Der Gemeindeanteil im Ausbaubeitragsrecht

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Wird eine öffentliche Straße von der Gemeinde ausgebaut, d.h. erneuert, erweitert, umgebaut oder verbessert (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz, nachfolgend KAG), erheben die Gemeinden von den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke sogenannte Ausbaubeiträge. Hierzu werden in einem ersten Schritt von den Baukosten zunächst diejenigen ermittelt, die beitragsfähig sind. Von diesen Kosten hat die Gemeinde einen bestimmten Prozentsatz, den sogenannten Gemeindeanteil, selbst zu tragen. In einem zweiten Schritt legt sie den verbleibenden Rest der Kosten – vereinfacht dargestellt – auf die Eigentümer der an die Straße angrenzenden Grundstücke um. Dabei richtet sich der auf die einzelnen Eigentümer entfallende Beitrag sowohl nach der Größe als auch nach der Nutzung des Grundstücks.

Bei der Beitragsveranlagung kommt insbesondere der Höhe des Gemeindeanteils und damit spiegelbildlich dem Anliegeranteil an den Kosten entscheidende Bedeutung zu.

Der Gemeindeanteil spiegelt den Vorteil wider, den die Allgemeinheit im Verhältnis zur Gesamtheit der Straßenanlieger durch den Straßenausbau erlangt (§ 10 Abs. 4 KAG). Dieser Anteil ist von der Gemeinde im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu ermitteln, wobei vor allem die Lage der Straße im Gemeindegebiet und die sich demnach voraussichtlich ergebenden, durch die Straße verlaufenden Verkehrsströme zu berücksichtigen sind. Die Gemeinde hat bei der Festlegung des Gemeindeanteils einen gewissen Spielraum, der eine Bandbreite von +/- 5 % umfasst. Weicht der von ihr beschlossene Gemeindeanteil in diesem Umfang nicht von dem Prozentsatz ab, den das Verwaltungsgericht als vorteilsgemäß und angemessen erachtet, ist er rechtlich nicht zu beanstanden; anderenfalls hebt das Gericht in einem Klageverfahren den Beitragsbescheid insgesamt auf mit der Folge, dass die Gemeinde die gesamten Verfahrenskosten zu tragen hat.

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, das für das rheinland-pfälzische Ausbaubeitragsrecht in letzter Instanz entscheidet, hat zur Höhe des Gemeindeanteils folgende Fallgruppen herausgebildet, wobei im jeweiligen Fall stets zu überprüfen ist, ob diese Kriterien erfüllt sind oder ob Besonderheiten vorliegen, die eine andere Einschätzung angezeigt erscheinen lassen:

Für eine reine Anliegerstraße ohne Durchgangsverkehr ist ein Gemeindeanteil von 25 % nicht zu beanstanden, d.h. die Gemeinde kann 75 % der beitragsfähigen Kosten auf die Anlieger umlegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei der Straße um eine Sackgasse handelt, die nicht in andere Ortsteile weiterführt, d.h. nur der Erschließung der angrenzenden Grundstücke dient. Für eine Straße mit erhöhtem Durchgangsverkehr aber überwiegendem Anliegerverkehr beträgt der Gemeindeanteil 35 bis 45%. Weist die Straße einen überwiegenden Durchgangsverkehr auf, kann der Gemeindeanteil 55 bis 65% betragen. Bei ganz überwiegendem Durchgangsverkehr und nur wenig Anliegerverkehr steigt der Gemeindeanteil auf 70% an.

Es gilt dabei der Grundsatz: Je stärker der Anteil des Durchgangsverkehrs an dem gesamten Verkehrsaufkommen in der Straße ist, umso höher muss der Gemeindeanteil sein. Ein derartiger Durchgangsverkehr kann z.B. darauf zurückzuführen sein, dass die Straße die Verbindung zwischen Innenstadt und einem Neubaugebiet bildet und das Neubaugebiet über deutlich mehr Einwohner verfügt als die ausgebaute Straße Anlieger aufweist. Die Verbindungsfunktion einer öffentlichen Straße, die einen höheren Gemeindeanteil erfordert, kann beispielsweise auch daran deutlich werden, dass eine Buslinie durch die Straße verläuft. Für eine innerstädtische Fußgängerzone hat das Oberverwaltungsgericht einen Gemeindeanteil von 55 % gebilligt, weil dort das Verhältnis des öffentlichen Fußgänger- und Passantenverkehrs zum Anliegerverkehr in etwa dem des öffentlichen Fahrzeugverkehrs zum Anliegerverkehr bei Straßen mit stärkerem innerörtlichem Durchgangsverkehr entspricht.

Dieser Überblick zeigt, dass die Höhe des Gemeindeanteils je nach Einzelfall beträchtlich differiert, was erhebliche Auswirkung auf die Höhe der auf die Anlieger umzulegenden Kosten und damit auf die Höhe der jeweiligen Beitragsforderung hat. Überhaupt liegt im Ausbaubeitragsrecht der Teufel im Detail, denn nicht selten ist nicht nur der Gemeindeanteil fraglich, sondern darüber hinaus auch, ob die Gemeinde überhaupt Beiträge bzw. Vorausleistungen (bereits) erheben darf, ob die Beitragspflicht schon entstanden oder sogar inzwischen verjährt ist, ob und ggf. in welchem Umfang das Grundstück beitragspflichtig ist oder ob die Kosten einzelner abgerechneter Maßnahmen auf die Anlieger umgelegt werden können. Daher sollten Beitragsbescheide stets sorgfältig auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.

Zu beachten ist, dass das Ausbaubeitragsrecht Landesrecht ist. Daher kann die Rechtslage von Bundesland zu Bundesland abweichen. Die obigen Ausführungen gelten ausschließlich für das rheinland-pfälzische Ausbaubeitragsrecht.


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