Erbschaft in Frankreich und die Rechte der Erben

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Die Abwicklung eines Nachlasses mit französischem Vermögen ist nicht nur wegen der Sprachbarriere kompliziert, sondern auch wegen der Unterschiede zwischen den Rechtssystemen. Deutsche Staatsbürger, die eine Immobilie in Frankreich besitzen oder nach Frankreich gezogen sind, fragen sich oft, wie ihr Nachlass unter den Begünstigten aufgeteilt wird. Welche Regeln gelten ohne ein Testament? Gilt ein vor vielen Jahren errichtetes Testament in Frankreich noch uneingeschränkt? 

Ziel dieses Artikels ist es, dem Leser ein klares Verständnis der grundlegenden Regeln des Erbrechts in Frankreich zu vermitteln. Ich werde nicht zu sehr ins Detail gehen, wenn es um internationale Vorschriften wie das Haager Übereinkommen geht. Ich werde mich auf die Grundregeln beschränken. Ich werde zwischen einer Person, die ohne Testament stirbt, und einer Person, die mit einem Testament stirbt, unterscheiden. 

Wenn eine Person in Frankreich stirbt, werden die Vermögenswerte, aus denen der Nachlass besteht, sofort und „automatisch“ von den Erben geerbt. Das Gesetz bestimmt, wer erbt; es handelt sich um die gesetzliche Erbfolge. Diese gesetzlich geregelte Übertragung ist nicht streng zwingend und ausschließlich. Der Verstorbene kann seinen persönlichen und einseitigen Willen in Form eines schriftlichen Testaments zum Ausdruck bringen und damit die Verteilung seines Nachlasses ändern. 

Bevor sich der Notar mit dem Nachlass befasst, muss er die Frage des Domizils klären, d. h. des steuerlichen Wohnsitzes, wenn es sich um internationale Nachlässe handelt. Ein Verstorbener mit Wohnsitz in Deutschland unterliegt nur in Frankreich der Erbschaftssteuer, da nur sein französisches unbewegliches Vermögen dem französischen Recht unterworfen ist. War der Verstorbene jedoch in Frankreich ansässig, kann sein weltweites Vermögen berücksichtigt werden, sofern ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Zu berücksichtigen sind auch der Familienstand und die Anwendung des Haager Übereinkommens vom 14. März 1978. 

Zwei Situationen sind zu unterscheiden: A. die gesetzliche Erbfolge, bei der eine Person ohne Testament stirbt. Der Nachlass des Verstorbenen wird nach einer bestimmten Rangordnung aufgeteilt. B. Eine testamentarische Erbfolge liegt vor, wenn eine Person stirbt und ein Testament hinterlässt. 

A – Erbfolge ohne Testament

Liegt kein Testament vor, wird der Nachlass des Verstorbenen unter den nächsten Verwandten des Verstorbenen nach einer im französischen Recht festgelegten Rangordnung aufgeteilt. 

I - Rechtliche Ansprüche der Kinder 

Die ersten Begünstigten sind die Kinder. Sie gelten neben den Eltern als Vorbehaltserben und erben den Nachlass des Verstorbenen zu gleichen Teilen. Das französische Recht unterscheidet nicht zwischen nichtehelichen Kindern, ehelichen Kindern und Kindern aus einer früheren Ehe, da sie alle die gleichen Rechte in Bezug auf den Nachlass haben. 

Beispiel

  1. Herr A hat 3 Kinder und keinen Ehepartner. Seine 3 Kinder erben je 1/3 seines französischen Nachlasses. 
  2. Herr A hat 3 Kinder und eine Lebensgefährtin, ist aber nie eine PACS- oder Lebenspartnerschaft eingegangen. Seine 3 Kinder erben seinen Nachlass zu gleichen Teilen von je1/3Der Lebenspartner hat kein Recht. 

Wenn keine Kinder vorhanden sind, erben die Eltern die Hälfte des Nachlasses, die andere Hälfte geht an die Geschwister. 

Beispiel: 

  1. Herr A hat keine Kinder, 2 Eltern und 2 Brüder. Sein Nachlass wird wie folgt aufgeteilt: Seine Eltern erben 1⁄2 des Nachlasses, also je 1⁄4. Seine Brüder erben 1⁄2 des Nachlasses, also je 1⁄4. Stirbt ein Elternteil, geht der Anteil an die Geschwister über. Damit verbleiben dem Elternteil 1⁄4 des Nachlasses und den Brüdern 3⁄4. 
  2. Herr A hat keine Kinder, 2 Eltern, 2 Brüder und einen Partner (ohne Lebenspartnerschaft oder PACS). Sein Nachlass wird auf die gleiche Weise aufgeteilt: Seine Eltern erben 1⁄2 des Nachlasses, jeder 1⁄4. Seine Brüder erben 1⁄2 des Nachlasses, also je 1⁄4. Stirbt ein Elternteil, fällt der Anteil an die Geschwister. Dem Elternteil verbleiben 1⁄4 des Nachlasses, den Brüdern 3⁄4. 

Stirbt eine Person ohne Kinder, Eltern oder Geschwister, so geht der Nachlass an die nächsten Verwandten wie Onkel, Tanten und Cousins. 

II. Gesetzliche Rechte des überlebenden Ehegatten 

Das französische Recht hat die Rechte des überlebenden Ehegatten im Laufe der Jahre gestärkt; das jüngste Gesetz ist 2007 in Kraft getreten. 

Sind Kinder vorhanden, so hat der überlebende Ehegatte Anspruch auf ein Viertel des Nachlasses (1/4) oder auf den lebenslangen Anteil (Nießbrauch), wenn es sich um gemeinsame Kinder handelt. Wenn Kinder aus einer früheren Ehe vorhanden sind, erhalten sie nur ein Viertel des Erbes. 

Beispiel:

  1. Herr A ist verheiratet und hat 2 Kinder aus seiner Ehe: Sein Nachlass wird wie folgt aufgeteilt: Der überlebende Ehegatte kann zwischen 1⁄4 oder dem lebenslangen Anteil des Erblassers (1/2) wählen. Die Kinder erhalten entweder 3⁄4 des Nachlasses oder 1⁄2 des bloßen Eigentums (Nue-Propriete). 
  2. Herr A ist verheiratet und hat 2 Kinder aus einer früheren Ehe. Sein Nachlass wird wie folgt aufgeteilt: Der überlebende Ehegatte hat 1⁄4 des Anteils des Verstorbenen (1/2). Die Kinder erben 3⁄4 des Nachlasses des Verstorbenen. 

Sind Eltern vorhanden, kann der überlebende Ehegatte die Hälfte des Nachlasses erben, wenn die Eltern des Verstorbenen noch leben, und drei Viertel, wenn nur ein Elternteil überlebt. 

Beispiel:

  1. Herr A ist verheiratet und seine beiden Eltern leben. Sein Nachlass wird wie folgt aufgeteilt: 1⁄2 an seinen überlebenden Ehegatten, 1⁄2 an seine Eltern. 
  2. Herr A ist verheiratet, und er hat nur seine Mutter. Sein Nachlass wird wie folgt aufgeteilt: 3⁄4 an seine Ehefrau, 1⁄4 an seine Eltern. 

Sind weder Kinder noch Eltern vorhanden, erbt der überlebende Ehegatte dann den gesamten Nachlass vorrangig vor den Geschwistern. Das französische Recht räumt ihm außerdem einen absoluten Vorbehalt von einem Viertel des Nachlasses ein, falls der Verstorbene seinen Nachlass einem Dritten vermachen möchte. 

III. Gesetzliche Rechte des Partners 

Ein Partner erbt ohne Testament keinen Anteil am Nachlass. Das Bestehen einer Lebenspartnerschaft oder eines PACS ändert nichts an dieser Regelung, denn ohne Testament ist der Partner vom Nachlass ausgeschlossen. 

B. Erbschaft mit einem Testament.

Angesichts der Komplexität grenzüberschreitender Erbfälle wurde am 4. Juli 2012 ein wichtiger Schritt zur Erleichterung der Abwicklung eines internationalen Nachlasses für Erbfälle in der gesamten EU beschlossen. 

Die neuen einheitlichen Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen und die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses werden dafür sorgen, dass: 

  • Ein bestimmter Erbfall wird kohärent nach einem einzigen Recht und von einer einzigen Behörde behandelt. 
  • Die Bürger können wählen, ob das auf ihren Nachlass anzuwendende Recht ihr gewöhnlicher Aufenthalt oder ihre Staatsangehörigkeit sein soll.  

Die einheitlichen Regeln der Verordnung sind für die Mitgliedsstaaten ab dem 17. August 2015 europaweit in Kraft getreten. Vor allem aber hat sich England (wie auch Dänemark und Irland) gegen die Verordnung entschieden, so dass das Europäische Erbrecht in England nicht gilt. 

Wenn Sie Deutsche(r) sind, können Sie nach deutschem Recht über Ihren Nachlass verfügen, wie Sie wollen. 

In Bezug auf ein Testament sind zwei Situationen zu unterscheiden. 

  1. Vor der EU-Verordnung errichtetes Testament ohne Rechtswahl 

In diesem Fall kann das Testament nicht in vollem Umfang angewandt werden und es gilt das französische Erbrecht, indem auf Artikel 34 der EU-Verordnung zurückgegriffen wird. In diesem Fall sind die Grenzen für die Verfügung über Ihren Nachlass wie folgt festgelegt. 

 a) Gesetzliche Rechte der Kinder 

Wenn ein Erblasser Kinder hat, wird sein Nachlass aufgeteilt in: 

(i) Den Teil des Nachlasses, der den Kindern aufgrund ihrer gesetzlichen Rechte vorbehalten ist. 

(ii) den Teil des Nachlasses, über den der Erblasser aufgrund seines Testaments frei verfügen kann (der "verfügbare Nachlass"). Der Erblasser kann den freien Nachlass einer beliebigen Person (einschließlich seines Ehegatten) vermachen.Der verfügbare Nachlass wird wie folgt berechnet: 


Anz. d. v. Erblass. hinterl. Kinder     Frei verfügbarer Nachlass


1 Kind                                                    1⁄2 des Gesamtnachlasses

2 Kinder                                                 1/3 des Gesamtnachlasses

3 Kinder oder mehr                             1⁄4 des Gesamtnachlasses

Beispiel:

Herr A hat 2 Kinder, ist nicht verheiratet und hat 2011 ein deutsches Testament errichtet, in dem er seinen Nachlass nur seiner Lebensgefährtin vermacht. Keine ausdrückliche Rechtswahl: Sein Nachlass unterliegt dem französischen Recht "renvoi“ (Entlassung) zu Artikel 34 der EU-Verordnung: Seine Kinder erben 2/3 des Nachlasses und sein Partner erbt 1/3 des Nachlasses als frei verfügbaren Teil. 

Seit 2007 sind die Eltern keine "Vorbehaltserben" mehr, wenn der Verstorbene ein Testament gemacht hat. Sie können z. B. zugunsten eines Ehepartners enterbt werden.  

b) Gesetzliche Rechte des überlebenden Ehegatten 

Hinterlässt der Verstorbene einen Ehegatten und Kinder, sieht das französische Recht eine besondere Regelung für den überlebenden Ehegatten vor, die seine Rechte am Nachlass erhöht. 

Der verfügbare Nachlass wird wie folgt berechnet: Bei Vorhandensein von Kindern: 

aa.       Bei einem Kind: Die Hälfte (1⁄2) des Nachlasses geht an den überlebenden Ehegatten oder ein Viertel (1⁄4) absolut plus drei Viertel (3⁄4) des Nachlasses als lebenslanger Anteil 

bb.      Bei zwei Kindern: Ein Drittel (1/3) des Nachlasses geht an den überlebenden Ehegatten als Alleinerbe oder ein Viertel (1⁄4) als Alleinerbe plus drei Viertel (3⁄4) des Nachlasses als lebenslänglicher Anteil 

cc.       Bei drei oder mehr Kindern: Ein Viertel (1⁄4) plus drei Viertel (3⁄4) des Nachlasses als lebenslänglicher Anteil. 

2. Vor oder nach der EU-Verordnung errichtetes Testament mit Rechtswahl 

Dies ist das einfachste Szenario, bei dem der Verstorbene eine Rechtswahl in Bezug auf die Regelung seines Nachlasses getroffen hat. In diesem Fall wird der Nachlass unter den Begünstigten nach dem für seinen Nachlass geltenden Recht aufgeteilt. Die Anwendung von Artikel 34 der EU-Verordnung wird nicht eingeschränkt. 

Beispiel:

  1. Herr A ist verheiratet und hat 2 gemeinsame Kinder. Er hat ein Testament verfasst, in dem er das deutsches Recht wählt und seinen Nachlass nur seiner Frau vermacht. Das Testament wendet deutsches Recht an und überträgt den gesamten Nachlass auf den überlebenden Ehegatten, wobei die Kinder erst nach dem zweiten Todesfall beerbt werden. 
  2. Herr A ist verheiratet und hat drei Kinder aus seiner früheren Ehe, zu zwei von ihnen hat er keinen Kontakt. Er hat ein Testament gemacht, in dem er das deutsche Recht wählt und 2 seiner Kinder enterbt. Das Testament ist gültig und die beiden Kinder werden gemäß dem Testament enterbt. Die beiden Kinder können das Testament nicht anfechten oder ihre "Reserve" nach französischem Recht geltend machen. 
  3. Herr A ist nicht verheiratet und hat eine Partnerin in einer zivilen Lebensgemeinschaft, zwei gemeinsame Kinder und ein Kind aus einer früheren Beziehung. Er hat ein Testament nach deutschem Recht verfasst und 2/3 seines Vermögens seiner Lebensgefährtin und 1/3 nur einem gemeinsamen Kind vermacht. Durch die Anwendung des Testaments werden sein anderes gemeinsames Kind und das Kind aus einer früheren Beziehung von seinem Nachlass enterbt. 

Schlussfolgerung

Unabhängig davon, ob Sie Ihren Wohnsitz im Deutschland oder in Frankreich haben, müssen Sie sicherstellen, dass Ihr Nachlass gemäß den von Ihnen getroffenen Vorkehrungen an Ihre Begünstigten übergeht. Es gibt persönliche Umstände, unter denen Sie möglicherweise kein Testament benötigen, da das französische Erbrecht von sich aus entsprechend ihren Zielen Anwendung findet. 

Wenn Sie zum Beispiel verheiratet sind und keine Verwandten haben, erbt Ihr Ehepartner Ihren Nachlass auch ohne Testament. Wenn Sie möchten, dass der überlebende Ehepartner den Nachlass mit Ihren gemeinsamen Kindern teilt, kann das französische Erbrecht ausreichend sein. 

Ein Testament ist ratsam, wenn Kinder aus einer anderen Ehe vorhanden sind oder wenn Sie aufgrund Ihrer Lebensumstände ein anderes Recht anwenden möchten. 

Dieser Artikel bezieht sich nicht auf den steuerlichen Aspekt, der in manchen Fällen einen großen Unterschied machen kann. Bei der Beratung zur Nachlassplanung geht es nicht nur um die Anwendung eines Gesetzes, sondern auch um die Berücksichtigung Ihres Familienstandes, Ihres Wohnsitzes, der von Ihnen gewählten Begünstigten und des Wertes des Nachlasses. 

[1] Im französischen Recht ist der PACS ein Vertrag, der zwischen zwei volljährigen natürlichen Personen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts geschlossen wird, um ihr gemeinsames Leben zu organisieren.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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