Absetzen einer Abwassermenge trotz abgelaufener Eichfrist des Gartenwasserzählers

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Trotz des Ablaufs der Eichfrist eines sogenannten „Gartenwasserzählers“ kann der von der Abwassergebühr betroffene Grundstückseigentümer einen Anspruch darauf haben, dass die von diesem Zähler gemessene Wassermenge als nicht in die öffentliche Einrichtung der Abwasserentsorgung gelangt gilt und daher diese Wassermenge von dem die Gebühr erhebenden Abwasserbeseitigungspflichtigen abgesetzt werden muss.

So hat das VG Magdeburg mit Urteil vom 22. Mai 2019 zum Az. 9 A 184/MD entschieden.

Der Fall zeigt, dass es sich mit anwaltlicher Hilfe durchaus lohnt, trotz scheinbar eindeutiger Rechtslage gegen einen Gebührenbescheid vorzugehen, wenn die öffentliche Körperschaft sich selbst über Jahre widersprüchlich verhalten hat.

Die Kläger sind Eigentümer eines selbstbewohnten Grundstücks. Für die Nutzung eines Teils des dem Grundstück zugeführten Trinkwassers als Gießwasser für ihren Garten haben sie 2003 beim zuständigen Wasserzweckverband von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen zusätzlichen Wasserzähler installieren zu lassen, um die nur für den Garten gebrauchte Wassermenge von der ansonsten genutzten und in die Abwasserentsorgungseinrichtung gelangten Wassermenge absetzen zu lassen und hierfür keine Abwassergebühren zahlen zu müssen.

Auf dem Installationsschein wurde eine „Eichinfo 2009“ vermerkt.

In den Jahren 2009-2015 setzte der Wasserverband die von dem Gartenwasserzähler erfassten Wassermengen von der jeweiligen Schmutzwasserjahresgebühr ab. Mit Bescheid von Dezember 2016 wurde die von den Klägern gemeldete Absatzmenge jedoch nicht mehr von der Gebühr abgesetzt. 

Der Wasserzweckverband berief sich darauf, dass die Eichfrist des Zwischenwasserzählers mit Ablauf des Jahres 2009 geendet habe und, da kein geeichter Zwischenwasserzähler und somit kein den Anforderungen zum Absetzen einer Wassermenge vorhandener Wasserzähler zur Verfügung gestanden habe, die gesamte Trinkwassermenge, die im Jahr 2016 von den Klägern bezogen worden war, auch als Abwasser mit einer Gebühr zu belegen gewesen sei.

Des Weiteren berief sich der Abwasserzweckverband darauf, dass er im Verlauf des Jahres 2016 mehrfach in einer Publikation „Der Nachbar“ (unbestritten kein amtliches Publikationsorgan des Verbandes) auf den Ablauf der Eichfristen und den damit zusammenhängenden Konsequenzen wegen der fehlenden Absetzbarkeit der Gartenwassermengen hingewiesen habe.

Die gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids erhobene Klage hielt das Verwaltungsgericht Magdeburg als begründet. Hierbei hat es hauptsächlich auf den Grundsatz von Treu und Glauben, den sich der beklagte Verband von Seiten der Kläger entgegen halten lassen musste, abgestellt.

Die langjährig geübte Verwaltungspraxis des Abwasserbeseitigungspflichtigen, der trotz der bereits seit 2009 abgelaufenen Eichfrist bis einschließlich 2015 die gemeldeten abzusetzenden Wassermengen jedes Mal akzeptiert hat und hierfür keine Abwassergebühren erhoben hatte, wandte sich gegen den Beklagten, da dieser mit der fehlenden Absetzbarkeit im Jahr 2016 eine unzulässige Rechtsausübung vorgenommen habe.

Insofern habe sich der Verband den Klägern gegenüber widersprüchlich verhalten und dieses widersprüchliche Verhalten sei auch als missbräuchlich zu bewerten. Missbräuchlich ist ein widersprüchliches Verhalten dann, so das VG, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. 

So kann ein vertrauensbegründendes Verhalten in der Regel angenommen werden, wenn der andere im Hinblick auf das Verhalten des grundsätzlich Berechtigten Dispositionen getroffen hat. Auch unabhängig davon ist das Vertrauen des Betroffenen dann besonders schutzwürdig, wenn der Handelnde, hier der Verband, zu den in besonderer Weise zur Einhaltung von Recht und Gesetz verpflichteten Personen gehört.

Die Abwasserbeseitigungspflicht ist eine grundsätzlich den Kommunen (Städte, Gemeinden, Verbandsgemeinden) übertragene, sehr häufig von kommunalen Verbänden (wie der Beklagte) wahrgenommene gesetzlich übertragene öffentliche Aufgabe, da die Beseitigung des anfallenden Abwassers eine der Allgemeinheit dienende Angelegenheit ist.

Kommunen und Kommunale Verbände sind gemäß Artikel 20 Abs. 3 Hs. 2 GG als vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist somit auch der Beklagte verpflichtet.

Das Gericht sah das Verhalten des beklagten Verbandes als in vorwerfbarer Weise widersprüchlich und daher treuwidrig an, da er über den sehr langen Zeitraum von sechs Jahren (immerhin wieder eine Eichperiode) beanstandungslos die Meldungen und eigenen Ablesungen der Zählerstände des eichmäßig abgelaufenen Gartenwasserzählers genügen ließ und die betroffene Menge an bezogenem Wasser bei der Berechnung des Abwassers absetzte.

Da der Verband selbst die Eichfrist 2009 kannte und in eben diesem Jahr genauso wie im Jahr 2011 eine eigene Ablesung der Zählerstände vorgenommen hatte, konnte für den Zeitraum 2009 bis 2015 ein vertrauensbildender Charakter des Handelns des Beklagten nicht abgesprochen werden.

Daher war die gemeldete Wassermenge abzusetzen und somit der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Rechtsanwalt Jens Stiehler



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