Angestellter, doch laut Social-Media-Profil „Freiberufler“. Fristlose Kündigung rechtens?

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Hildegard Hammerschmidt will ihre Steuerkanzlei neu aufstellen. Denn wieso, fragte sich die sparsame Unternehmerin nach einem Kundengespräch, rät sie anderen immer wieder dazu, in Sachen Personal möglichst flexibel zu bleiben, und legt sich selbst diese Last kostenintensiver Mitarbeiter auf? Sie zitiert jeden in ihr Büro und bietet Aufhebungsverträge an. Lars S. hat sowieso genug von ihrem strengen Regiment, ihm kommt das Angebot gerade recht. Geschickt handelte er eine Übergangszeit aus, danach will er sich selbständig machen und gerne auch weiter für Frau Hammerschmidt tätig sein. Unabhängig, versteht sich. Doch dazu kommt es nicht mehr. In der Euphorie des nahenden Neuanfangs ergänzt S. in seinem XING-Profil die Jobangabe „Angestellter in Steuerkanzlei“ mit „Freiberufler“. Seine stets auf äußerste Korrektheit bedachte Chefin sieht das, und kündigt – fristlos.

Erbost will Lars S. sich wehren, seine schöne Abfindung nicht verlieren. Kann eine Kündigungsschutzklage hier gut gehen? Das Thema ist nicht neu: Wittern Arbeitgeber eine Konkurrenztätigkeit ihres Angestellten reagieren viele höchst unentspannt. Das gilt besonders für Firmen, die ihren Mitarbeitern wenig bis gar keine Absicherung bieten, also nur befristet einstellen oder gar auf selbständiger Basis beschäftigen, so wie Frau Hammerschmidt das nun vorhat. Und das Handelsgesetzbuch (HGB) bietet ihnen mit den § 59, 60 eine rechtliche Handhabe, es untersagt Angestellten (dort sehr altmodisch „Handlungsgehilfen“ genannt) als Konkurrenz zu ihrem Arbeitgeber („Prinzipal“) aufzutreten. Zwar ist das HGB fürs Kaufmännische Gewerbe gemacht, diese zwei Paragrafen finden aber auf alle Arbeitsverhältnisse Anwendung.

Es gilt also praktisch überall ein sogenanntes Konkurrenzverbot. Genau darauf beruft sich die Hammerschmidt in ihrer Kündigung. Soweit, so klar. Spannend war nun aber die Frage: Stellt die harmlose Angabe im Social-Media-Profil bereits eine Konkurrenztätigkeit dar?

Nein, entschied das Landesarbeitsgericht Köln glücklicherweise. Keinem Angestellten kann die Vorbereitung auf die Zeit nach einem Arbeitsverhältnis untersagt werden. Lars S. suchte ja nicht nach konkreten Aufträgen, er warf lediglich seinen Namen als Freiberufler auf den Markt. Das hat ein Arbeitgeber zu dulden. Der Kündigungsschutzklage wurde in beiden Instanzen stattgegeben, eine Revision nicht zugelassen. Kluge Entscheidung! Schließlich darf sich jeder Angestellte bewerben, zu jeder Zeit, dasselbe muss zumindest im Ansatz ebenso für künftige Freiberufler gelten. Mir zeigt der Fall noch etwas anderes: Viele Arbeitgeber begegnen ihren Mitarbeitern schlicht nicht auf Augenhöhe. Eigene Vorteile werden gern drohend eingefordert oder im Arbeitsvertrag festgeschrieben (meist findet sich dort ein Konkurrenzverbot/Wettbewerbsverbot), wie ein Angestellter aber zurechtkommt, spielt für sie keine Rolle.

Ich bin Lars S. dafür dankbar, dass er sich nicht einschüchtern ließ und deshalb nun ein gutes Grundsatzurteil vorliegt. Denn das alte Thema Konkurrenzverbot ist aufgrund der neuen Situation von Angaben in öffentlichen Netz-Profilen wieder hochaktuell geworden. Der Hebel, an dem der Arbeitgeber sitzt, ist aber auch hier nicht der längere. Gerne vertrete ich Arbeiter und Angestellte in Sachen Arbeitsrecht!  

Ihr Rechtsanwalt Gerhard Rahn

(nach einem Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln, AZ 12 Sa 745/16)


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