbar und teuer, somit sitze Tchibo gegenüber dem Start-Up am längeren Hebel. Ein klassischer David gegen Goliath Fall.


  1. Rechtslage

Doch wie ist die Rechtslage im Falle von Produktnachahmungen und sind kleine Unternehmen tatsächlich machtlos?


a)

Aus urheberrechtlicher Sicht sind bloße Ideen nicht schutzfähig. Pläne und Konstruktionszeichnungen sowie plastische Darstellungen hingegen schon. Gerade im Planungsstadium eines Produktes gilt daher: sobald Dritte in ein Projekt eingebunden werden, ist mit NDAs (Verschwiegenheitserklärung) zu arbeiten, damit es nicht bereits vor dem Launch ein böses Erwachen gibt und ein Konkurrent das nahezu gleiche Produkt anbietet. In NDAs kann definiert werden, dass jede Art von Geschäftsgeheimnis, also auch die bloße Idee geschützt ist und bei Verstoß empfindliche Vertragsstrafen drohen.


b)

Nach dem Schutzbereich des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) ist die Entschlüsselung eines Geschäftsgeheimnisses durch ein Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen eines Produkts oder Gegenstands („Reverse Engineering“) zulässig, soweit die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) bzw. lit. b) GeschGehG vorliegen.

Vor April 2019 galt das Reverse Engineering nach herrschender Meinung als Verletzung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG, wenn es mit erheblichem Analyseaufwand verbunden war. Dagegen lag nach Auffassung der Rechtsprechung aufgrund der Offenkundigkeit der Information kein Geschäftsgeheimnis vor, wenn jeder Fachmann ohne größeren Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand zur Ableitung in der Lage wäre.


Ein Verbot des Reverse Engineering kann und sollte gegenüber Vertragspartnern vertraglich vereinbart werden, z.B. in NDAs. Gegenüber Dritten hilft dies freilich nicht weiter.


c)

Wenn Dritte aber nicht über Dokumente, Pläne oder Insiderinformationen zum Produkt verfügen und keine Vertragsbeziehung besteht, sondern lediglich ein ähnliches Konkurrenzprodukt entwerfen, gilt zur Frage der Rechtmäßigkeit des Nachahmerprodukts das bei Juristen allseits beliebte „es kommt darauf an“.


Nach § 4 Abs. 3 UWG handelt ein Mitbewerber unlauter, wenn er Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er


  1. eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt
  2. die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
  3. die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;


Für die Punkte a) und b) ergibt sich im Fall Tchibo eine gewisse Wahrscheinlichkeit, Wayks müsste dazu aber nachweisen, dass eine sogenannte wettbewerbliche Eigenart besteht.


Ob wettbewerbliche Eigenart vorliegt, ist stets im Vergleich zu anderen Produkten auf dem Markt festzustellen. Das gegenständliche Erzeugnis muss sich von den anderen Produkten so abheben, dass es einem bestimmten Hersteller zugeordnet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2013, Az. I ZR 136/11 – Regalsystem).


Wettbewerbliche Eigenart setzt nach Rechtsprechung des BGH weder voraus, dass das Produkt neu ist noch dass es Bekanntheit erlangt hat . Andernfalls würden noch nicht oder erst kurz auf den Markt gebrachte Erzeugnisse vom Schutz ausgeschlossen. Allerdings kann die Bekanntheit eines Produkts dessen wettbewerbliche Eigenart steigern (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.12.2014, Az. I-6 U 28/14 – VITA-SED).


Um also eine Nachahmung zu vermeiden, ist im Vorfeld ein entscheidendes Branding der eigenen Produkte wichtig. Die Verwendung bestimmter Formen und Farben, sowie Logos (im besten Falle als eingetragene Marken) verhindert, dass der Markt ein Konkurrenzprodukt als Alternative zum Original wahrnimmt.


Problematisch ist vorliegend, dass Wayks offenbar nicht über eingetragene Marken verfügt.


d)

Wer – wie vorliegend offenbar Wayks - kein eingetragenes Design hat registrieren lassen, muss prüfen lassen, ob aus nicht eingetragenem Gemeinschaftsgeschmacksmuster vorgegangen werden kann. Hierzu ist eine differenzierte Betrachtung durch eine Spezialkanzlei für gewerblichen Rechtsschutz vorzunehmen.


  1. Fazit


Sollte es doch zu Verletzung Dritter im Vorfeld kommen, ist Schnelligkeit gefragt. Ein freundliches Verhandeln mit der Gegenseite führt nicht zu Erfolgen, vielmehr muss durch sofortige Abmahnung und im Zweifel einstweilige Verfügung versucht werden, den Vertrieb zu stoppen. Hier zählt jeder Tag! Sollt sich im Zuge dessen doch noch eine Einigungsbereitschaft einstellen, umso besser. Im konkreten Fall wäre mit einer entsprechenden Schutzstrategie zum geistigen Eigentum wohl schlimmeres verhindert worden.


Präventiv können Unternehmen sich wie folgt schützen:


  • Verwendung von NDAs gegenüber Vertragspartnern
  • Ausschluss des Reverse Engineerings
  • Aufbau einer eigenen Markenstrategie und Marktbeobachtung, um eine wettbewerbliche Eigenart herzustellen/aufrechtzuerhalten
  • neue Designs beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) registrieren lassen






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