Wie Unterhaltsschulden loswerden?

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Unterhaltspflichten bedeuten Verantwortung, aber auch finanzielle Last. Möchten Sie Ihre Unterhaltsschulden loswerden, gibt es eine Reihe von Optionen. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Vereinbarungen Sie mit dem Unterhaltsempfänger treffen können, wann Forderungen verjähren und was mit den Schulden bei Insolvenz passiert.

Selbstbehalt befreit nicht von Unterhaltspflicht

Unterhaltspflichtig sind Sie letztlich nur, wenn Sie finanziell leistungsfähig sind. Liegt Ihr verfügbares Einkommen unter Ihrem Selbstbehalt von

  • 1.160 EUR, wenn Sie eigenes Geld verdienen
  • und 960 EUR, wenn Sie nicht erwerbstätig sind,

brauchen Sie keinen Unterhalt zu zahlen. Ihre Unterhaltspflicht besteht aber als solche fort. Ihr Selbstbehalt führt also lediglich dazu, dass Sie den geschuldeten Unterhalt zumindest aktuell nicht oder zumindest nicht in der gesetzlich begründeten Höhe zahlen müssen. Ist der Unterhalt höher als der Betrag, den Sie aktuell leisten können, bleibt der Unterhaltsanspruch im Übrigen bestehen. Es entstehen Unterhaltsschulden.

Verhandeln Sie Ihre Unterhaltsschulden

Bevor Sie daran gehen, Ihre Unterhaltsschulden auf juristischen Wegen loszuwerden, sollten Sie versuchen, mit der unterhaltsberechtigten Person darüber zu verhandeln, wie Sie mit Ihren Unterhaltsschulden verfahren können. Erkennen Sie vorab prinzipiell an, dass Ihre Unterhaltspflicht auf der Verantwortung gegenüber Ihrem Kind oder auf der nachehelichen Solidarität gegenüber Ihrem getrenntlebenden oder geschiedenen Ehepartner beruht. Da Sie dieser Verantwortung aber nur im Rahmen Ihrer Liquidität gerecht werden können, erscheint es anerkennungswürdig, wenn Sie nach Maßgabe Ihrer Möglichkeiten Verhandlungen führen.

  • Ist die unterhaltsberechtigte Person einsichtig und verständnisvoll, könnten Sie erreichen, dass die Unterhaltsschulden aus der Vergangenheit nicht mehr weiter eingefordert werden.
  • Oder Sie einigen sich pauschal auf einen Abfindungsbetrag.
  • Im Gegenzug könnten Sie die Zusage machen, dass Sie aktuell entstehende Unterhaltsansprüche zuverlässig bedienen wollen.

Befinden Sie sich in finanziellen schwierigen Verhältnissen und können die Unterhaltszahlungen nicht in voller Höhe leisten, sollte Ihr Verhandlungsziel darin bestehen, die Unterhaltszahlungen so anzupassen, dass Sie diese zuverlässig bezahlen können. Auch wenig Geld kann für den Unterhaltsberechtigten bedeuten, dass ein solcher Kompromiss besser ist, als aller Wahrscheinlichkeit nach auf den Unterhalt vollständig verzichten zu müssen. Erscheinen derartige Verhandlungen jedoch als aussichtslos, werden Sie Ihre Unterhaltsschulden auf rechtlicher Grundlage beurteilen müssen. Dafür gibt es eine Reihe von Ansätzen.

Unterhaltsschulden aus der Vergangenheit

Geht es darum, dass Sie Unterhalt für die Vergangenheit schulden, brauchen Sie Unterhalt nur insoweit zu zahlen, als Sie dafür ordnungsgemäß in Verzug gesetzt wurden. Sie befinden sich in Verzug,

  • wenn Sie aufgefordert wurden, über Ihre Einkünfte und Ihr Vermögen Auskunft zu erteilen,
  • Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgefordert wurden, einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen und zur Zahlung eine Frist gesetzt wurde,
  • der Unterhaltsanspruch gerichtlich geltend gemacht wurde oder
  • Sie rechtsverbindlich festgestellte Unterhaltsansprüche nicht bedient haben (§ 1613 BGB).

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und befinden Sie sich demgemäß nicht in Verzug, brauchen Sie Ihre Unterhaltsschulden aus der Vergangenheit nicht zu bedienen. Derartige Unterhaltsansprüche sind gegenstandslos.

Wann verjähren Unterhaltsansprüche?

Verjährung des Unterhalts bedeutet, dass Sie den Unterhalt verweigern dürfen, wenn die für den Unterhaltsanspruch geltende Verjährungsfrist abgelaufen ist. Grundsätzlich gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Beispiel:

Ist der Anspruch mit dem 1. August 2021 entstanden, beginnt die Verjährung am 1.1.2022 und endet drei Jahre danach zum 31.1.2024.

Die Verjährung kann aber „gehemmt“ sein. Das ist insbesondere beim Kindesunterhalt bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes und beim Trennungsunterhalt der Fall. Das bedeutet, dass der Zeitraum, in dem dies der Fall ist, in die Verjährungsfrist nicht mit eingerechnet wird.

Bei Unterhaltstiteln (etwa obsiegender Beschluss des Familiengerichts) verjährt der rückständige Unterhalt in 30 Jahren, der künftige Unterhalt jedoch in drei Jahren. Wird eine gerichtliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt, kommt es zu einem Neubeginn der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist. Damit kann die Verjährung von tituliertem künftigem Unterhalt verhindert werden.

Wann sind Unterhaltsansprüche verwirkt?

Verwirkung ist ein Rechtsbegriff und besagt, dass der Anspruch auf Unterhalt aus besonderen Gründen nicht geltend gemacht werden kann. Voraussetzung ist, dass der Unterhaltsanspruch entstanden ist und eine längere Zeit verstrichen ist, ohne dass der Anspruch geltend gemacht wurde. Sie müssen sich außerdem darauf eingerichtet und darauf vertraut haben, dass Sie keinen Unterhalt mehr zahlen müssen.

Der Unterschied zwischen Verjährung und Verwirkung besteht darin, dass der Anspruch auf Unterhalt wegen der Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden kann, in der Sache aber fortbesteht. Die Verwirkung hingegen führt dazu, dass der Anspruch auf Unterhalt auch in der Sache beseitigt wird.

§ 1611 BGB bietet mehrere Ansatzpunkte, Unterhaltsansprüche einzuschränken oder entfallen, sprich verwirken zu lassen. Sie brauchen danach Unterhalt nur in der Höhe zu leisten, die der „Billigkeit“ entspricht, sprich angemessen und fair erscheint, wenn die unterhaltsberechtigte Person

  • durch eigenes sittliches Verschulden bedürftig geworden ist (z.B. studierendes Kind verschweigt, dass es durch Arbeit eigenes Geld verdient) oder
  • sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen Ihre Person oder einen nahen Angehörigen schuldig gemacht hat (z.B. wiederholte, schwerwiegende Beleidigungen, die eine tiefgreifende Verachtung Ihre Person erkennen lassen).

Ihre Unterhaltspflicht kann darüber hinaus vollständig entfallen, wenn Ihre Inanspruchnahme grob unbillig wäre (§ 1611 Abs. I Satz 2 BGB). Grob unbillig bedeutet so viel, dass es moralisch nicht zu rechtfertigen wäre, Ihre Unterhaltspflicht fortbestehen zu lassen, z.B. versuchter Prozessbetrug, indem das Kind über längere Zeit gezahlte Berufsausbildungsbeihilfe des Arbeitsamtes als eigenes Einkommen verschwiegen hat.

Mit der Privatinsolvenz Unterhaltsschulden loswerden?

Sind Sie über Maßen verschuldet, kann die Privatinsolvenz eine Option sein, um Unterhaltsschulden loszuwerden. Hierbei kommt es aber darauf an, für welchen Zeitraum Unterhaltansprüche bestehen. Im Mangelfall, wenn Ihr Einkommen also nicht ausreicht, um Ihre Unterhaltspflichten zu bedienen und Sie gegenüber einem minderjährigen Kind in einer gesteigerten Unterhaltspflicht stehen, können Sie sogar verpflichtet sein, einen Antrag auf Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens zu stellen (BGH NJW 2008, 227). Über den Weg der Restschuldbefreiung sollten Sie damit erreichen, dass Sie Ihre künftigen Unterhaltsansprüche besser bedienen können. Soweit es um Trennungsunterhalt gegenüber dem Ehepartner für den Zeitraum der Trennung bis zur Scheidung geht, besteht eine solche Verpflichtung jedoch nicht (BGH NJW 2008,851). Gleiches sollte auch für den Ehegattenunterhalt nach der Scheidung anzunehmen sein.

Unterhaltsschulden vor Insolvenzeröffnung

Unterhaltsansprüche aus dem Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterliegen als Insolvenzforderungen den allgemeinen Regeln. Diese Unterhaltsansprüche werden dem Grundsatz nach von der Restschuldbefreiung erfasst. Restschuldbefreiung bedeutet, dass Sie nach Ablauf der Wohlverhaltensphase von so gut wie allen Ihren Schulden, also auch von den Unterhaltsschulden, befreit werden. Die unterhaltsberechtigte Person kann die Unterhaltsansprüche zwar beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. Geld erhält der Unterhaltsberechtigte aber nur, wenn Sie über Ihre Pfändungsfreigrenzen hinaus Geld verdienen, das der Insolvenzverwalter anteilig auf die Gläubiger verteilt. Pfändungsmaßnahmen bleiben aber ausgeschlossen.

Keine Restschuldbefreiung bei vorsätzlicher Unterhaltsverweigerung

Zum 01.07.2014 wurde das Insolvenzrecht jedoch verschärft. Sie erhalten nach Ablauf der Wohlverhaltensphase keine Restschuldbefreiung, wenn Sie Ihre Unterhaltspflichten gemäß § 170 StGB vorsätzlich verletzt oder Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt haben (§ 302 InsO).

Im Unterschied zur Verletzung der Unterhaltspflicht aus § 170 StGB muss der Lebensbedarf der unterhaltsberechtigten Person bei der pflichtwidrig unterlassenen Unterhaltszahlung nicht gefährdet oder ohne die Hilfe anderer gefährdet gewesen sein. Hatten Sie also keinen Unterhalt gezahlt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass Sie den Unterhalt aller Wahrscheinlichkeit nach vorsätzlich pflichtwidrig nicht gezahlt haben und sich deshalb nicht auf die Restschuldbefreiung berufen können. Diese insoweit begründeten Unterhaltsansprüche bleiben von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Insoweit erscheint die Privatinsolvenz nicht als ein zuverlässiger Weg, Unterhaltsschulden loszuwerden. Die Ausnahme von der Restschuldbefreiung betrifft

  • die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber einem Ehepartner im Hinblick auf den Trennungsunterhalt
  • und Ehegattenunterhalt nach der Scheidung,
  • die Unterhaltspflichten gegenüber Kindern oder Enkelkindern,

nicht aber vertraglich begründete oder freiwillige Leistungen auf Unterhalt.

Trotzdem besteht kein Grund, die Privatinsolvenz im Hinblick auf die Unterhaltsschulden von vornherein auszuschließen. Die Ausnahme greift nämlich nur, wenn Sie den Bedarf und die Bedürftigkeit der unterhaltsberechtigten Person kannten und deren Verletzung zumindest billigend in Kauf genommen haben. Falsche Einschätzungen können den Vorsatz entfallen lassen. Wollten Sie im Zweifel eine gerichtliche Klärung abwarten, handelten Sie nicht vorsätzlich. Ist die Unterhaltspflicht jedoch rechtsverbindlich festgestellt und tituliert, wird regelmäßig eine vorsätzliche Unterhaltspflichtverletzung angenommen, wenn Sie den Unterhalt nicht gezahlt haben.

Es ist die Aufgabe der anwaltlichen Beratung, den Sachverhalt im Detail festzustellen und zu prüfen, wieweit sich daraus Ansatzpunkte ergeben, die maßgeblichen Tatbestandsmerkmale von Vorsatz und Pflichtwidrigkeit zu entkräften. Gelingt der Nachweis, werden auch Ihre Unterhaltsschulden von der Restschuldbefreiung erfasst.

Unterhaltsschulden während und nach der Privatinsolvenz?

Unterhaltsansprüche aus der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Unterhaltsansprüche, die nach Ablauf der Privatinsolvenz begründet werden, sind keine Insolvenzforderungen und werden auch nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Solche Unterhaltsforderungen sind neue Forderungen. Das Insolvenzverfahren erfasst nur bestehende Forderungen (BGH DZWIR 2008, 150).

Sie müssen also auch während der Privatinsolvenz Unterhaltszahlungen leisten. Ihre Unterhaltszahlungen haben sogar Vorrang vor anderen finanziellen Verpflichtungen. Insoweit dürfen Unterhaltsberechtigte die Zwangsvollstreckung betreiben. Sind Sie unterhaltspflichtig, erhöht die Zahl der Personen, denen gegenüber Sie in der Unterhaltspflicht stehen, Ihre Pfändungsfreibeträge. Durch das höhere pfändungsfreie Einkommen soll gewährleistet werden, dass Sie Ihre Unterhaltspflichten auch während der Privatinsolvenz erfüllen können.

Fazit

Ansprüche, die rechtlich begründet sind, lassen sich nur unter besonderen Voraussetzungen aus der Welt schaffen. Es bringt wenig, „den Kopf in den Sand zu stecken“. An Ihrer Situation würde sich auch in der Zukunft daran nichts ändern. Besser ist, wenn Sie Sie sich anwaltlich beraten lassen. Gemeinsam mit Ihrem Anwalt lässt sich dann bestimmen, wie Sie mit Ihren Unterhaltsschulden umgehen und welche Optionen bestehen, sich dieser zu entledigen.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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