Wissen Sie, in welchem Staat Ihr Nachlassverfahren stattfinden wird?

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Leben Sie in einem der EU-Staaten und haben Sie slowakische oder doppelte Staatsbürgerschaft? Oder haben vielleicht einige unter Ihnen im Ausland eine berufliche Betätigung gefunden oder sind Sie dorthin aus familiären Gründen umgezogen? Vielleicht befinden Sie sich in einer Lage, dass Sie ein Vermögen in der Slowakischen Republik besitzen und gleichzeitig ein weiteres Vermögen auch im Ausland erworben haben, wobei Ihre eventuellen Erben auf dem Gebiet der Slowakischen Republik leben.

Das Thema des eigenen Todes wird von manchen Menschen gerne verdrängt. Der eine pflegt zu sagen, dass ihm ja nicht interessiert, was nach seinem Tode geschieht, der andere aber will dennoch alle seine Vermögensverhältnisse noch zu seinen Lebzeiten regeln und sucht eine Lösung, die ihm garantieren würde, dass sich auf das Nachlassverfahren nach seinem Tode das Recht der Slowakischen Republik beziehen wird, und nicht das Recht des EU Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 

Sind Sie es, die zu der anderen Gruppe gehört und noch während Ihres Lebens die Angelegenheiten nach Ihren Vorstellungen regeln wollen und für Ihre Erben sicherstellen wollen, dass sie nach dem ihnen bekannten Recht erben und gleichzeitig die Möglichkeit haben, die Zuständigkeit des Gerichtes, das die Befugnis haben wird, in Ihrer konkreten Erbsache zu handeln, zu beeinflussen, so werden die folgenden Informationen für Sie nützlich sein.

Für alle Bürger der Europäischen Union ist es wichtig, sich zu merken, dass ab 17.08.2015 in allen EU-Mitgliedstaaten im Nachlassverfahren mit einem fremden Bestandteil ein neues System geltend gemacht wird. Dieses neue System wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (nachfolgend als „Verordnung“ genannt) eingeführt. Dänemark, Irland und Großbritannien sind die Staaten, die diesbezüglich eine Ausnahme bilden und die die Verordnung nicht umsetzen werden. Die Verordnung bezieht sich dabei auf die Erbfälle nach den Personen, die am 17.08.2015 oder später verstorben sind.

Laut der Verordnung sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die gerichtliche Zuständigkeit richtet sich also aufgrund des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes. 

Es ist zu betonen, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nicht automatisch dem Daueraufenthalt einer Person entspricht. Das Gericht, das voll berechtigt sein wird, in den Erbsachen zu handeln, ist das Gericht desjenigen EU-Staates des Erblassers, in dem sich der Lebensmittelpunkt des ständigen oder gewöhnlichen gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens des Verstorbenen befand.

Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen.

In einigen Fällen kann es sich als komplex erweisen, den Ort zu bestimmen, an dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Sinne des Punktes 24 der Präambel kann dies insbesondere der Fall sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen — unter Umständen auch für längere Zeit — in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat. In diesem Fall könnte — entsprechend den jeweiligen Umständen — davon ausgegangen werden, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in seinem Herkunftsstaat hat, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befand. Weitere komplexe Fälle können sich ergeben, wenn der Erblasser abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.

Gleichzeitig sieht Artikel 22 der Verordnung ausdrücklich die Wahl des anwendbaren Rechts vor und festlegt, dass eine Person für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen kann, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Eine Person, die mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, kann das Recht eines der Staaten wählen, denen sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört.

Die Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben.  Die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, durch die die Rechtswahl vorgenommen wird, unterliegt dem gewählten Recht.  Die Änderung oder der Widerruf der Rechtswahl muss den Formvorschriften für die Änderung oder den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen entsprechen.

Aus dem Wortlaut der Verordnung geht hervor, dass im Hinblick auf die Rechtswahl alle Rechtsformen zulässig sind, die nach dem nationalen Recht für eine solche Art von Rechtshandlung zulässig sind. Unter den Bedingungen der slowakischen Gesetzgebung kann die Erklärung über die Rechtswahl sowohl in einer notariellen Niederschrift vor dem Notar abgefasst werden oder die Rechtswahl kann auch außerhalb einer notariellen Niederschrift getroffen werden, und dies als Rechtswahl, die (i) vom Erblasser eigenhändig abgefasst wird, (ii) in einer anderen schriftlichen Form in Gegenwart von zwei Zeugen der Rechtshandlung bestimmt wird oder (iii) in Form einer notariellen Niederschrift abgefasst wird.

Wird die Rechtswahl vor einem Notar in Form einer notariellen Niederschrift abgefasst, so hat er unverzüglich nach Vornahme dieser Rechtshandlung ihre Eintragung in das zentrale notarielle Testamentsregister sicherzustellen. Das zentrale notarielle Testamentsregister wird über die folgenden Angaben informiert: (i) um welche Urkunde es sich handelt, (ii) das Datum ihrer Unterzeichnung, (iii) der Vorname, Nachname, die Geburtsnummer, das Geburtsdatum und die Angabe über den Daueraufenthalt des Teilnehmers.

IdZ ist die Bestimmung des Artikels 5 der Verordnung hervorzuheben, nach welchem gilt Folgendes: „Ist das vom Erblasser nach Artikel 22 (das Recht der Staatsangehörigkeit) zur Anwendung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewählte Recht das Recht eines Mitgliedstaats, so können die betroffenen Parteien vereinbaren, dass für Entscheidungen in Erbsachen ausschließlich ein Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig sein sollen. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform und ist zu datieren und von den betroffenen Parteien zu unterzeichnen. Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt.“ Aus diesem Artikel resultiert, dass es in einer möglichst großen Zahl der Fälle ein Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht angestrebt wird.

Eine Vereinbarung über die Rechtswahl kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn der Verstorbene die Rechtsordnung bezüglich der Nachlassregulierung bestimmt hat und diese Rechtsordnung nicht das Recht des EU-Staates ist, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Ist das Recht, das der Erblasser nach Artikel 22 zur Anwendung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewählt hat, das Recht eines Mitgliedstaats, so verfährt das zuständig angerufene Gericht wie folgt: (i) es kann sich auf Antrag einer der Verfahrensparteien für unzuständig erklären, wenn seines Erachtens die Gerichte des Mitgliedstaats des gewählten Rechts in der Erbsache besser entscheiden können, wobei es die konkreten Umstände der Erbsache berücksichtigt, wie etwa den gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien und den Ort, an dem die Vermögenswerte belegen sind, oder (b) es erklärt sich für unzuständig, wenn die Verfahrensparteien nach Artikel 5 die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte des Mitgliedstaats des gewählten Rechts vereinbart haben.

Die Gerichte eines Mitgliedstaats, dessen Recht der Erblasser nach Artikel 22 gewählt hat, sind für die Entscheidungen in einer Erbsache also zuständig, wenn (i) sich ein zuvor angerufenes Gericht in derselben Sache für unzuständig erklärt hat, (ii) die Verfahrensparteien die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte dieses Mitgliedstaats vereinbart haben oder (iii) die Verfahrensparteien die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ausdrücklich anerkannt haben.

Wie oben bereits angeführt aus Gründen der Rechtssicherheit und um eine Nachlassspaltung zu vermeiden, sollte der gesamte Nachlass, d. h. das gesamte zum Nachlass gehörende Vermögen diesem Recht unterliegen, unabhängig von der Art der Vermögenswerte und unabhängig davon, ob diese in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat belegen sind. Diese Verordnung ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden. Sie gilt nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

Bei der Überlegung, ob noch während der Lebzeiten eine Rechtswahl getroffen werden soll oder nicht, müssen viele sowohl finanzielle als auch rechtliche Tatsachen berücksichtigt werden, wie z. B. Gesamtkosten von Erbschaftsverfahren in der Slowakei und im Ausland, steuerliche Fragen, weitere potenzielle Schwierigkeiten für Erben, die mit dem fremden Erbrecht nicht vertraut sind, usw.

Ich glaube, dass aus dem Inhalt dieses Artikels deutlich resultiert, dass eine Rechtswahl zu treffen nicht so kompliziert ist und in bestimmten Fällen auch viele Vorteile bringen kann. Die Ausübung der Rechtswahl, wie oben bereits erwähnt wurde, kann direkt mit der Verfassung eines Testaments verbunden sein, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass die Rechtswahl auch separat getroffen werden kann.  

Ich hoffe, dass die in diesem Artikel angeführten Informationen für Sie hilfreich waren und wir würden uns freuen, wenn sie sich im Falle Ihres Interesses an uns mit Vertrauen wenden würden.

Bemerkung: Dieses Dokument dient lediglich als allgemeine Information und ersetzt nicht die Rechtsberatung in einer konkreten Rechtssache. 


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