Der alkoholisierte E-Scooter-Fahrer – Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr?

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Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB 

In der Praxis gibt es viele Fälle, in denen sowohl Autofahrer als auch Radfahrer unter Alkoholeinfluss im öffentlichen Straßenverkehr fahren. Neben der Gefährdung des Straßenverkehrs kommt dann auch immer eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB in Betracht.

In § 316 StGB heißt es:

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

Zusätzlich droht auch die Entziehung der Fahrerlaubnis. Zu beachten ist, dass Führerschein und Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt nur dann entzogen werden dürfen, wenn man nicht mehr in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, man also fahruntüchtig war. 

Wann liegt eine Fahruntüchtigkeit vor? 

Die Fahrtüchtigkeit beschreibt einen Zustand, in dem der Täter nicht in der Lage ist, das Fahrzeug auch bei Auftreten schwieriger Verkehrslagen über eine längere Strecke sicher zu führen. Dabei ist nicht erforderlich, dass das Fahrzeug überhaupt nicht mehr geführt werden kann. Vielmehr reicht es, dass Fahrunsicherheiten bestehen und der Fahrzeugführer das Fahrzeug nicht mehr sicher führen kann. Die erforderliche verkehrsspezifische Gesamtleistungsfähigkeit setzt sich aus biologisch-psychischen (Seh- und Hörkraft), intellektuell-kognitiven (Konzentrationsfähigkeit) und emotionalen Faktoren (Frustrationstoleranz) zusammen.

Bei der Fahruntauglichkeit wegen Alkohol wird zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit unterschieden. Wird lediglich ein Wert zwischen 0,3 – 1,1, % Promille erreicht, ist die relative Fahruntüchtigkeit gegeben, wenn zusätzlich nachgewiesen ist, dass der Führer des Kraftfahrzeugs einen alkoholbedingten Fahrfehler begangen hat. Ein Fahrfehler ist aber nur dann beachtlich, wenn der Kraftfahrzeugführer den Fehler im nüchternen Zustand nicht gemacht hätte. Typische Ausfallerscheinungen sind Reaktionsverzögerungen, erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen, Fahren in Schlangenlinien und verwaschene Sprache.

Wer mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,5 % angetroffen wird, wird wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt, auch wenn es zu keinen alkoholbedingten Fahrfehlern gekommen ist. Im Rahmen eines solchen ordnungswidrigkeitsverfahren kommt es dann häufig zu der Erteilung eines Fahrverbots. Für Beschuldigte ist dann insbesondere die Vermeidung eines Fahrverbots oder zumindest die Anordnung auf ein erträgliches Maß von besonderem Interesse.

Für die Bestimmung der absoluten Fahruntauglichkeit gilt für Kraftfahrzeuge eine Promillegrenze von 1,1 %, für Fahrräder eine Promillegrenze von 1,6%. Die Rechtsprechung geht in diesen Fällen davon aus, dass der Führer des Kraftfahrzeugs unwiderlegbar fahruntüchtig war. Die Entziehung der Fahrerlaubnis lässt sich dann regelmäßig nicht mehr vermeiden. Ein Strafverteidiger konzentriert sich dann darauf, dass zumindest eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung verhindert wird, da die Strafe bei fahrlässiger Tatbegehung geringer ist.

Welche Promillegrenze ist bei E-Scootern anzuwenden? 

In dem Beschluss vom 29. November 2019 (26 Qs 51/19) musste sich das Landgericht München damit auseinandersetzen, welche Promillegrenze beim Fahren von E-Scootern anzuwenden ist.

Vorliegend fuhr der Angeklagte um 21.15 Uhr mit einem E-Scooter, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenuss fahruntüchtig war. Eine um 21.50 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,23 %. Bei kritischer Selbstprüfung hätte der Angeklagte die Fahruntüchtigkeit erkennen können und müssen. Das Amtsgericht München erließ gegen den Angeklagten daher einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und setzte eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,00 €, ein Fahrverbot von 3 Monaten für Kfz jeder Art sowie der Entzug der Fahrerlaubnis und eine Sperrfrist von 6 Monaten fest.

Hiergegen wandte sich der Verteidiger des Angeklagten, der geltend machte, dass ein Fahrverbot ohne Entzug der Fahrerlaubnis für den Bereich zwischen 1,1 und 1,6% bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter ausreichend sei. Das Amtsgericht München hob den vorherigen Beschluss daher auf, wogegen die Staatsanwaltschaft München wiederum Beschwerde einreichte. 

Nach Ansicht des nun zu entscheidenden Landgerichts München werden E-Scooter von der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr grundsätzlich als Kfz im Sinne von § 1 Abs. 2 StVG eingestuft. Wegen ihrer einfachen Handhabung und Gefährdungspotentials seien E-Scooter nicht wie ein E-Bike oder als spielzeugartiges Gefährt zu behandeln. E-Scooter haben ein Gewicht von ca. 20 bis 25 kg und eine mögliche Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h, woraus sich ein erhebliches Verletzungspotential für Dritte ergebe, das insoweit mit dem Gefährdungspotential von Mofas vergleichbar sei.

Fazit: Der für die absolute Fahruntüchtigkeit bei Kfz geltende Grenzwert von 1,1 % ist daher auch beim Fahren mit E-Scootern anzuwenden.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf.

Für einen Strafverteidiger gibt es im Rahmen der Verteidigung gegen den Vorwurf Trunkenheit im Verkehr zahlreiche Möglichkeiten, auf den Ausgang des Verfahrens positiv Einfluss zu nehmen. Bereits die Abgrenzung zwischen absoluter und relativer Fahruntauglichkeit oder die Feststellungen zur vorsätzlichen oder fahrlässigen Begehungsweise stellen die Weichen für das weitere Verfahren. Die nach Akteneinsicht abgegebene schriftliche Einlassung ist hierbei von elementarer Bedeutung. Ein unachtsames Wort kann daran schuld sein, dass Sie Ihre Fahrerlaubnis abgeben müssen.

Dieses unter Umständen existenzbedrohende Risiko lässt sich durch die Vertretung durch einen Anwalt deutlich reduzieren.

Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich wegen Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.

Foto(s): @pixabay.com/ThomasWolter

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