Die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung – zu Recht gefürchtet?

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Viele Arbeitgeber fürchten die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung vor allem aus Sorge vor Beitragsnachforderungen. Im folgenden Rechtstipp stellen wir Hintergründe dar.

Wann erfolgt eine sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung?

Zentrale Rechtsgrundlage für die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung ist der § 28p SGB IV. Dieser verpflichtet die Träger der Rentenversicherung, Arbeitgeber mindestens alle vier Jahre zu überprüfen. Auf den Grund für diesen Zeitraum geht der Beitrag im weiteren Verlauf noch ein. Auf Arbeitgeberverlangen sind auch kürzere Prüfabstände als diese vier Jahre möglich.

Wird die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung angekündigt?

Die Prüfung erfolgt grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung, möglichst einen Monat, spätestens aber 14 Tage vor dem Prüfungstermin. Bei Unregelmäßigkeiten kann die Prüfung jedoch auch ohne vorherige Ankündigung erfolgen, z. B. beim Verdacht der Beitragshinterziehung oder illegaler Beschäftigung – umgangssprachlich also bei möglicher Schwarzarbeit.

Wer führt die sozialversicherungsrechtliche Prüfung durch?

Die Träger der Rentenversicherung sind für sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfungen zuständig. Die konkrete Zuständigkeit einzelner Träger richtet sich dabei nach der Endziffer der achtstelligen Betriebsnummer: Betriebe mit den Endziffern 0 bis 4 werden von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) geprüft. Betriebe mit Endziffer 5 bis 9 werden von ihren Regionalträgern geprüft. Andere Prüfzuständigkeiten gelten für landwirtschaftliche Betriebe, die Familienangehörige beschäftigen.

Wo findet die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung statt?

Wie der Name bereits andeutet, erfolgt die Betriebsprüfung üblicherweise im Betrieb des Arbeitgebers, also im Betrieb vor Ort – das ist jedoch nicht zwangsläufig. Bei bis zu 20 beschäftigen Personen ist die Prüfung auch durch Übermittlung relevanter Unterlagen an den zuständigen Träger mittels einer sogenannten Vorlageprüfung möglich.

Lässt ein Arbeitgeber seine Entgeltabrechnung durch eine Abrechnungsstelle erledigen, z. B. durch einen Steuerberater oder ein Lohnbüro, ist deren Sitz für die Prüfung durch die Regionalträger maßgeblich. Dort erfolgt dann mit Einvernehmen des Arbeitgebers auch die Betriebsprüfung.

Wie läuft die Betriebsprüfung ab?

Unabhängig vom Ort der Betriebsprüfung muss der Arbeitgeber bei der Prüfung angemessen mithelfen. Die Mitwirkungspflichten näher bestimmt § 10 Beitragsverfahrensverordnung (BVV). Anforderungen an Entgeltunterlagen und Beitragsabrechnungen legen § 8 und § 9 BVV fest.

Danach ist dem Prüfer – bzw. bei größeren Unternehmen den Prüfern – ein Raum und Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. 

Angemessen bedeutet jedoch auch nur notwendige Unterstützung bei der Betriebsprüfung und nicht darüber hinaus. Mitarbeiter müssen also beileibe nicht jedem Wunsch des Prüfers Folge leisten. Im Zweifel ist stets die vorherige Rücksprache mit einem Rechtsanwalt zu empfehlen, der dazu am besten kurzfristig erreichbar ist. Von Vorteil ist auch die Erreichbarkeit weiterer Personen wie Steuerberater, Lohnbuchhalter oder Gesellschaftern, die von der Prüfung indirekt betroffen sein können. So lassen sich noch während der Prüfung Unklarheiten schnell klären.

Warum wird eine sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung durchgeführt?

Mit der Betriebsprüfung kontrolliert die Verwaltung, ob der Arbeitgeber seinen Meldepflichten und sonstigen Pflichten rund um den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und weiterer Abgaben nachkommt. Hierzu zählen insbesondere Beiträge zur:

  • Rentenversicherung
  • Krankenversicherung
  • Arbeitslosenversicherung
  • Pflegeversicherung
  • Unfallversicherung
  • Künstlersozialabgabe
  • Insolvenzgeldumlage
  • Insolvenzschutz von Wertguthaben
  • Pflegeversicherung
  • Umlage U1: Entgeltfortzahlung
  • Umlage U2: Mutterschutz
  • Unfallumlage

Geprüft werden dabei auch die Beschäftigungsverhältnisse in den jeweiligen Betrieben und Unternehmen, insbesondere ob das entsprechende Entgelt – z. B. nach Arbeits-, Tarifvertrag oder nach dem Mindestlohngesetz – eingehalten wurde. Wer als sozialversicherungspflichtig beschäftigt gilt, wird anhand einer Vielzahl von Kriterien festgelegt, die u. a. das Bundessozialgericht durch seine Rechtsprechung konkretisiert hat. Das gilt insbesondere für die Annahme einer Scheinselbständigkeit.

Was wird bei einer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung geprüft?

Was geprüft wird, ist ebenfalls gesetzlich in § 28p SGB V und den §§ 7 ff. der Beitragsverfahrensordnung (BVV) geregelt.

Der Prüfungsumfang ändert sich jährlich, häufig stehen aber Statusfragen und somit die Auswertung der Entgeltunterlagen der Beschäftigten im Mittelpunkt der Prüfung. 

Folgende Punkte werden regelmäßig geprüft:

  • Charakterisierung der Beschäftigungsverhältnisse und deren Versicherungspflicht, insb. mit Blick auf Scheinselbstständigkeit
  • Bestimmung und Berechnung des Arbeitsentgelts und dessen Bestandteile
  • Korrektheit und Vollständigkeit der erstatteten Meldungen (DEÜV)
  • Berechnung der Beiträge und deren zeitliche Zuordnung
  • Führung und Sicherung von Wertguthaben
  • Umlagepflicht nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz sowie Umlagebeiträge.
  • Führung und Sicherung von Wertguthaben
  • Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkasse
  • Auswertung des Lohnsteuer-Haftungsbescheides
  • Berechnung, Abführung und Meldung der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung

Welche Folgen kann eine sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung haben?

Ist die Betriebsprüfung abgeschlossen, ist dem Arbeitgeber das Prüfungsergebnis mitzuteilen.

Ist alles in Ordnung, erhält der Arbeitgeber nur eine Prüfmitteilung. Bei Beanstandungen, wie insbesondere bei Beitragsrückständen, ergeht dagegen regelmäßig ein Nachforderungsbescheid. Dabei handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Erscheint dieser fehlerhaft, muss der betroffene Arbeitgeber fristgemäß Widerspruch einlegen. Sonst wird der Verwaltungsakt bestandskräftig.

Welche Beiträge können Behörden infolge einer Betriebsprüfung nachfordern?

Beiträge können regelmäßig für bis zu vier Jahre in der Vergangenheit nachgefordert werden. Aus diesem Grund verlangt das Gesetz eine Betriebsprüfung alle vier Jahre. Bei vorsätzlicher Vorenthaltung der Beiträge kann die Nachforderung sogar Beiträge bis zu 30 Jahre in der Vergangenheit umfassen. Ein Säumniszuschlag von einem Prozent pro angefangenen Monat kann bei verschuldeter Nichtzahlung in beiden Fällen hinzukommen.

Gassmann & Seidel: Was können wir als Anwälte für Sie tun?

Unsere Anwaltskanzlei wurde bereits 1983 von den Rechtsanwälten Gerald Gaßmann und Peter Seidel gegründet. Seit Beginn der anwaltlichen Tätigkeit arbeiten in der Kanzlei Gaßmann & Seidel ausschließlich auf das entsprechende Rechtsproblem spezialisierte Fachanwälte.

Im Bereich „Sozialrecht“ stehen Ihnen die Rechtsanwälte Alexander Seltmann und Andreas Klinger, Fachanwälte für Sozialrecht, zur Verfügung. 

Wir beraten Sie bereits vor und während der Betriebsprüfung und begleiten Sie auch danach, wenn Sie beispielsweise Widerspruch gegen den Nachforderungsbescheid des Rentenversicherungsträgers einlegen wollen. 


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