Zur Fortgeltung eines gemeinschaftlichen Testaments mit wechselbezüglichen Verfügungen nach Ehescheidung

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OLG Frankfurt a.M., Beschl. V. 20.03.2014 – 20 W 520/11

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des Erblassers.

Die Ehe war am 14.02.1975 geschlossen und mit Urteil des Amtsgerichts Gießen – Familiengericht – vom 20.10.2006, rechtskräftig seit 21.12.2006, geschieden worden. Aus der Ehe waren keine Kinder hervorgegangen.

Im Scheidungstermin vom 20.10.2006 kam es zu einer mit „Vergleich“ überschriebenen Einigung der Eheleute zur Regelung der Scheidungsfolgen. Diese wurde gerichtlich protokolliert.

Der „Vergleich“ enthielt diverse familienrechtliche Regelungen zu Unterhalt, Zugewinn, Vermögensauseinandersetzung, usw.

Weiter war unter V. des „Vergleichs“ folgendes vereinbart:

„Die Parteien haben am 18.1.1978 vor dem Notar N1 in O1 ein gemeinsames Testament zur Urkundenrollen Nr. .../1978 errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Dieses Testament wird ausdrücklich auch für den Fall der rechtskräftigen Ehescheidung bestätigt. Es soll auch künftig bei der darin vorgenommenen Erbeinsetzung bleiben. Alle anderweitigen Verfügungen der Parteien auf ihr Ableben werden hiermit vorsorglich und einvernehmlich widerrufen.“

Nach dem Tod des Erblassers reichte die Antragstellerin einen Erbscheinsantrag beim Nachlassgericht ein.

Hiergegen wendete sich die Beschwerdeführerin – eine Freundin des Erblassers – mit der Begründung, dass es ein weiteres handschriftliches Testament vom 22.04.2010 gäbe, in dem sie selbst als Erbin benannt sei.

Entscheidungsgründe

Das Nachlassgericht hat dem Erbscheinsantrag stattgegeben.

Das OLG Frankfurt hat die Beschwerde hiergegen zurückgewiesen.

Die Erbenstellung der Antragstellerin hat das OLG Frankfurt allerdings nicht mit der gerichtlichen Vereinbarung begründet, wie man vermuten könnte.

Diese gerichtliche Vereinbarung hat das OLG nämlich nicht als „Erbvertrag“ ausgelegt. Hintergrund war, dass die Antragstellerin nicht persönlich anwesend war, sondern von einer Rechtsanwältin in Untervollmacht vertreten wurde. Diese konnte aber keinen formwirksamen Erbvertrag im Sinne einer letztwilligen Verfügung für die Antragstellerin schließen.

Zwar kann ein Erbvertrag auch in einem gerichtlichen Vergleich geschlossen werden; dabei wird die durch § 2276 Absatz 1 BGB vorgeschriebene notarielle Beurkundung durch die Aufnahme der Erklärungen beider Vertragsschließenden in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt (§ 127 a BGB). Dies setzt allerdings die wegen § 2274 BGB nicht verzichtbare persönliche Anwesenheit der beiden Eheleute sowie deren persönliche Genehmigung des Vergleichs voraus, was auch in einem Verfahren mit Rechtsanwaltszwang gilt, in dem Erblasser und Rechtsanwalt die Erklärungen gemeinsam abgeben müssen.

Die Erbenstellung der Antragstellerin hat das Gericht vielmehr aus dem ursprünglichen gemeinsamen Testament von 1978 hergeleitet.

Ein solches gemeinschaftliches Testament wird nach § 2268 Abs. 1 BGB zwar im Falle der Auflösung der Ehe vor dem Tode des Erblassers seinem ganzen Inhalt nach unwirksam.

Gemäß § 2268 Abs. 2 BGB bleiben die Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments nach Auflösung der Ehe jedoch ausnahmsweise insoweit wirksam, als anzunehmen ist, dass sie auch für diesen Fall getroffen sein würden. Insoweit ist durch Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) der letztwilligen Verfügung zu ermitteln, ob deren Weitergeltung für den Fall der Ehescheidung dem wirklichen oder, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, dem mutmaßlichen (hypothetischen) Willen der Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung entsprochen hat.

Für die Auslegung des hypothetischen Willens der Eheleute ist auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung, mithin den 18.01.1978 abzustellen.

Welchen Willen die Parteien damals hatten, lässt sich nicht mit Sicherheit ermitteln.

Im vorliegenden Fall spricht allerdings die Bekräftigung in der Scheidungsfolgenvereinbarung, die zeitlich auch näher am ursprünglichen Testament lag als das weitere Testament, dafür, dass eine Fortgeltung des Testaments bzw. eine Bindungswirkung gewollt war.

Auch hat das Gericht die Fortgeltung der Regelung von 1978 in Form der wechselbezüglichen Verfügungen als Teil der Scheidungsfolgenvereinbarung (Baustein zur Einigung) gesehen und kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass der Erblasser (ursprünglich) an der Bindungswirkung festhalten wollte. Das nachträgliche Einzeltestament entfaltet deshalb keine Wirkung, zumal bereits eine bindende Erbeinsetzung der Antragstellerin vorlag.


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