Fragen und Antworten zum Diebstahl mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen

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Während der normale Diebstahl meist keine hohen Strafen nach sich zieht, kann ein Verstoß gegen § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren führen:

Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter

a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,

b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden.

Es macht also einen erheblichen Unterschied, ob man wegen eines einfachen Diebstahls oder eines Diebstahls mit Waffen angeklagt ist. Für eine erfolgversprechende Verteidigung ist es demnach unerlässlich, sich mit den Besonderheiten dieser Qualifikation auseinanderzusetzen, um vielleicht eine Verurteilung deswegen zu vermeiden.

Ist der Diebstahl mit Waffen auch ein „normaler“ Diebstahl?

Ein Diebstahl mit Waffen bildet einen qualifizierten Tatbestand, der auf dem Grundtatbestand des einfachen Diebstahls aufbaut und zu ihm in einem sog. Stufenverhältnis steht.

Der Diebstahltatbestand ist im Strafgesetzbuch in § 242 StGB geregelt, die Qualifikation in § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Für eine Strafbarkeit wegen eines Diebstahls mit Waffen müssen daher alle Tatbestandsmerkmale des einfachen Diebstahls miterfüllt sein, also die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache.

Darüber hinaus führt die Qualifikation „mit Waffen“ aber dazu, dass die Tat auf einmal deutlich schwerwiegender ist.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein Täter, der eine Waffe bei sich führt, diese im Notfall auch einsetzt. Damit ist eine erhöhte Gefährdung für das Opfer verbunden.

Wie wird die Waffe in § 244 definiert?

Als Waffe kommt jedes technische Instrument in Betracht, das dazu bestimmt ist, als Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu dienen und das dabei erhebliche Verletzungen zufügen kann. Zur Bestimmung, ob ein fraglicher Gegenstand als Waffe zu qualifizieren ist, liefert das Waffengesetz Anhaltspunkte; zudem muss auch das umgangssprachliche Verständnis Beachtung finden. Dass man keinen Waffenschein braucht, bedeutet also noch lange nicht, dass ein Gegenstand keine Waffe im strafrechtlichen Sinne ist.

Ohne Zweifel fallen die Schusswaffen unter den Waffenbegriff; überdies erfüllen die Voraussetzungen aber auch Hieb-, Schlag-, Stoß- und Stichwaffen, die wie Gummi- und Schlagstöcke, Schlagringe oder Kampfmesser generell geeignet und bestimmt sind, als Waffe eingesetzt zu werden.

Ist eine Schreckschusspistole eine Waffe?

Ja, letztlich lassen sich auch Schreckschusspistolen den Waffen zuordnen. Neuerer Rechtsprechung zufolge ähnelt die Schreckschusswaffe technisch einer Schusswaffe und kann beim missbräuchlichen Umgang in entsprechender Weise eingesetzt werden. Aufgesetzte Schüsse aus geladenen Schreckschusswaffen können erhebliche, auch lebensgefährliche Verletzungen verursachen.

Ist der Tatbestand erfüllt, wenn meine Schusswaffe während des Diebstahls nicht geladen war?

Die erhöhte abstrakte Gefährlichkeit setzt regelmäßig eine funktionsfähige und einsatzbereite Schusswaffe voraus. Daher kann das Beisichführen einer ungeladenen oder defekten Waffe den Tatbestand der Waffe nicht erfüllen. Das Gleiche gilt für eine Schein- oder Spielzeugpistole.

Allerdings handelt es sich dabei regelmäßig um sonstige Mittel zur Drohung mit Gewalt (siehe unten).

Ist Pfefferspray eine Waffe?

Ja, auch Pfefferspray und Reizgassprühgeräte sind Waffen. Dies gilt auch dann, wenn sie offiziell nur zur Tierabwehr dienen sollen.

Was ist ein anderes gefährliches Werkzeug im Sinne von § 244?

Der Begriff des gefährlichen Werkzeugs bereitet erhebliche Interpretationsschwierigkeiten und ist lebhaft umstritten. Die unklare Rechtslage sowie die praktische Bedeutung der Problematik fordern qualifizierte Kenntnisse dieser Materie.

Einigkeit herrscht nur dahingehend, dass es sich um waffenähnliche Gegenstände handeln muss, die zumindest eine objektive Gefährlichkeit aufweisen. Das Tatmittel muss aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit geeignet sein, bei entsprechender Verwendung erhebliche Verletzungen herbeizuführen.

Der Bundesgerichtshof kritisiert hier den Gesetzgeber ungewohnt deutlich: Die Fassung der Werkzeugvariante sei missglückt. „Mit den Mitteln herkömmlicher Auslegungstechniken sei eine umfassende, sachgerechte Lösung für alle denkbaren Einzelfälle nicht zu erreichen.“ (BGH, Urteil vom 03.06.2008, Az. 3 StR 246/07). 

Was ist mit Alltagsgegenständen?

Gem. § 244 I Nr. 1b StGB macht sich auch derjenige strafbar, der bei einem Diebstahl „sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden“.

Während Nr. 1a eine objektive Gefährlichkeit des Tatmittels erfordert, sind Werkzeuge oder Mittel im Sinne des § 244 I Nr. 1b sämtliche Gegenstände, die sich zwar zur Anwendung von Gewalt oder Drohung mit Gewalt eignen, die jedoch nach ihrer objektiven Beschaffenheit keine erheblichen Körperverletzungen hervorrufen; auch Alltagsgegenstände, die als ungefährlich bezeichnet werden, sind von der Norm umfasst. Werkzeugeigenschaft besitzen bspw. Schraubenzieher, Nagelfeilen, Halstücher und Weitere. Gemeint sind in erster Linie solche Sachen, die – für einen durchschnittlichen Dritten – aufgrund ihrer äußeren Beschaffenheit den Eindruck einer echten Waffe vermitteln.

Neben dem Beisichführen eines Tatmittels im beschriebenen Sinne setzt § 244 I Nr. 1b StGB eine spezifische Verwendungsabsicht voraus. Der Täter muss den Gegenstand also in der Absicht bei sich führen, einen eventuellen Widerstand des Opfers gegen die Wegnahme gewaltsam oder durch Drohung mit Gewaltanwendung zu verhindern oder zu überwinden.

Bei Gegenständen, die nicht schon aufgrund ihres Aussehens ein Drohpotenzial besitzen, bedarf es einschränkend noch zusätzlich einer Äußerung des Täters. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Klebestift unter der Jacke verborgen wird und der Täter nur behauptet, das sei eine Pistole.

Setzt der Tatvorwurf „Diebstahl mit Waffen“ deren tatsächlichen Gebrauch voraus?

Für die Annahme eines Diebstahls mit Waffen ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Mit anderen Worten setzt der Qualifikationstatbestand keine Verwendung, sondern ausschließlich das Beisichführen eines tauglichen Tatmittels voraus.

Wird die Waffe während des Diebstahls gegen eine Person verwendet, kann es sich um einen schweren räuberischen Diebstahl oder um ein anderes Raubdelikt handeln. Dann ist sehr schnell eine Mindeststrafe von drei oder gar fünf Jahren erreicht.

Bedeutet „Beisichführen“, dass man den Gegenstand in der Hand haben muss?

Nein, das ist nicht notwendig. Die Waffen, Werkzeuge oder Mittel müssen überhaupt nicht am Körper getragen werden. Erforderlich ist aber eine Gebrauchs- oder Griffbereitschaft oder der Täter muss sich des Gegenstandes ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen können.

Was ist, wenn die Waffe/das Werkzeug nicht mitgenommen, sondern gerade gestohlen wird?

Ein Beisichführen muss nicht von Anfang an vorliegen, sondern es reicht, wenn der Täter den Gegenstand zu irgendeinem Zeitpunkt vor Beendigung der Tat bei sich hatte. Das bedeutet, dass man auch dann einen Diebstahl mit Waffen begeht, wenn die Waffe gerade Teil der Beute ist. Die Gefahr, dass es zu bewaffneter Gegenwehr mit einer soeben gestohlenen Waffe kommt, besteht genauso, wie wenn man die Waffe von Anfang an dabeigehabt hätte.

Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn ich das Tatwerkzeug nur zufällig dabeihatte?

Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Kurzum meint Vorsatz das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung.

Der Vorsatz hat sich zunächst auf den einfachen Diebstahl zu erstrecken. Beim Diebstahl mit Waffen ist zudem das Bewusstsein erforderlich, ein funktionsbereites Tatmittel zur Verfügung zu haben.

Insbesondere bei häufig mitgeführten Gegenständen, wie beispielsweise einem Taschenmesser, soll ein entsprechendes Bewusstsein nicht per se auf der Hand liegen. Vielmehr muss ein solches anhand der konkreten Tatumstände nachgewiesen werden.

Mache ich mich selbst dann strafbar, wenn ich zum Waffentragen verpflichtet bin?

Auch diese Frage ist äußerst umstritten. Nach Ansicht der Rechtsprechung ist der Qualifikationstatbestand auch im Falle eines Berufswaffenträgers erfüllt. Beispiel: Ein mit einem Schlagknüppel ausgestatteter Wachmann stiehlt während seiner Arbeit.

In diesen Fallkonstellationen kommt jedoch regelmäßig das Vorliegen eines minder schweren Falles in Betracht.

Erwartet mich tatsächlich eine zehnjährige Freiheitsstrafe?

Die Strafe eines Diebstahls mit Waffen umfasst Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Der Strafrahmen ist gegenüber dem des einfachen Diebstahls stark erhöht. Welche Strafe im konkreten Einzelfall verhängt wird, hängt von der Schwere der Schuld sowie evtl. vorhandenen Vorstrafen ab.

Letztlich hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eines minder schweren Falles eingeführt. Danach beträgt der Strafrahmen drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe. Man muss also auf jeden Fall mit einer Bewährungsstrafe rechnen.

Im Jugendstrafrecht ist sogar bei nur einmaliger Begehung eines Diebstahls mit Waffen eine Jugendstrafe auf Bewährung im Bereich des Möglichen, jedenfalls wird man mit einem Jugendarrest rechnen müssen.

Erkennbar ist schließlich, dass die Höhe der zu verhängenden Freiheitsstrafe eine große Spannweite aufweist, weshalb eine professionelle Rechtsberatung bzw. Verteidigung höchst ratsam ist.

Häufig wird sich die Frage stellen, ob noch eine Bewährungsstrafe angemessen ist oder unmittelbar das Gefängnis droht. Darum ist es notwendig, bereits im Ermittlungsverfahren die richtigen Weichen zu stellen und die Hauptverhandlung gewissenhaft vorzubereiten.

Autoren: Nastasja Ujcic (wissenschaftliche Mitarbeiterin), Thomas Hummel (Rechtsanwalt) und David-Joshua Grziwa (Rechtsanwalt)


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