BGH zu Corona-Maßnahmen & Gewerberaummiete: keine pauschale Mietanpassung

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Während der Corona-Pandemie mussten viele Einzelhandelsgeschäfte und Gastronomie-Betriebe aufgrund behördlicher Anordnungen schließen. Manche Gewerbemieter zahlten daraufhin für eine gewisse Zeit weniger oder sogar gar keine Miete. Sie machten geltend, dass sie die angemietete Immobilie während der Schließung nicht normal nutzen konnten. 

So auch in einem aktuellen Fall, der nun vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden wurde (BGH, Urteil v. 12.01.2021; Az.: XII ZR 8/21). 

Der Fall

Im Fall vor dem BGH hatte ein Mieter mit dem Vermieter einen Gewerbemietvertag über Gewerberäume (Einzelhandelsfläche) geschlossen. Dort war geregelt, dass dem Mieter unter anderem im Fall von Katastrophen kein Recht auf Mietminderung oder Schadenersatz zusteht.

Aufgrund einer Allgemeinverfügung des Sächsischen Sozialministeriums musste der Mieter – ein Textilgroßhandelsunternehmen – eine Filiale vom 19. März 2020 bis zum 19. April 2020 schließen und bezahlte deswegen u.a. die Miete für den Monat April 2020 nicht. Damit war der Vermieter der Gewerbefläche nicht einverstanden und klagte die ausstehenden Mietzahlungen ein. 

Das Landgericht (LG) Chemnitz verurteilte den Mieter in der ersten Instanz zur Zahlung der ausstehenden Miete in Höhe von 7.854 Euro. Der Mieter ging daraufhin in Berufung, teilweise mit Erfolg: das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hob das Urteil auf und verurteilte das Textilhandelsunternehmen zur Zahlung von lediglich 3.720 Euro. 

Störung der Geschäftsgrundlage?

Der Vermieter ging daraufhin in Revision zum BGH. Er war der Ansicht, dass der Mieter weiterhin Miete zahlen müsse. Die staatliche Schließung begründe keinen Mietmangel. Außerdem habe das Unternehmen die Ladenfläche in der Zeit der Schließungsanordnung uneingeschränkt nutzen können: trotz Corona-Schutzverordnung seien die Mieträumlichkeiten zugänglich gewesen. Auch wenn Störungen außerhalb der Mietsache grundsätzlich ein Mangel sein könnten, könne nicht dem Vermieter das gesamte Risiko der Nutzbarkeit der Mieträume in einer derartigen Situation alleine aufgebürdet werden. 

Vielmehr sei wegen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Allgemeinverfügungen eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags gem. § 313 Abs. 1 BGB eingetreten. Das würde zu einem Anspruch auf Anpassung des Gewerbemietvertrages führen. Die Kaltmiete für das Ladengeschäft sei für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte zu reduzieren.  

BGH: Anspruch auf Vertragsanpassung

Der BGH entschied: Die durch die Corona-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel einer Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Beschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Mietobjekts entgegenstehen, gefährden den vom Vermieter geschuldeten Leistungserfolg nur, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit des Mietobjektes beruhen, nicht wenn sie in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters liegen. 

Zudem werde dem Vermieter durch eine derartige Schließung auch nicht die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich. 

Wird ein Geschäft aufgrund einer staatlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie geschlossen, komme aber bei Mietern von Gewerbeflächen grundsätzlich ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages in Betracht. Der Vertrag sei im Hinblick auf die Miet-Zahlungsverpflichtung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB anzupassen.

Keine pauschale Aufteilung – auf den Einzelfall kommt es an

Allerdings war der BGH mit der pauschalen Aufteilung des Risikos zwischen Mieter und Vermieter nicht einverstanden. Eine pauschale Risiko-Teilung 50:50 sei nicht sachgerecht. Auch in derartigen Fällen müssten stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. 

Denn die Vertragsanpassung dürfe beim Mieter nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen. So seien etwa finanzielle Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Corona-Hilfen erhalten hat. Auch Leistungen einer Betriebsversicherung des Mieters könnten zu berücksichtigen sein. Außerdem seien ggf. Maßnahmen zu berücksichtigen, die der Mieter ergriffen habe, um seine Einbußen zu minimieren und die konkreten Nachteile, die dem Mieter des konkreten Objekts (hier der Filiale) entstanden sein. Staatliche Hilfen, die als Darlehen gewährt wurden, blieben hingegen außer Betracht, weil der Mieter durch sie keine endgültige Kompensation erlittener Umsatzeinbußen erreiche. 

Hingegen ist es nicht erforderlich, dass die wirtschaftliche Existenz des Mieters tatsächlich gefährdet ist, so die Bundesrichter.

Auch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie vom 27. März 2020 führe zu keinem anderen Ergebnis: Das Gesetz, das betroffenen Verbrauchern und Kleinstunternehmern, die wegen der Pandemie Zahlungen nicht leisten können, Zahlungsaufschub gewährt, sehe nämlich nicht vor, dass Mieter von ihrer Pflicht zur Zahlung von Miete ganz befreit werden.

Bedeutung der Entscheidung: BGH schafft mehr Klarheit

Der BGH hat mit dieser Entscheidung Ordnung in die teils widersprüchliche Rechtsprechung zu diesem Thema in den letzten Monaten gebracht: er erteilt der Einordnung der Schließungsanordnung als „Mietmangel“ eine Absage und gesteht Mietern einen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages im Hinblick auf die Zahlungsverpflichtungen nach § 313 BGB zu. 

Dazu klären die Richter aber ebenfalls eindeutig: Eine pauschale Risikoverteilung 50:50 auf Mieter und Vermieter ist nicht sachgerecht. Inwieweit die Mietzahlungspflicht anzupassen sei, hängt laut BGH immer vom Einzelfall ab. 

Sie haben Fragen zum Anspruch auf Anpassung Ihres Gewerbemietvertrages? Sprechen Sie uns gerne direkt an – telefonisch unter 0221 / 1680 6560 oder über unser Erstberatungsangebot.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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