Wie wird der Versorgungsausgleich berechnet?

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Ehepartner haben während ihrer Ehe Versorgungsanrechte (fürs Alter) erworben. Diese gehören beiden Ehepartnern zu gleichen Teilen. Der Versorgungsausgleich trägt diesem Aspekt Rechnung, indem damit die Versorgungsanrechte jeweils zur Hälfte zwischen Ehegatten aufgeteilt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Versorgungsleistungen bereits bezogen werden. Lesen Sie hier in ein paar praktischen Beispielen, wie man den Versorgungsausgleich berechnet, wer dies vornimmt, wie lange dies dauert und inwieweit der Versorgungsausgleich Ihre Scheidungskosten beeinflussen kann.

Bedeutung des Versorgungsausgleichs

Der Versorgungsausgleich rechtfertigt sich daraus, dass der nicht erwerbstätige Ehegatte in der bestehenden Ehe an der Rente des früher erwerbstätigen Ehepartners teilnimmt und auch nach dessen Tod über eine Witwen- oder Witwerrente versorgt wird. Der Gedanke dabei ist, dass die Ehepartner die in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften und laufenden Ansprüche auf Versorgung gemeinsam zu gleichen Teilen erwirtschaftet haben, unabhängig davon, durch welche Person dies geschah.

Die Scheidung stellt diese Versorgung in Frage. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Ehepartner während der Ehe wegen der Übernahme der Haushaltsführung und Kinderbetreuung keine ausreichende Altersversorgung erwerben konnte. Um diese Nachteile abzumildern, gibt es den Versorgungsausgleich.

Welche Anrechte unterliegen dem Versorgungsausgleich?

Dem Versorgungsausgleich unterliegen die Anrechte aus

  • der gesetzlichen Rentenversicherung,
  • der betrieblichen Altersversorgung,
  • berufsständischen Versorgungseinrichtungen für Freiberufler,
  • Anrechte aus einem Beamtenverhältnis,
  • Riester- und Rürup-Renten
  • sowie der privaten Altersvorsorge.

Die Aufzählung im Versorgungsausgleichsgesetz ist nicht abschließend, so dass mithin auch Anrechte gegenüber ausländischen Versorgungsträgern einzubeziehen sind.

Welchen Zeitraum berücksichtigt man bei der Berechnung?

Anrechte sind nur auszugleichen, soweit sie während der Ehezeit erworben wurden. Als Ehezeit definiert das Gesetz den Beginn des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde bis zum Ende des Monats, der dem Scheidungsantrag vorausgeht.

Beispiel:

Hans und Hanna hatten am 10. Mai 2002 geheiratet. Am 15.Dezember 2022 wurde Hans der Scheidungsantrag von Hanna zugestellt. Die Ehezeit beginnt am 1.Mai 2002 und endet zum 30. November 2022. Wurde Hans am 2. Dezember 2022 befördert und verdient mehr Geld und erwirbt dadurch höhere Anrechte, bleiben diese unberücksichtigt.

Ablauf des Versorgungsausgleichs in Kürze

Zuständig für die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist das Familiengericht als Fachabteilung des Amtsgerichts. Dies geschieht wie folgt:

  1. Nach Eingang des Scheidungsantrags übersendet das Familiengericht jedem Ehepartner einen Fragebogen, in dem die jeweiligen Anrechte auf Altersversorgung im Detail zu bezeichnen sind.
  2. Die Ehepartner machen ihre Angaben.
  3. Hat das Familiengericht die Fragebögen zurückerhalten, klärt es mit den Versorgungsträgern die Höhe der Anrechte:
    1. Der Rentenversicherungsträger ermittelt dazu den Ehezeitanteil der jeweiligen Anwartschaft, indem er die Anzahl der Entgeltpunkte feststellt, die Sie als Ehepartner in der Ehezeit erworben haben.
    2. Diese Ehezeitanteile teilt der Versicherungsträger dem Familiengericht mit und unterbreitet dem Gericht einen Vorschlag über die Höhe des auszugleichenden Werts. Der Ausgleichswert entspricht genau der Hälfte des Ehezeitanteils.
    3. Im Regelfall wird das Familiengericht diesen Wert für seine Entscheidung über den Versorgungsausgleich übernehmen.
  4. Liegen die Auskünfte der Versorgungsträger vor und erscheint der Scheidungsantrag entscheidungsreif, kann das Familiengericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen.

Wer kann mir außerdem noch den Versorgungsausgleich berechnen?

Um den Versorgungsausgleich zu berechnen, ist die Kenntnis erforderlich, welche Anrechte beide Ehepartner bei welchen Versicherungsträgern erworben haben. Selbst wenn Sie im Besitz von Unterlagen sind, aus denen sich solche Anrechte ergeben, dürfte es eine komplexe Herausforderung darstellen, daraus abzuleiten, wie das Familiengericht voraussichtlich den Versorgungsausgleich durchführen wird. Letztlich entscheidet das Familiengericht im Detail über die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Unabhängig davon können Sie sich selbstverständlich bei den Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung und bei Versicherungsberatern oder Versicherungsältesten informieren.

Beispielrechnung für einen Versorgungsausgleich (vereinfacht)

Die Eheleute Hans und Hanna haben Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Das Familiengericht überträgt fünf Entgeltpunkte (EP) von Hans an Ehefrau Hanna und drei Entgeltpunkte von Hanna an Ehemann Hans. Um die Rentenpunkte zu berechnen, ergibt sich folgende Rechnung:


HansHanna


Ausgleich in der Rentenversicherung
-5 EP+5 EP
+3 EP-3 EP


Verrechnung beim Rentenversicherungsträger
-5 EP+5 EP
+3 EP-3 EP
Nach dem Ausgleich
-2 EP+2 EP



Welche Dauer nimmt die Berechnung des Versorgungsausgleichs in Anspruch?

Bevor die Rentenkonten der Ehepartner nicht geklärt sind, kommt es nicht zum Versorgungsausgleich. Dies ist ein wesentliches Kriterium. Sofern sich Unklarheiten ergeben, ist mit Verzögerungen zu rechnen. Sie sind gut beraten, sich frühzeitig um eine Kontenklärung zu kümmern und eventuell fehlende Versicherungszeiten nachzumelden. Ein maßgeblicher Ansatzpunkt besteht auch darin, wie schnell Sie und der Ehepartner die Fragebögen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs an das Familiengericht zurückreichen. Ansonsten kommt es auf die Dauer der Sachbearbeitung beim Familiengericht und den jeweiligen Rentenversicherungsträgern an.

Im Regelfall entscheidet das Familiengericht im Zusammenhang mit der Scheidung über alle Scheidungsfolgen und somit auch über den Versorgungsausgleich (Scheidungsverbund). Alles, was mit der Scheidung zusammenhängt, soll im Zusammenhang verhandelt und entschieden werden.

Erweist sich der Versorgungsausgleich als kompliziert und würde den Scheidungsausspruch außergewöhnlich und unzumutbar verzögern, kann das Familiengericht den Versorgungsausgleich auf Antrag eines Beteiligten vom Scheidungsverfahren abtrennen, sodann die Scheidung beschließen und über den Versorgungsausgleich gesondert entscheiden. Die zu erwartende Dauer der Verzögerung kann zwei Jahre betragen.

Mit welchem Verfahrenswert schlägt der Versorgungsausgleich zu Buche?

Ihre Scheidungskosten berechnen sich nach dem Verfahrenswert. Der Verfahrenswert des Versorgungsausgleichs wird mit dem Verfahrenswert für das Scheidungsverfahren und eventuell weiteren Verfahrenswerten für andere Scheidungsfolgen zusammengerechnet. Nach dem Ergebnis berechnen sich die Gebühren für die Gerichtskasse und die beteiligten Rechtsanwälte.

Der Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich beträgt für jedes Anrecht 10 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten (§ 50 FamGKG) abzüglich der Freibeträge für jedes Kind. Der Mindestverfahrenswert für den Versorgungsausgleich beträgt 1.000 Euro.

Beispiel:

Hans und Hanna verdienen zusammen 4500 € netto im Monat. Sie haben zwei Kinder. Vom Einkommen sind für die Kinder 2 x 250 € = 500 € als Freibetrag abzuziehen. Das verbleibende gemeinsam Nettoeinkommen von 4.000 € wird verdreifacht. Es ergibt sich ein Verfahrenswert von 12.000 €. 10 % davon ergeben 1200 €. Da Hans und Partner drei Versorgungsanrechte besitzen, wird der Wert mit drei multipliziert. Es ergibt sich ein Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich von 3600 €.

Kann der Versorgungsausgleich nachträglich wieder abgeändert werden?

Allgemein kann der Versorgungsausgleich jederzeit neu berechnet werden, auch wenn die Scheidung Jahre oder gar Jahrzehnte zurückliegt. Verstirbt der geschiedene Ehepartner, der bei der Scheidung vom Versorgungsausgleich profitiert hat, kann der ausgleichspflichtige Ex-Partner einen Rückausgleich beantragen. Voraussetzung ist, dass der verstorbene Ex-Partner nicht mehr als 36 Monate Rente erhalten hat. Dann wird die Rente angepasst und ab dem Monat des Antrags wieder ohne die Kürzung des Versorgungsausgleichsbetrags gezahlt.

Aber auch dann, wenn der Ex-Partner schon länger als 36 Monate Rente bezog, kann der Versorgungsausgleich vom Familiengericht neu berechnet werden, sofern der Versorgungsausgleich nach dem 31.8.2009 durchgeführt und seitdem nicht mehr geändert wurde.

Möchten Sie die Neuberechnung beantragen, sollten Sie sich kompetent beraten lassen. Es ist wichtig, die Voraussetzungen zu erfüllen und formale Fehler zu vermeiden. Ein abgelehnter oder fehlgeschlagener Antrag kann dazu führen, dass eine Korrektur kaum mehr möglich ist.

Wann wird der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt?

Im Regelfall wird der Versorgungsausgleich von Amts wegen durchgeführt, es sei denn, die Ehepartner

  • verbinden die bei der Scheidung anstehende Vermögensteilung im Rahmen des Zugewinnausgleichs mit dem Versorgungsausgleich, in jenem Rahmen ein Ehepartner beispielsweise dem anderen eine Immobilie zu Altersversorgung überlässt,
  • sie waren nicht länger als drei Jahre miteinander verheiratet, woraufhin die Scheidung auf den Versorgungsausgleich verzichten kann (es sei denn, ein Ehepartner beantragt ausdrücklich, dass er durchgeführt wird) oder
  • sie haben in einem notariellen Vertrag eine andere Regelung getroffen - so können Sie sich beispielsweise darauf einigen, ganz oder teilweise auf den Versorgungsausgleich zu verzichten, wenn Sie beide auch ohne diesen im Alter finanziell abgesichert sind.

Darüber hinaus sieht das Familiengericht vom Versorgungsausgleich ab, wenn die auszugleichenden Anrechte nur einen geringen Wert haben oder sich bei den auszugleichenden Anrechten nur ein geringer Wertunterschied ergibt.

Fazit – welche Vorteile wird die Berechnung des Versorgungsausgleichs bringen?

Der Versorgungsausgleich ist ein komplexes Regelwerk mit vielerlei Facetten. Auch wenn Sie sich weitgehend auf die ordnungsgemäße Durchführung des Versorgungsausgleichs durch das Familiengericht verlassen können, empfiehlt sich, das Verfahren von einem Rechtsanwalt begleiten zu lassen. Sie sind sich unsicher, ob Sie einen Versorgungsausgleich machen sollten, oder was dabei am Ende für Sie steht? Schreiben Sie mir dazu oder auch bzgl. weiterer Fragen gern eine Nachricht!

Foto(s): iurFRIEND

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