Erbunwürdigkeit und Pflichtteilsentzug

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In ganz bestimmten und besonders krassen Fällen kann es geschehen, dass ein Erbe seinen Erbteil verliert oder seinen Pflichtteil entzogen bekommen kann.

Erbunwürdigkeit und ihre Folgen

Erbunwürdig wird zum Beispiel, wer den Erblasser vorsätzlich oder widerrechtlich getötet hat, ihn mit Täuschung oder Drohung zur Errichtung oder auch zur Vernichtung seines Testaments bestimmt oder wer das Testament des Erblassers gefälscht oder vernichtet hat.

Ist einer der Tatbestände, die eine Erbunwürdigkeit zur Folge haben, verwirklicht, zum Beispiel das Testament des Erblassers vernichtet worden, dann kann die Erbenstellung des Übeltäters durch eine Anfechtungsklage angegriffen werden.

Anfechtungsberechtigt ist jede Person, der der Wegfall des Erbunwürdigen zustatten kommt, die also einen Nutzen vom Wegfall des Erben hat.

Pflichtteilsentzug und seine Folgen

Beim Pflichtteilsentzug verhält es sich anders als bei der Erbunwürdigkeit:

Während bei der Erbunwürdigkeit andere Personen tätig werden müssen, kann der Pflichtteilsentzug nur durch den Erblasser selbst erfolgen und auch nur durch ein Testament. In dem Testament muss der Pflichtteil ausdrücklich entzogen werden („Meinem Sohn X entziehe ich den Pflichtteil, ….“) und es muss auch die Verfehlung, derentwegen der Entzug erfolgt, ausdrücklich angegeben werden („…., weil er am Abend des 31.12.2022 versucht hat, mich vom Balkon meiner Wohnung zu stürzen. Dies ist aktenkundig bei der Kripo Hamburg unter dem Aktenzeichen ….  .“).

Vorausgesetzt ist natürlich, dass diejenige Person, deren Pflichtteil entzogen werden soll, überhaupt in dem verwandtschaftlichen Verhältnis zum Erblasser pflichtteilsberechtigt ist. Das hängt vom Einzelfall ab; in erster Linie sind pflichtteilsberechtigt der Ehegatte und die Kinder.

Weiterhin vorausgesetzt ist, dass die Person, deren Pflichtteil entzogen werden soll, zumindest einen der Tatbestände für den Pflichtteilsentzug verwirklicht hat, etwa, weil er dem Erblasser nach dem Leben getrachtet hat, die ihm gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt hat oder wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt wurde.

Der Pflichtteilsentzug ist nicht mehr zulässig, wenn der Erblasser dem Übeltäter verziehen hat. Hierfür braucht es allerdings belastbare Anhaltspunkte. Die Tatsache, dass man inzwischen wieder miteinander redet, reicht nicht aus.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Während der Tatbestand für eine Erbunwürdigkeit vor oder nach dem Tod des Erblassers erfüllt gewesen sein kann, muss er für einen Pflichtteilsentzug vor dem Tod des Erblassers erfüllt gewesen sein.

Beiden gemeinsam aber ist, dass die Gründe für eine Erbunwürdigkeit oder für einen Pflichtteilsentzug im Gesetz abschließend aufgezählt sind und daher analogieuntauglich: Wenn also ein Verhalten infrage steht, das einem Grund für einen Pflichtteilsentzug nicht gleicht, sondern nur ähnelt, dann wäre ein Pflichtteilsentzug nicht zulässig.

Der Grund für diese Strenge des Gesetzes ist, dass Erbunwürdigkeit und Pflichtteilsentzug in grundgesetzlich geschützte Rechtspositionen des Erbes bzw. Pflichtteilsberechtigten eingreifen, weshalb der Gesetzgeber die Tatbestände nicht ausgeweitet haben möchte.

Die diebische Tochter

Dass die Strenge des Gesetzes jemanden – pflichtteilsrechtlich – ungeschoren lässt, der dies nach landläufigem Empfinden nicht verdient hätte, zeigt der folgende, kürzlich vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt entschiedene Fall:

Ein Ehepaar hatte sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und die gemeinsame Tochter hierdurch im ersten Erbgang enterbt.  

Nach dem Tod der Mutter machte die Tochter gegenüber ihrem Vater den Pflichtteil geltend und verklagte ihn in erster Instanz erfolgreich.

Zwischenzeitlich hatte sie sich – durch schweren Diebstahl - am Schmuck der Mutter „bedient“.

In der Berufungsinstanz machte der Vater geltend, wegen des von der Tochter begangenen Diebstahls liege ein Fall des Pflichtteilsentzuges vor, so dass die Klage der Tochter abzuweisen sei: „Hätte die Mutter vom Verhalten der Tochter gewusst, hätte sie ihr den Pflichtteil entzogen.“ Das OLG folgte dem nicht:

Daraus, dass der Pflichtteilsentziehungsgrund im Testament genannt werden müsse, so das OLG, folge, dass der Grund vor dem Erbfall, vorliegend also vor dem Tod der Mutter, hätte bestanden haben müssen, und nicht erst nach dem Tod. Eine Analogie deswegen, weil die Mutter gar keine Möglichkeit gehabt habe, ihrer Tochter den Pflichtteil zu entziehen, komme nicht in Betracht. Der Pflichtteilsentzug setze voraus, dass der Erblasser, also die Mutter, selbst das schwere Fehlverhalten als unzumutbar für die Nachlassteilhabe empfinde und sich deshalb für den Pflichtteilsausschluss entscheide.

(OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 18.10.2022, Az. 10 U 88/22, BeckRS 2022, 30962, NJW Spezial 2023, 8).


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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