Die Strafbarkeit der Sterbehilfe im deutschen Strafrecht

  • 7 Minuten Lesezeit

Dieser Aufsatz richtet sich an Ärzte, Patienten und Angehörige gleichermaßen.

Er soll rechtliche Aufklärung von einem Anwalt auf die verschiedenen Facetten der Sterbehilfe bieten.

Bei einer tatsächlichen Betroffenheit kommt es natürlich auf den Einzelfall an, da die Rechtsfolgen unterschiedlicher kaum sein können.

Zur Sterbehilfe aus verfassungsrechtlicher Sicht können Sie den Artikel meines Kollegen Rechtsanwalt Hummel hier einsehen.

Es ist eine der schwierigsten ethischen Entscheidungen, die ein Mensch in seinem Leben treffen muss, wenn er sich dazu entschließt, dem Sterbewunsch eines schwer Kranken nachzukommen. In den meisten Fällen handelt man ganz bewusst gegen seinen eigenen Willen, nur um einem geliebten Menschen die gewünschte Erlösung zu geben.

Oft höre ich in diesem Zusammenhang von Hinterbliebenen, dass es egoistisch wäre, den eigenen Wunsch über das Leid des Sterbenden zu stellen.

Ein Argument, das es meiner Ansicht nach verbietet, darüber zu urteilen.

Grundregelnde Begrifflichkeit und Definition der Sterbehilfe

Jeder der einen sterbenden Menschen auf seinem letzten Weg begleitet, leistet Sterbehilfe.

Der Oberbegriff Sterbehilfe umfasst sowohl die Sterbebegleitung (Hilfe beim oder im Sterben), als auch das Töten oder Sterbenlassen einer meist schwer kranken Person aufgrund ihres ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willens (Hilfe zum Sterben).

Aktive und passive Sterbehilfe – die vier Stufen

1. Stufe

Passive Sterbehilfe 

(nur mit Zustimmung nach richtiger Aufklärung straffrei)

Die passive Sterbehilfe ist der Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen unter Beibehaltung von Pflegemaßnahmen. Ziel ist nicht mehr die Heilung, sondern palliativ die Verbesserung der Lebensqualität.

2. Stufe

Indirekte (aktive) Sterbehilfe

(nur mit Zustimmung nach richtiger Aufklärung straffrei)

Darunter versteht man die unvermeidliche Inkaufnahme der Beschleunigung des Todeseintritts als Nebenfolge der Schmerztherapie.

3. Stufe

Beihilfe zur Selbsttötung

(als assistierter Suizid grundsätzlich straffrei – jedoch konnte nach alter Rechtsprechung eine Strafbarkeit später eintreten, wenn man Rettungsmaßnahmen unterlässt)

Die Hilfeleistung zur Selbsttötung erfolgt meist dadurch, dass jemand tödliche Medikamente beschafft und der Patient diese selbst einnimmt.

4. Stufe

Aktive Sterbehilfe

(strafbar als Tötung auf Verlangen § 216 StGB – in den Niederlanden als Euthanasie dagegen legal, wenn sie ärztlich korrekt durchgeführt wird)

Im Gegensatz zum assistierten Suizid wird die eigentliche Tötungshandlung bei der aktiven Sterbehilfe nicht vom Sterbenden vorgenommen. Häufig ist der Patient gar nicht mehr in der Lage die erlösende Maßnahme selbst vorzunehmen. Die maßgebliche Tatherrschaft kommt von außen.

Die Übergänge zwischen den verschiedenen Stufen aktiver und passiver Sterbehilfe sind fließend und oft nicht eindeutig. Wann stellt das Abschalten einer Maschine ein aktives Tun (Behandlungsabbruch) und wann ein Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen dar?

Diese fließenden Übergänge entscheiden aber in erheblicher Weise über das Vorliegen einer Strafbarkeit. Es kommt stets auf eine umfängliche Einzelfallbetrachtung und die richtige Argumentation an.

Die Strafrechtsnormen

Der Suizid ist nicht strafbar. Eine Strafbarkeit wäre mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit unvereinbar. Folglich kann auch eine Beihilfe zum Suizid ebenso wenig strafbar sein.

Die Sterbehilfe ist im Strafgesetzbuch nicht explizit geregelt. Im Falle einer Fremdtötung kommen der Totschlag (§ 212 StGB), Mord (§ 211 StGB), Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), die verschiedenen Varianten der Körperverletzungsdelikte (insbesondere §§ 223, 224, 227, 229 StGB) und die unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) in Betracht.

Ist das tatsächliche Sterbeverlangen des Verstorbenen nicht bekannt und kann auch eine Patientenverfügung keine abschließende Aufklärung bringen, wird die Tat nicht als Tötung auf Verlangen (aktive Sterbehilfe), sondern als Totschlag bzw. Mord eingestuft.

Verbot der gewerbsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung ist verfassungswidrig

Im Jahr 2015 stellte der Gesetzgeber die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung in § 217 StGB unter Strafe. Mit Urteil vom 26.02.2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Regelung für nichtig, da die Beihilfe zum Suizid, wie bereits dargelegt, nicht strafbar ist.

Sterbehilfe durch Unterlassen von Rettungsmaßnahmen

Begleitet jemand einen Sterbenden, der eine Selbsttötung vornimmt, bei seinem Sterbevorgang, um sicherzustellen, dass keine Komplikationen eintreten, so kann dieses Vorgehen nunmehr nach Ansicht des BGH (Az.: 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18) straffrei sein. Zumindest in diesen beiden Fällen wurden zwei Ärzte freigesprochen, die sich jeweils einzelfallbezogen über den freiverantwortlichen Suizid vorab ausreichend vergewisserten. Nach bisheriger Rechtsprechung kam eine Strafbarkeit nach § 216 StGB in Betracht.

Der BGH ging davon aus, dass ein Tatherrschaftswechsel stattfände, wenn die Bewusstlosigkeit eintritt. Wer einem Bewusstlosen keine zumutbare Hilfe zur Lebensrettung leiste, gleichzeitig aber eine Garantenstellung innehabe, machte sich wegen eines Tötungsdeliktes durch Unterlassen strafbar (wird die Beihilfe zum Suizid durch einen Arzt oder nahen Angehörigen geleistet, ist die Garantenstellung nahezu immer gegeben).

Bisher folgte der BGH der Auffassung, dass der Schutz des Lebens über dem Willen des schwer kranken Menschen stehe.

Nun legt der BGH allerdings den Fokus auf die Eigenverantwortlichkeit des Suizidenten.

Schuldig ohne Verurteilung

Gerade wenn aktive Sterbehilfe durch nahe Angehörige ausgeführt wird, kann § 60 StGB zur Anwendung kommen. Würde der Täter für die Tötung auf Verlangen im Einzelfall eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr verhängt bekommen (Mindestfreiheitsstrafe des § 216 StGB sind sechs Monate), so kann das Gericht von einer Bestrafung absehen, wenn der Täter durch die Tat ohnehin so belastet ist, dass eine Bestrafung verfehlt wäre.

Wichtige Infos für Betroffene

Machen Sie keine Angaben

Was ich meinen Mandanten grundsätzlich immer empfehle, gilt hier umso mehr.

Die innere Willensrichtung des Beschuldigten und der Patientenwillen sind für die Strafbarkeit und die rechtliche Einordnung entscheidend. Machen Sie von Ihrem Schweigerecht unbedingt Gebrauch und reden Sie zuerst mit Ihrem Verteidiger, bevor Sie Angaben gegenüber dem Krankenhaus, Angehörigen oder der Polizei machen. Das ist Ihr Recht. Niemand muss sich selbst belasten.

Eine hohe Haftstrafe ist möglich – daneben drohen berufsrechtliche Konsequenzen

Da es sich um Tötungsdelikte handelt, steht immer eine hohe Straferwartung im Raum.

Daher ist es wichtig, den Vorwurf gänzlich abzuwehren oder auf Strafzumessungsebene das beste Ergebnis zu erzielen.

Privatpersonen können erfahrungsgemäß noch relativ glimpflich davonkommen.

Bei Ärzten und Pflegepersonal steht jedoch zusätzlich die gesamte berufliche Karriere auf dem Spiel.

Wird beispielsweise ein Arzt verurteilt, droht ein zeitiges oder unbefristetes Berufsverbot, der Verlust oder zumindest das Ruhen der Approbation sowie der Entzug einer eventuell bestehenden Kassenzulassung.

Rechtzeitiges Handeln

Generell ist es im Strafrecht extrem wichtig, bereits dann einzuschreiten, wenn man vermutet oder davon Kenntnis erlangt, dass ein Verfahren gegen einen selbst oder einen nahen Angehörigen eingeleitet werden könnte. Wir versuchen bereits im Vorfeld eine Anklage zu vermeiden.

Strategie der Doppelverteidigung

Für spezielle Straftatdelikte mit komplizierter Sach- und Rechtslage, verbunden mit hoher Straferwartung, haben wir ein Modell der Doppelverteidigung entwickelt. Dabei werden Sie stets von zwei Anwälten betreut. Die Erfahrung zeigt, dass die Ergebnisse meist deutlich besser ausfallen. Ich arbeite in diesen Fällen mit meinem geschätzten Kollegen Rechtsanwalt Thomas Hummel zusammen. Als Rechtsanwalt für Strafrecht und Verfassungsrecht prüft er nicht nur die Vereinbarkeit und richtige Auslegung von Strafrechtsnormen im Kontext mit Grundrechten, sondern ist auch spezialisiert auf jegliche Prüfung von Normenkollision und spezialgesetzlicher Regelungen wie dem ärztlichen Standesrecht der Ärztekammern.

Da bei dieser Thematik aktuelle ethische Grundsatzfragen immer eine zentrale Rolle spielen, ist die Prüfung des verfassungsrechtlichen Bezugs unabdingbar. Vergleicht man die aktuelle Rechtsprechung der letzten Jahre, so findet ein stetiger Wandel statt.

Es geht um Ihre Zukunft – hier sollten Sie nichts dem Zufall überlassen.

Hoher Aufwand, hohe Kosten

Wie Sie sehen, handelt es sich dabei nicht um eine Standard-Verteidigung, wie sie bei Bagatelldelikten ausreichend wäre. Die beiden Rechtsanwälte werden intensiv und mehrfach mit Ihnen arbeiten. Jeder Termin bedarf dabei erheblicher Vor- und Nachbereitung. Hinzu kommt ein Studium der oft viele hundert Seiten dicken Verfahrensakten.

Dies äußert sich auch in den Verfahrenskosten. Die Kanzlei muss natürlich auch wirtschaftlich betrieben werden, kann aber angesichts dieses Aufwands nur wenige Mandate gleichzeitig annehmen. Sie müssen daher mit mehreren tausend Euro pro Anwalt rechnen.

Hierfür kann Ihnen aber garantiert werden, dass Sie eine Rund-um-Betreuung erhalten, die nicht nur die rechtlichen Fragen, sondern auch ihre persönlichen Sorgen und Befindlichkeiten im Auge hat.

Das können Sie von uns Erwarten

Wir stehen zuverlässig an Ihrer Seite, um Ihnen die bestmögliche Verteidigung zu bieten.

Der größte Teil unserer Arbeit findet bereits vor der Hauptverhandlung statt. Wenn es die Möglichkeit einer Einstellung ohne Hauptverhandlung gibt, setzen wir alles daran.

Durch geeignete Anträge, Gutachten und Stellungnahmen gilt es, den Verfahrensgang maßgeblich zu beeinflussen.

Stetige Erreichbarkeit und schnelles Handeln an der richtigen Stelle sind unsere obersten Prinzipien. Leider kommen viele Mandanten zu mir, die unzufrieden mit ihrer vorherigen Verteidigung waren. Der Anwalt tut nichts und ist nie erreichbar, heißt es dann oft. Egal ob per Mail, Telefon oder WhatsApp, wir sind für Sie da und lassen Sie nicht im Stich.

Was für uns anwaltliche Routine darstellt, ist für Sie ein einschneidendes Ereignis in ihrem Leben verbunden mit beruflicher und familiärer Zukunftsangst. Das ist uns bewusst.

Ich verstehe die anwaltliche Tätigkeit als höchstpersönliche Dienstleistung, die dazu dient, dass Sie sich um die Angelegenheit nicht mehr kümmern müssen, sondern Entlastung bekommen.

Professionelle Unterstützung ist für uns eine Selbstverständlichkeit.

Wir sind bundesweit für Sie tätig.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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