Der internationale Erbfall - Die Vereinigten Arabischen Emirate - Das anwendbare Recht

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Sie sind ein deutscher Staatsangehöriger und leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Sie haben dort Immobilien oder ein Bankkonto?
Wenn Erblasser oder Erben im Ausland wohnen oder wenn Vermögensteile, wie Immobilien oder Bankvermögen, sich im Ausland befinden, streiten sich häufig zwei Rechtsordnungen, welches Recht hier Anwendung findet. Auch im Rechts- und Steuersystem zwischen Deutschland und VAE ist dies der Fall. Neben deutschem Recht kommt auch das Erb-, Familien-, und internationale Privatrecht der VAE zum Tragen. Dabei ist besonders zu beachten, dass die islamische Scharia (die für viele Deutschen völlig unbekannt ist) eine wesentliche Quelle des Privatrechts ausmacht. Das Scharia-Recht findet grundsätzlich Anwendung auch auf nichtmuslimische Ausländer.
Wir raten deshalb zu einer frühzeitigen Klärung, welches Recht unter welchen Bedingungen Anwendung findet. Denn danach richten sich alle weiteren Schritte. Außerdem muss geklärt werden, wie die Formulierungen im Testament zu lauten haben und welche Gestaltungsmöglichkeiten es im Vorfeld gibt. In Bezug auf die VAE ist dies besonders zu empfehlen, da die Rechtslage dort zum einen sehr kompliziert sein kann und zum anderen viele Änderungen im geltenden Recht in den letzten Jahren zugunsten Ausländern eingeführt wurden und die Einführung weiterer Änderungen noch in Planung sind.


Welches Recht ist anwendbar?
Bei einem Erbfall mit Auslandsberührung stellt sich zunächst die Frage: Welches Recht ist auf den Fall anwendbar? Die Antwort auf die Frage hängt von den Einzelheiten des konkreten Falls ab und erweist sich öfter als kompliziert. In Bezug auf einen Erbfall mit Berührung zu Deutschland und VAE zeigt die Praxis, dass sich die Antwort auf diese Frage besonders schwierig sein könnte. Wir werden einige Aspekte der Frage im Folgenden erläutern.


Fall 1:
Ein Deutscher arbeitet und lebt seit 5 Jahren in Dubai. Er hat kein Testament errichtet. Welches Recht kommt nach seinem Tod für den Nachlass zur Anwendung wenn er in Dubai und in Deutschland Vermögensteile hinterlassen hat?
Ein deutsches Gericht wird auf den Fall zunächst das deutsche internationale Privatrecht anwenden, um festzustellen, welche Rechtsordnung auf den Erbfall anwendbar ist. Maßgeblich zur Feststellung der anzuwendenden Rechtsordnung ist aus deutscher Sicht seit dem 17.08.2015 nicht mehr die Staatsangehörigkeit des Erblassers sondern sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt. Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt grundsätzlich an dem Ort, „wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er dort nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt … ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen…“ (Vgl. Art. § 9 der Abgabenordnung (AO)).
Nach diesen Grundsätzen liegt der gewöhnliche Aufenthalt in o.g. Fall in Dubai. Aus deutscher Sicht kommt für den gesamten Nachlass (für bewegliche oder unbewegliche Sachen sowie sonstige Vermögensteile) die Rechtsordnung der VAE zu Anwendung (s.g. Grundsatz der Nachlasseinheit).
Eine Ausnahme hiervon wird nur dann angenommen, wenn die Anwendung des ausländischen Rechts „mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist“, d.h. im Ergebnis, wenn die Anwendung des ausländischen Rechts den Kernbestand der inländischen Rechtsordnung antastet (Verstoß gegen den ordre public nach Art. 6 EGBGB). Dieser Ausnahme wird allerdings sehr eng ausgelegt. Allein die Tatsache, dass die Scharia als Rechtsquelle in den VAE gilt und von deutschen Rechtsgrundsätzen abweichen kann, reicht zu Begründung eines solchen Verstoßes nicht aus. Die Anwendung des ausländischen Rechts muss vielmehr im Einzelfall mit dem Kern des deutschen Rechts nicht vereinbar sein.
Zur Beantwortung der Frage aus Sicht der Rechtsordnung der VAE sind zwei Gesetze heranzuziehen, das Gesetz über die persönlichen Angelegenheiten, Nr. 28 aus 2005 (im Folgenden GpA), das u.a. die materiell-rechtlichen Regelungen des Erbrechts enthält und das Zivilkodex der VAE vom 1985, dessen Vorschriften heranzuziehen sind, wenn nichts anderes im GpA gilt (Art 4. des GpA).
Nach Art. 17 (1) des Zivilkodexes kommt für den Nachlass „das Recht des Erblassers zurzeit seines Todes“ zur Anwendung. Für Muslime bedeutet dies in der Praxis, das Recht der Scharia und für Nichtmuslime das Recht ihrer Staatsangehörigkeit. Ist der Deutsche im o.g. Fall nicht Muslime, so ist nach Recht der VAE deutsches Recht anzuwenden. Da das deutsche Recht seinerseits das Recht VAE anwendet, ist auch nach diesem die Rechtsordnung der VAE anwendbar (Art. 26 (2) des Zivilkodexes der VAE).
Materiell-rechtlich kommen dann grundsätzlich die Regelungen des GpA (4. und 5. Buch des Zivilkodexes) für den Nachlass zur Anwendung, die ihrerseits auf der islamischen Lehre (auf ihren verschiedenen Strömungen) bzw. Scharia beruhen.
Nichts anders gilt bezüglich des anzuwendenden materiellen Rechts auf das Testament sowie sonstige Verfügungen von Todes wegen. Dies richtet sich ebenfalls nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers (Art. 17 (3) des Zivilkodexes).


Fall 2:
Wie wäre die Rechtslage, wenn der Erblasser im Fall 1 ein Testament errichtet hat, in dem er bestimmt hat, deutsches Recht für den Nachlass anzuwenden.
Art. 1 (2) des GpA sieht vor, dass das GpA auch für Nichtstaatsangehörige gilt, falls diese nicht auf die Anwendung „ihres Gesetzes festhalten „ bzw. festgehalten haben“. In unserem abgewandelten Fall kann der Erblasser die Anwendung des deutschen Rechts durch eine entsprechende Bestimmung in seinem Testament wählen. Allerdings muss in diesem Zusammenhang Folgendes geachtet werden:
• Dies gilt nur für die beweglichen Vermögensteile des Erblassers. Nach Art. 17 (5) des Zivilkodexes ist nämlich auf ein Testament (bzw. eine Testamentsbestimmung) eines Ausländers bezüglich der in VAE gelegenen unbeweglichen Sachen ausschließlich das Recht der VAE anzuwenden. Verfügt der Erblasser in unserem Fall über eine Wohnung in Dubai, so gilt hinsichtlich dieser das Erbrecht der VAE, auch wenn er etwas anderes in seinem Testament bestimmt hat. In einem derartigen Fall spricht man von einer Nachlassspaltung, denn für bestimmte Vermögensteile käme deutsches Recht für andere Teile das Recht der VAE zur Anwendung.

• Es bleibt -unabhängig von der Regelung hinsichtlich der Immobilien- immer im Ermessen der Gerichte, das Erbrecht der VAE bzw. der Scharia für den Nachlass insgesamt anzuwenden, selbst wenn der Erblasser in seinem Testament ausdrücklich die Anwendung seines Rechts gewählt hat. Dies geschah in der Praxis bis zu jüngerer Zeit häufig und ruft deshalb bei den betroffenen Ausländern auch heute noch erhebliche Rechtsunsicherheit hervor, insbesondere weil in einigen Fällen die Nichteinhaltung von Formalien oder sonstige Gründe zur Verlust des Eigentums/der Immobilien zugunsten des Staates geführt haben.

Wäre die Rechtslage anders, wenn die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zurzeit des Todes in Deutschland hätte?
In diesem Fall wäre aus deutscher Sicht deutsches Recht für den gesamten Nachlass anwendbar. Für die in VAE gelegenen beweglichen Vermögensteile wäre aus Sicht der VAE grundsätzlich auch deutsches Recht anwendbar (Recht der Staatsangehörigkeit maßgeblich s.o.). Das deutsche Recht muss allerdings durch entsprechende Entscheidungen der Gerichte in Dubai angeordnet oder durchgesetzt werden, sodass dies an dem Problem der Rechtsunsicherheit nichts ändern würde, wenn man nicht alle in der Praxis erforderlichen Vorkehrungen schon frühzeitig getroffen hat.
Hinsichtlich der in VAE gelegenen unbeweglichen Vermögensteile kommt aus Sicht der VAE nur das Recht der VAE zur Anwendung (Art. 17 (5) des Zivilkodexes – s.o.). Da diese Vermögensteile in unserem Fall in VAE liegen und man über sie nur nach Recht der VAE verfügen kann, kommt praktisch diesbezüglich nur das Recht der VAE zur Anwendung. Eine Nachlassspaltung wäre daher in der Praxis nicht vermeidbar.


Das anzuwendende Recht hinsichtlich der Form des Testaments - Fall 3:
In dem oben abgewandelten Fall hat der Erblasser keine Wahl bezüglich der anzuwendenden Rechtsordnung getroffen. Nach deutschem Recht sowie dem Recht der VAE kommt die Rechtsordnung der VAE zur Anwendung (s. Fall 1). Nach welchem Recht richtet sich die Frage der formgemäßen Errichtung des Testaments?
Art. 17 (4) des Zivilkodexes der VAE sieht vor, dass sich die Wirksamkeit eines Testaments der Form nach gemäß der Rechtsordnung der Staatsangehörigkeit des Erblassers zurzeit der Errichtung seines Testaments oder des Staates, in dem er sein Testament errichtet hat, richtet. Danach wäre ein nach deutschem Recht wirksam errichtetes Testament jedenfalls auch nach Recht der VAE wirksam. Die Schwierigkeit in der Praxis zur Durchsetzung des Testaments bzw. deutschen Rechts bleibt auch hier unverändert.
Vermeidung von Rechtsunsicherheiten durch die Errichtung eines Nachlassregisters für nichtmuslimische Ausländer bei den DIFC-Gerichten in Dubai
Die erheblichen Probleme und Rechtsunsicherheiten für Ausländer, insbesondere bei vermögens- und erbrechtlichen Angelegenheiten, hat das Emirat Dubai 2004 zu Errichtung des Dubai International Financial Centre (DIFC) veranlasst. Mit dem DIFC wurde eine Freihandelszone geschaffen, die über ihre eigene, vom lokalen Rechtssystem abgekoppelte und grundsätzlich auf englischem Common Law basierende Gerichtsbarkeit verfügt.
Das DIFC hat 2015 ein Nachlassregister für nichtmuslimische Ausländer (Wills and Probate Registry - WPR) bei den DIFC-Gerichten errichtet, das ebenfalls auf dem Common Law (England und Wales) im Wesentlichen basiert. Dem Erblasser ist dementsprechend erhebliche Freiräume bei der Gestaltung seines Testaments eingeräumt worden, wodurch er grundsätzlich frei über sein Vermögen verfügen und die strengen Regelungen der VAE zur Nachlassverteilung umgehen kann.
Ein nach den WPR-Regelungen errichtetes Testament wird beim Nachlassregister über den Wills-Service zur Verwahrung hinterlegt. Beim Eintritt des Erbfalls und nach der Durchführung des im DIFC dazu erforderlichen Verfahrens wird ein „Erbschein“ dem Testament entsprechend erteilt, der sowohl in DIFC als auch im Emirat Dubai sowie die anderen Emirate (über das Emirat Ras Al Khaima) von den zuständigen Behörden und Instituten anerkannt ist. Inhaltlich kann der Erblasser nach einer neuen Gesetzesänderung aus 2019 Bestimmungen im Testament nicht nur über die in VAE, sondern auch die in anderen Staaten gelegenen Vermögensteile treffen (s. Teil II).
Hinsichtlich der Frage des anwendbaren Rechts gilt grundsätzlich entsprechend dem DIFC-Gesetz Nr. 3 aus 2004 Folgendes:
• Die Frage stellt sich nur wenn ein Testament beim DIFC-Nachlassregister hinterlegt wurde. Ansonsten bleibt es bei den Erläuterungen oben.
• Auf das Testament finden die WPR-Regelungen vorrangig Anwendung. Diese enthalten grundsätzlich nur formalen Anforderungen hinsichtlich der Errichtung eines wirksamen Testaments. Dem Erblasser werden erhebliche freie Räume inhaltlicher Bestimmungen eingeräumt.
• Liegt hinsichtlich einer bestimmten Frage keine Regelung vor und wurde hierzu keine konkrete Bestimmung im Testament getroffen, so gilt das Recht, das der Erblasser selber in seinem Testament gewählt hat.
• Fehlt es an einer derartigen Bestimmung, so kann das Gericht des DIFC das Recht anzuwenden, das nach Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung aller Umstände den engsten Bezug zum Erbfall hat.
• Ist dies nicht klar so findet das Recht in England und Wales Anwendung.
Die Errichtung eines Nachlassregisters für nichtmuslimische Ausländer bei den lokalen Gerichten in Dubai
Mit dem Dubai-Landesgesetzt Nr. 15 aus 2017 wurde das Erbrecht für Ausländer weiter ausgestaltet und die Errichtung eines Nachlassregisters für Ausländer auch in den lokalen Gerichten in Dubai angeordnet. Das Gesetz enthält, in Anlehnung an dem in den DIFC-Gerichten errichteten Nachlassregister, allgemeine Regelungen zur Errichtung von Testamenten nach der freien Bestimmung des Erblassers. Die Einzelheiten über die Arbeitsweise des Nachlassregisters der DIFC-Gerichte und der lokalen Gerichte werden in den weiteren Teilen detaillierter dargestellt.
Unsicherheit bleibt dabei hinsichtlich der unbeweglichen Vermögensteile, wenn der Erblasser sein Testament beim Testamentsregistrator der lokalen Gerichte und nicht bei den Gerichten des DIFC hinterlegt. Denn hierzu ordnet das o.g. Gesetz Nr. 15 aus 2017 an, dass hinsichtlich der Immobilien (bzw. der Frage was als Immobilien gelten soll) das ansonsten geltende Recht der VAE (Art. 4) anzuwenden ist. Wird dies auch so in der Praxis umgesetzt (Trotz der erklärten Absicht der Regierung in Dubai zur Erleichterung der Angelegenheiten für die Ausländer) so wird aus Sicht der VAE das Recht der VAE für die dort gelegenen Immobilien gelten (s.o.). Die praktische Umsetzung soll hierzu abgewartet werden.
Rechtsunsicherheiten können jedenfalls durch eine frühere Beratung und anwaltliche Begleitung schön beim Kauf von Immobilien sowie bei der Gestaltung des passenden Testaments vermieden werden. Hierzu können ggf. eine frühere Übersetzung des Testaments auf Arabisch, die Bestätigung und Beglaubigung des Testaments bei den zuständigen Behörden in VAE sowie Hinterlegung des Testaments bei den lokalen Gerichten in VAE zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten führen. In anderen Fällen kann es darüber hinaus notwendig sein, ein Gutachten über das anzuwendende Recht rechtszeitig vorzulegen. Werden bestimmte Vorkehrungen nicht (rechtszeitig) getroffen, so droht die Gefahr der Verteilung des Nachlasses (entgegen dem Willen des Erblassers) gemäß der gesetzlichen Erbfolge nach dem Recht der VAE (s. Teil III).
Wollen Sie in den VAE investieren? Haben sie dort Vermögensteile und Sie haben noch Fragen hinsichtlich dessen Schicksals bei dem Eintritt eines Erbfalls oder wollen Sie bei dessen Eintritt sämtliche Rechtsunsicherheiten beseitigen? So wenden Sie sich gerne an uns mit Ihrem Anliegen. Mit unseren Steuerberatern und Spezialisten im Erbrecht in Deutschland und den VAE betreuen wir gerne ihren Fall und beraten Sie über die richtigen Schritte im Dschungel der Rechtssysteme.



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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