„Pandemiebedingte“ Kitaschließung auf Grundlage ministerieller Erlasse rechtswidrig

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Bedeutsame Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Halle

Uns ist es mit einer für alle Familien mit Kita-Kindern in Sachsen-Anhalt bedeutsamen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gelungen, dass trotz einer „pandemiebedingt“ angeordneten Kita-Schließung, die Betreuung unseres kleinen Mandanten durch die Stadt sichergestellt werden muss. (VG Halle, Beschluss vom 22. Februar 2022 – 5 B 68/22 HAL, bisher unveröffentlicht)

Stadt ist sowohl örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe als auch Träger von Kitas

Die kreisfreie Stadt ist nach dem Landesrecht Sachsen-Anhalt örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 1 Abs. 1 KJHG-LSA) als auch als Kommune Träger von über 50 Kindertageseinrichtungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 KiFöG LSA). Diese lässt sie durch einen nicht rechtsfähigen Eigenbetrieb betreiben und bewirtschaften. (§ 1 Satz 1 EigBG LSA) Durch den Eigenbetrieb wurden die Eltern einer Kita ohne weitere Ankündigung an einem Donnerstagnachmittag adhoc darüber informiert, dass nach dem Wochenende die Kita „pandemiebedingt“ geschlossen sei. Der eigentliche Grund war jedoch nicht in einem Infektionsgeschehen zu suchen, sondern, dass für die betroffene Kita nicht ausreichend Personal zur Verfügung stehen sollte. Die Nachfragen der Eltern unseres Mandanten blieben in den wesentlichen Aspekten unbefriedigend unbeantwortet. Der Eigenbetrieb bezog sich vielmehr auf einen ministeriellen Erlass, der im Fall von Personalnotstand Schließungen erlaube.

Erlassermächtigung durch Corona-Eindämmungsverordnung nicht rechtmäßig

Dieser Rechtsauffassung hat das Verwaltungsgericht in einem nicht mal zweitägigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO einen deutlichen Riegel vorgeschoben. Es folgte dabei unserer Argumentation, dass es für eine Kitaschließung aufgrund personellen Engpasses keine Rechtsgrundlage gibt. Der Kammer erscheint es als fraglich, ob der Erlass des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt vom 7. Februar 2022 als Rechtsgrundlage für einen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe dienen kann, eine Kita aus personellen Gründen zu schließen. Die Ermächtigungsgrundlage für einen solchen Erlass durch § 14 Abs. 10 der Corona-EindV LSA sieht das Gericht als nicht tauglich an, um damit eine Schließungsgenehmigung für eine Kita wegen personeller Engpässe zu erteilen. Aus dem Regelungsgegenstand der Corona-EindV kommt für eine Schließung einer Gemeinschaftseinrichtung des § 33 IfSG nur eine solche zur Eindämmung der Ausbreitung von nach dem IfSG meldepflichtigen Erkrankungen in Betracht.

Gesetzlicher Anspruch auf frühkindliche Förderung nicht einfach einschränkbar

Insbesondere hebt das Verwaltungsgericht hervor, dass der gesetzliche Anspruch unseres sechsjährigen Mandanten auf Betreuung in einer Kindertageseinrichtung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII iVm § 3 Abs. 1 Satz 1 KiFöG LSA nicht durch Verwaltungsvorschriften eingeschränkt werden kann. Selbst wenn der Erlass eine Rechtsgrundlage für personell bedingte Schließungen darstellen würde, wäre es damit nicht möglich, die Betreuung eines sechsjährigen Kindes gar nicht mehr sicher zu stellen. Dies umso mehr, wenn der Träger über eine Vielzahl anderer Kitas verfügt, und im Verfahren nicht mal ansatzweise dargetan habe, dass er nicht Personal von woanders abziehen, aus dem Urlaub zurückrufen oder durch Leiharbeit ersetzen könne bzw. durch zeitweises Auffüllen von Gruppenstärken vorhandenes Personal effektiv nutzen könne.

Diese eindeutige Feststellung hat Bedeutung über den entschiedenen Einzelfall hinaus, da sich auch andere betroffene Familien im ganzen Land Sachsen-Anhalt darauf berufen können, sollte deren Kita auf der Grundlage des Erlasses (teilweise) geschlossen werden.

Sollten Sie Hilfe bei der Durchsetzung des gesetzlichen Anspruches Ihres Kindes auf Betreuung benötigen, stehen wir an Ihrer Seite.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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