Die Schlüsselgewalt in der Ehe - wenn der Ehepartner mitverpflichtet wird

  • 5 Minuten Lesezeit

Häufig sind die Aufgaben, die im Rahmen der allgemeinen Lebensführung anfallen, zwischen zwei Ehepartnern aufgeteilt. Während der eine für den Einkauf sorgt, fährt der andere das gemeinsame Auto in die Werkstatt – hierbei werden rechtlich betrachtet jeweils Verträge abgeschlossen und beide Ehepartner profitieren von den vorgenommen Geschäften. Fraglich ist, ob der jeweils andere Ehepartner durch die Handlung des anderen Partners gleichermaßen verpflichtet und berechtigt wird? Der folgende Beitrag soll Klarheit schaffen.


Die Regelung des § 1357 BGB 

Ausgangspunkt ist § 1357 BGB. Diesem folgend ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehepartner zu besorgen (= Schlüsselgewalt). Durch diese Geschäfte werden grundsätzlich beide Ehegatten aus dem Geschäft (regelmäßig ein Vertrag) berechtigt und verpflichtet. 

Die Vorschrift dient damit der Regelung, in welchem Umfang die von einem Ehegatten abgeschlossenen Rechtsgeschäfte auch für dessen Ehepartner Wirkung entfalten, auch wenn keine ausdrückliche Vollmacht z.B. in Form einer Urkunde (§ 172 BGB) vorliegt. Grundsätzlich irrelevant ist hierbei der Güterstand, in welchem die Ehepartner leben. 

Hintergrund der Regelung war es ursprünglich, der Ehefrau im häuslichen Wirkungsbereich die Möglichkeit zu geben, die anfallenden täglichen Geschäfte zu erledigen [Jauernig/Budzikiewicz, 18. Aufl. 2021, BGB § 1357 Rn. 1 m.w.N.]. Verpflichtet (und berechtigt) wurde dabei nur der Ehemann. Mit dem Wandel der Zeit wird der Sinn und Zweck der Schlüsselgewalt heutzutage vor allem darin gesehen, dem Ehegatten, welcher den Haushalt führt und sich um die Belange der einzelnen Familienmitglieder kümmert, die nötige wirtschaftliche Bewegungsfreiheit zu ermöglichen [Jauernig/Budzikiewicz, 18. Aufl. 2021, BGB § 1357 Rn. 1]. Dabei begründet § 1357 BGB keine Vertretungsmacht im Sinne von § 164 BGB, sondern wird als familienrechtliche Rechtsmacht sui generis (= eigener Art) angesehen. 


Rechtsfolge von § 1357 BGB

Die Rechtsfolge des § 1357 Abs. 1 BGB liegt nach herrschender Auffassung darin, dass der andere Ehegatte auf vertraglicher Ebene mitverpflichtet wird. Damit haften die Ehegatten als Gesamtschuldner für die Verpflichtung aus dem Vertrag, § 421 BGB. Bestellt also ein Ehepartner Heizöl, so kann der Heizöllieferant auch den anderen Ehepartner zur Zahlung heranziehen. Beauftragt der eine Ehegatte die Reparatur der gemeinsamen Heizung, so kann der Werkunternehmer jeden der Ehepartner zur Zahlung seiner Leistung heranziehen. 

Gleichzeitig wird der andere Ehegatte jedoch auch mitberechtigt, sodass die Ehepartner gemeinsame Gläubiger gegenüber dem Vertragspartner sind, vgl. § 428 BGB. Unabhängig vom anderen Ehepartner kann der Einzelne Leistung fordern. Der Vertragspartner kann dabei schuldbefreiend sowohl an den einen als auch an den anderen Ehegatten leisten. Gleichermaßen kann der einzelne Ehegatte auch Gestaltungsrechte ausüben, d.h. z.B. einen Vertrag anfechten oder den Rücktritt/Widerruf erklären [BGH NJW 2018, 1313, 1315]. 

Zu beachten bleibt, dass § 1357 BGB keine dingliche Wirkung zukommt. Das hat zur Folge, dass ein Gegenstand, welcher im Rahmen eines Schlüsselgewaltgeschäfts erworben wurde, im Grundsatz nicht zugleich im Miteigentum beider Ehegatten steht. Miteigentum kann dann aufgrund rechtsgeschäftlicher Erklärung eintreten.


Voraussetzungen des § 1357 BGB

Um die Wirkungen des § 1357 BGB hervorzurufen, bedarf es zunächst des Zusammenlebens in wirksamer Ehe. § 1357 BGB gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben. D.h. im Zeitpunkt des Vertragsschlusses müssen die Ehegatten zusammengelebt haben. Eine Trennung nach Vertragsschluss ist damit ohne Auswirkung auf den bereits geschlossenen Vertrag und der hiermit verbundenen Verpflichtung und Berechtigung beider Ehegatten. Allerdings ist ein eigenständiger Hausstand nicht von Nöten [MüKoBGB/Roth, 9. Auflage 2022, BGB § 1357 Rn. 13]. 

Bei dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft muss es sich um ein Geschäft zur Sicherung des Lebensbedarfs handeln, sodass nicht alle Rechtsgeschäfte der Schlüsselgewalt unterfallen. Der erfasste Bereich der „Geschäfte zur Sicherung des Lebensbedarfs“ wird tendenziell eher weit gefasst. Eine Orientierungsmöglichkeit bieten dabei die Maßstäbe der Unterhaltsregelungen aus § 1360a BGB. Typische Bedarfsgeschäfte sind vor allem der Lebensmitteleinkauf, der Kauf von Bekleidung für die Familienmitglieder, die Durchführung bzw. Inanspruchnahme von notwendigen ärztlichen Behandlungen, erforderliche Reparaturen im Haushalt, Erledigungen für die Schule der Kinder sowie der Abschluss von Strom-, Heizungs- und Telefon-/Internetverträgen für den gemeinsamen Haushalt. 

Bei ärztlichen Heilbehandlungen ist zu berücksichtigen, dass dies vor allem notwendige Heilbehandlungen und Vorsorgeuntersuchungen umfasst, z.B. jedoch grundsätzlich nicht Schönheitsoperationen. Hierbei verbietet sich jedoch eine pauschalisierende Betrachtungsweise – maßgeblich ist der Einzelfalls, sodass mit Blick auf die jeweilige Lebenssituation der Ehegatten zu entscheiden ist. 

Unter § 1357 BGB können auch Teilzahlungsgeschäfte fallen, d.h. Geschäfte, bei denen eine Abzahlung in Raten vereinbart wurde, sofern sie – wie dargetan – der (angemessenen) Deckung des Lebensbedarfs der Familie dienen. Auch die Kosten für das Haustier der Familie unterfallen § 1357 BGB. Die Kosten für Hobbys der Ehegatten können unter § 1357 BGB fallen, wenn sie den Anspruch auf ein angemessenes Taschengeld aus dem Einkommen der Familie nicht übersteigen [MüKoBGB/Roth, 9. Aufl. 2022, BGB § 1357 Rn. 23]. 

Für die Beurteilung der Angemessenheit wird dabei nicht auf eine durchschnittliche Familie rekurriert, sondern viel mehr auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der konkreten Familie. Entscheidend sind hierbei die nach außen in Erscheinung getretenen Verhältnisse [BGH NJW 2004, 1593; OLG Bremen FamRZ 2010, 1080]. So kann auch der Kauf von Luxusmode angemessen sein, wenn es den wirtschaftlichen Verhältnissen der Familie entspricht und dies im konkreten Kauf auch deutlich wird, beispielsweise weil der kaufende und in Markenkleidung eingekleidete Ehegatte den Kauf weiterer Luxuskleidung vornimmt. Hierbei treten die wirtschaftlichen Verhältnisse auch nach außen in Erscheinung. Unangemessen ist die Deckung des Lebensbedarfs durch ein Geschäft größeren Volumens, welches ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden kann [BGHZ 116, 184; Begr. RegE, BTDrs, 7/650, 99] und über das sich die Ehepartner üblicher Weise vorher absprechen (z.B. Kauf eines Fahrzeugs für einen sechsstelligen Betrag). 


Grundsätzlich nicht erfasste Geschäfte 

Nicht von § 1357 BGB erfasst sind sogenannte „Grundlagengeschäfte“. Dies sind Geschäfte, welche eher seltener vorkommen und von besonderer Bedeutung für die Familie ist. Davon umfasst ist z.B. die Anmietung oder Kündigung einer Wohnung der Familie oder der Abschluss eines Bauvertrages für ein Wohnhaus [BGH FamRZ 1989, 35]. Keine Geschäfte i.S.v. § 1357 BGB sind solche, welche nur dem persönlichen Berufsbereich des einzelnen Ehepartners dienen. 


Ausnahmen

§ 1357 Abs. 1 S. 2 BGB beinhaltet die Option, dass sofern sich aus den Umständen Gegenteiliges ergibt, § 1357 BGB im Einzelfall doch keine Wirkung entfaltet. Dies ist dann der Fall, wenn der Ehegatte ausdrücklich klarstellt, dass er sich alleine verpflichten möchte oder sich aus den Umständen ergibt, dass der andere Ehegatte mit dem vorliegenden Vertragsschluss nicht einverstanden ist. § 1357 Abs. 2 BGB eröffnet die Möglichkeit, dass ein Ehegatte die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen kann. Allerdings entfaltet dieser Ausschluss nur dann Wirkung nach außen, wenn der Ausschluss von § 1357 BGB wirksam im Güterrechtsregister eingetragen ist oder dem (anderen) Vertragspartner bei Vertragsschluss bekannt gewesen ist.

Foto(s): Jana Christina Hartmann

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Jana Christina Hartmann

Beiträge zum Thema