Abmahnungen wegen Google Fonts

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Seit nun mehreren Wochen kursieren viele Abmahnungen des Berliner Rechtsanwalts Kilian Lenard wegen eines angeblichen Datenschutzverstoßes in Bezug der Nutzung von Google Fonts. Rechtsanwalt Lenard fordert im Namen seines Mandanten Herrn Martin I. die Abgemahnten zur sofortigen Unterlassung der Nutzung von Google Fonts und Zahlung der Summe 170,00 € auf, um den vermeintlichen Verstoß schnell aus der Welt zu schaffen. Herr Martin I. tritt hierbei für eine (vermeintliche) Interessengemeinschaft Datenschutz auf, die es sich zur Aufgabe gemacht haben soll Datenschutz zivilrechtlich durchzusetzen.

Viele Webseitenbetreiber sind verunsichert. Ist rechtlich etwas dran an dieser Abmahnung?

Was sind überhaupt Google Fonts und ist eine Nutzung dieser ein Datenschutzrechtsverstoß?

Google Fonts ist eine Sammlung an digitalen Schriftarten, die der US-Konzern Nutzern unentgeltlich zur Verfügung stellt. Diese digitalen Schriften kann man dann auf eigenen Webseiten einbinden. Je nach Webseitenbaukasten kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Google Fonts nicht automatisch integriert wird. Die Nutzung von Google Fonts ist hierbei auf zwei Arten denkbar: (1) Die Schriften können lokal auf der Webseite eingebaut werden. Hierzu werden diese heruntergeladen und auf dem eigenen Webseitenserver wieder hochgeladen und entsprechend verlinkt. (2) Die Schriften werden per hyperreference-Link über den Google-Server abgerufen.

Problematisch ist einzig die zweite Art der Einbindung. Hierbei wird nämlich die IP-Adresse der Nutzenden an Google weitergegeben. Dies stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Seitennutzers dar (LG München I, Urteil vom 20.1.2022 – 3 O 17493/20). Denn sowohl die statische als auch die dynamische IP-Adresse eines Nutzers lassen gegebenenfalls Rückschlüsse auf den Anschlussinhaber ziehen. Eine solche Weiterleitung bedarf grundsätzlich der Einwilligung. Die Weiterleitung ist zudem vor dem Hintergrund problematisch, dass in den USA kein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist.

Muss ich die 170,00 € bezahlen?

Auch wenn Sie Google Fonts nicht lokal auf Ihrer Webseite installiert haben, sollten auf keinen Fall die 170 € zahlen. Hierfür gibt es im Wesentlichen drei Gründe:

Zunächst ist die Höhe der Forderung angesichts des Urteils vom LG München I (Urteil vom 20.01.2022 - 3 O 17493/20) überzogen. Dieses setzt hier bei 100 Euro an. Warum man ohne Begründung einen fast doppelt so hohen Betrag zahlen soll, ist nicht erklärbar. Vielmehr ordnet die Kanzlei des Herrn Martin I. den Datenschutzverstoß explizit falsch ein und behauptet, dass in anderen Urteilen sogar noch höhere Zahlungen Geschädigten zugesprochen wurden. Bewusst unterschlägt die Kanzlei hier den Inhalt der Urteile. Den Urteilen liegen meist ganz andere Sachverhalte zugrunde.

Die Abmahnung könnte rechtsmissbräuchlich sein. Hierzu haben meine Kolleginnen und Kollegen von vielen anderen Kanzleien bereits vieles zusammengetragen. Die Vielzahl der gleichlautenden Abmahnungen deutet bereits auf das kommerzielle Interesse des Abmahnenden hin. Dies wird auch nicht dadurch widerlegt, dass er scheinbar im Auftrag der sog. IG-Datenschutz auftritt. Andere Kanzleien konnten zu der IG-Datenschutz noch nichts im Internet finden. Seit neuesten findet man nun auf der Webseite www.igdatenschutz.de Hinweise zur IG. Allerdings stellt es sich auf der Seite so dar, dass der einzige Datenschutzverstoß, dem sich die IG verschreibt, der Verstoß hinsichtlich Google Fonts ist. Eine Anfrage bei der DENIC ergab zudem, dass ein Herr Martin I. tatsächlich Seiteninhaber ist, die Seite jedoch erst am 01.09.2022 registriert wurde. Erste Abmahnungen tauchten bereits vorher auf. Es wäre sehr untypisch, wenn sich eine Interessengemeinschaft, die sich der Durchsetzung digitalen Rechts verschworen hat, sich nicht selbst bereits im engen Zusammenhang mit der Gründung eine digitale Plattform gibt. Vielmehr wirkt es so, als möchte man nachträglich eine Glaubwürdigkeit schaffen wollen. Auch spricht für die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnungen die fehlende Unterlassungserklärung. Wer nicht möchte, dass ein Datenschutzverstoß in Zukunft begangen wird, der möchte den Abgemahnten auch dazu zwingen, dass das Verhalten in Zukunft auch unterlassen wird. Eine (strafbewehrte) Unterlassungserklärung könnte Wiederholungsgefahren aus der Welt schaffen.

Diese und noch einige weitere Indizien sprechen stark für eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung.

Zuletzt stellt sich auch die Frage, ob ein kausaler immaterieller Schaden für die Verletzung vorliegt. Auch hier sind wir der Meinung, dass im Falle des Martin I. ein solcher nicht vorliegen kann. Aus der Abmahnung ergibt sich nicht, wie der Herr Martin I. in seinen Rechten verletzt worden sein soll. Laut der Abmahnung nimmt er die Verletzungen billigend in Kauf. Er besucht Webseiten um auf Datenschutzverstöße aufmerksam zu machen. Für den Anspruch auf eine billigende Entschädigung in Geld bedürfte es jedoch der Geltendmachung eines individuellen Unwohlseins oder gar einer Erheblichkeit. Diese wird nicht geltend gemacht. Im Gegenteil der Inhalt der Abmahnungen konterkariert den Schadensersatzanspruch förmlich. Denn der Herr Martin I. nutzte (so zumindest uns vorliegend) immer dieselbe statische IP-Adresse. So hätte sich der Anspruch zumindest nach der erstmaligen Weitergabe der IP erschöpft. Denn das US-Unternehmen Google hätte dann ja bereits dieses persönliche Datum gesammelt. Eine erneute Zusendung stellt zwar einen erneuten Verstoß dar, aber hinsichtlich des immateriellen Schadens sei doch zu erklären, wie dies den Herrn Martin I. beeinträchtigt.

Was sollte man tun?

Sofern auf Ihrer Webseite eine unzulässige Einbindung von Google Fonts vorliegt, sollten Sie auf eine lokale Einbettung auf Ihrer Webseite umschwenken oder ganz auf die Nutzung dieser Schriften verzichten. Denn auch wenn es sich bei der Abmahnung von Herrn Martin I. sehr wahrscheinlich um eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung handelt, so ist nicht ausgeschlossen, dass jemand Sie in Zukunft in berechtigter Weise abmahnt.

Sind Sie von der Kanzlei Lenard abgemahnt worden, können wir Ihnen im Rahmen unserer Kapazitäten eine kostenfreie Ersteinschätzung geben. Sollten Sie bereits die 170 € überwiesen haben können Sie darüber nachdenken diese zurückzufordern. Auch hierbei können wir Sie gegebenenfalls unterstützen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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