Widerrufsjoker EuGH 2.0

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Sind Darlehensverträge die (telefonisch) verlängert wurden dank der EuGH-Rechtsprechung auch bald widerrufbar? 

Achtung Kreditnehmer: Chancen insbesondere für telefonisch prolongierte Kredite (Fernabsatzgesetz!)

Viele Banken witterten vor Jahren schon die Niedrigzinsphase und hatten insbesondere in den Jahren 2010 -2016 die Darlehensnehmer angerufen, um scheinbar günstige Konditionen für Folgefinanzierung anzubieten.  Dies, obwohl ein Bedarf noch gar nicht gegeben und das Ende der Laufzeit der Anfangsdarlehen noch Jahre entfernt waren. 

Es hörte sich für viele Kreditnehmer aber vor 5 oder 10 Jahren toll an künftig ggf. nur 3 % statt der urspr. vereinbarten 4 % zahlen zu müssen. Daher willigten viele Bankkunden,  in eine Verlängerung der Verträge zu 3 % Zinsen oder sogar mehr ein. Eine Entscheidung die heute viele bereuen und sich sogar hintergangen vorkommen. 

Heute wünschen sich die Darlehensnehmer Sie könnten diese Entscheidung rückgängig machen. Dies, um Zinssätze wie heute üblich i.H.v. 1 % für eine Fogle- oder Abschlussfinanzierung in Anspruch zu nehmen. Also vorzeitig aus dem Darlehen aussteigen. Dies gelingt Ihnen aber im Regelfall nicht, ohne dass eine häufig hohe Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt werden muss. 

Die Lösung: Widerruf des Ausgangsdarlehens und des verlängerten Darlehens!

Falls eine falsche, bzw. fehlerhafte Widerrufsbelehrung oder keine Widerrufsbelehrung im Rahmen der Verlängerung an den Darlehensnehmer übersandt wurde. Warum? Dann ist der unliebsame Vertrag weg, die Bank muss rückabwicklen. Der Darlehensnehmer kann vorzeitig beenden und: Eine Vorfälligkeitsentschädigung wird nicht geschuldet:

Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit eines Widerrufs von (telefonisch) verlängerten Verträge bislang in den von ihm entschiedenen Fällen verneint.  Dies selbst bei fehlender oder unzutreffender Widerrufsbelehrung.

So konnten die Darlehensnehmer zwar nach Ansicht des BGH ggf. den Ausgangs- Darlehensvertrag nicht aber den verlängerten Darlehnsvertrag widerrufen. 

Warum? 

Die Argumentation des BGH, warum Folge-Finanzierungen bzw. Prolongationen nicht wiederrufen werden können war und ist die Folgende:

Dem Bankkunden würde kein (eigenes oder selbständiges) Kapitalnutzungsrecht eingeräumt werden. Deshalb liegt nach der Ansicht des BGH keine Finanzdienstleistung vor. Deshalb sei eine Widerrufsbelehrung im Zusammenhang mit der telefonischen Prolongierung gar nicht nötig, oder es sei unschädlich wenn eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwandt wurde. 

Dazu führte der BGH weiter aus: 

Es sei sei bei einer solchen sog.  unechten Abschnittsfinanzierung ein Widerrufsrecht nach Verbraucherdarlehensrecht (§ 495 BGB) lediglich im Hinblick auf die ursprüngliche Vertragsabschlusserklärung gegeben. Dies mache aber im Zeitpunkt der Verlängerung nicht eine (weitere) Widerrufsbelehrung nötig. (BGH, Urt. v. 28.05.2013 – XI ZR 6/12, WM 2013 S. 1.314). 

Weiter hält der Bundesgerichtshof fest, dass die Anwendung des Fernabsatzrechts gem. der Regelung des § 312d Abs. 5 S. 1 BGB a.F. ausgeschlossen ist, wenn ein vorrangiges Widerrufsrecht nach § 495 BGB besteht. 

Dies gilt nach Auffassung des BGH erst recht für die Konditionenanpassung, da es sich hierbei um einen einheitlichen Gesamtvorgang i. S. d. § 312b Abs. 4 S. 1 BGB a.F. handelt, bei welchem ein Widerrufsrecht ebenfalls nur im Hinblick auf den ursprünglichen Vertragsschluss, nicht jedoch daran anknüpfende Vereinbarungen im Rahmen des fortgeltenden Grundvertrags besteht.

Die Meinung des BGH dass nur ein Kapitalnutzungsrecht zu Beginn des Darlehens, nicht aber im Rahmen des Angebots einer Abschluss- oder Folgefinanzierung eingeräumt wird, vermochte uns und viele andere Anwälte schon bisher nicht zu überzeugen. Da aber die zunächst strittige Rechtslage vom BGH entschieden wurde, hatten viele Kläger in der Vergangenheit keine Chance. Dies, weil sich auf viele Gerichte weigerten die Sache dem EuGH zu Entscheidung vorzulegen. 

Viele Kläger, die nicht von Ihren Anwälte auf diese Rechtsprechung auch vieler Oberlandesgerichte hingewiesen worden waren hatten also Pech und scheiterten vor Gericht.  

Dabei ist die Argumentation von Anwälten oder Richtern, die der Rechtsmeinung des BGH widersprechen unserer Ansicht nach, nach wie vor nicht nur  äußerst diskussionwürdig, sondern unserers Erachtens auch vorzugswürdig!

Es besteht auch tatsächlich die Hoffnung, dass der EuGH hier die Rechtsprechung des BGH und vieler Oberlandesgerichte alsbald korrigiert. Sowohl das LG München als auch das LG Kiel, haben diese Rechtsthematik dem EuGH vorgelegt: 

Dem LG München I (Beschluss v. 29.06.2018 – 22 O 12332/17) sowie dem LG Kiel (Beschluss v. 07.09.2018 – 12 O 92/18), welche diese Rechtsfrage zu Recht (!) dem EuGH vorgelegt hatten, bescheinigte der BGH bereits im Voraus und aus Sicht vieler Juristen in diesem Zusammenhang eine bereits im Ausgangspunkt unzutreffende rechtliche Annahme. Dies, da nach der Rechtsauffassung des BGH „die Einheit des Darlehensvertrags“ bei der unechten Abschnittsfinanzierung existiert und dies von anderen außer Acht gelassen wird.

Wir sehen keine Einheit des Darlehensvertrages, dies wenn er abgeändert wird und zwar aus folgendem Grunde: 

  • Der Vertrag über die Verlängerung  enthält Regelungen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ausgangsvertrages noch nicht bestimmbar oder auch nur von eine der Parteien beabsichtigt gewesen war
  • lässt vom urprünglichen Darlehens-Vertrag und den ursprünglich dort geregelten  Kapitalnutzungsrecht nichts übrig, sondern gestaltet dies gänzlich neu. Dies aus folgendem Grund: Das Saldo zum Zeitpunkt der Anpassungsvereinbarung ist bereits ein anderes, als das des Ausgangsdarlehens. 

Dies gilt erst Rechts wenn auch das Restsaldo welches am Ende der Laufzeit des Augsangsvertrages nun (teilweise) oder gar vollständig am Ende Laufzeit des verlängerten Vertrages existiert. Dies, weil es auch während der Verlängerungszeit des neuen, verlängerten Vertrages am Ende insgesamt getilgt sein soll.  Wird aber eine neuer Vertragsinhalt definiert, der Wiederum das weitere „Behaltendürfen des Restdarlehenssaldos“ ja so regelt wie nur ein neuer vollständiger Darlehensvertrag dies kann ist dies ein eigenständiger Vertrag und nicht eine Einheit mit dem Ausgangsvertrag.

Damit ist die Bank die eine Folge- oder Abschlussfinanzierung anbietet und für sich ein vorteilhaftes Bankgeschäft sogar durch aktive Akquies betreit in ihrer klassischen Rolle als Finanzdienstleister tätig. Als was sonst unterbreitet die Bank gegenüber den Bankkunden vor Ablauf der Vertragslaufzeit des Ursprungsdarlehens Zinskonditionen oder Laufzeiten. 

Der BGH sah dies anders und urteilte, dass die die von ihm betriebene Auslegung (keine Finanzdienstleistung bei Abschluss eines Vertrages über das Behaltendürfens des Restsaldos durch den Darlehensnehmer indem eine neue (endgültige Tilgungsfrist und neue Zinskonditionen vereinbart wurden, dem Europarecht nicht zuwider läuft, sondern sogar derart offenkundig  richtig ist, dass „für einen vernünftigen Zweifel kein Raum verbleibt“.

Wir gehen davon aus, dass der EuGH hier Korrekturbedarf sehen wird.

Auch aus folgendem Grunde: 

Dass nämlich nicht wenige Bankkunden ggf. auch einfach zu einer anderen Bank wechseln und dort Folgefinanzieren, wenn Sie nicht von ihrer bisherigen Bank mit einem Lockangebot geködert werden ist auch von anderen Bankkunden praktiziert worden. Warum der Abschluss über die Zurückzahlung des Geldbetrages des Restsaldos bei einer anderen Bank zu neuen Belehrungspflichten führt, aber die Prolongation des Darlehens bei der Ausgangsbank kein neuer Vertrag sein soll und anders behandelt werden muss ist also durchaus fraglich.

Bereits mit der Entscheidung vom 27.03.2020 hatte der EuGH in der Rechtssache C-66/19) mit einem europarechtlichen Paukenschlag die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung des „Kaskadenverweise der Sparkassen“ korrigiert und der Wirksamkeit der entsprechenden Sparkassen- Widerrufsbelehrung eine Absage erteilt.

Auch dies sah der BGH anders und wurde jetzt vom EuGH korrigiert!

Betroffen sind hier insbesondere Darlehensverträge der Sparkassen nach Juni 2010. Aber auch solche, die nach 2016 widerrufen wurden, könnten ggf. noch mit bald hohen Erfolgsaussichten doch geklagt werden. 

Aber auch solche, die noch nicht widerrufen sind, sind betroffen:

Da in diesen Fällen nach der Rechtsprechung des EuGH die Widerrufsfrist für den Verbraucher noch nicht abgelaufen war, kann dieser nun nach der Rechtsprechung des EuGH den jeweiligen Darlehensvertrag widerrufen. 

Dies ermöglicht dem Verbraucher eine vorzeitige Beendigung des Darlehens, ohne dass er wie sonst üblich eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank bezahlen muss. Im Gegenteil der Darlehensnehmer erhält Nutzungsentschädigung, da durch den Widerruf die Bank rechtsgrundlos bereichert ist, ferner schuldet der Darlehensnehmer im Rahmen der Rückabwicklung auch nur den verkehrsüblichen Zinssatz und nicht denjenigen, welcher im Vertrag vereinbart wurde.

Außerdem spart sich der Darlehensnehmer künftig Zinsen, die in den Verbraucherdarlehensverträgen der Kalenderjahre 2010 ff. häufig noch 3 % und mehr für Immobilienfinanzierungen betragen haben und kann in der heutigen Niedrigzinsphase kostengünstig eine Folge-Finanzierung anstreben.

Fragen zu Ihren Kreditverträgen und deren Widerruflichkeit?

Mailen Sie den Scan Ihres Vertrages und der Widerrufsbelehrung gerne zu.

Wir erstellen kostenfrei ein Angebot für Ihrer rechtlichen Interessenvertretung. Wir klären Sie über Kosten auf bevor Sie anfallen. Wir verfolgen die weitere Entwicklung der Rechtssprechung ständig und freuen uns auch in Ihrem Fall helfen zu können! 


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