Gegen Sie wird wegen eines Sexualdelikts ermittelt - was tun ?

  • 3 Minuten Lesezeit

Der Vorwurf, eine Vergewaltigung oder einen sexuellen Missbrauch begangen zu haben, bedeutet für den Beschuldigten oft einen Kampf gegen die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz, seiner Familie oder Ehe und seines Rufes.

Auch wenn Sie als Beschuldigter Ihre Unschuld beteuern, denken Sie immer daran, dass vor Gericht keineswegs immer die Wahrheit ermittelt wird. Der Satiriker Dieter Hildebrand hat völlig zutreffend den Satz geprägt:

"Es reicht nicht, Recht zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechnen!"

Gegen den Vorwurf einer Sexualstraftat ist die Verteidigung zum Schutz der Beschuldigtenrechte und zum Kampf um ein rechtsstaatliches Verfahren besonders gefordert, sieht sich der Mandant doch häufig einer unerträglichen Vorverurteilung ausgesetzt.

In kaum einem Bereich des Strafrechts wirken sich die zur Stärkung der "Opferrechte" neu geschaffenen StPO-Vorschriften so nachhaltig zum Nachteil des Beschuldigten aus. Insbesondere in Sexualstrafsachen findet zudem häufig eine gezielte Einflussnahme von "Opferschutzorganisationen" auf das Ermittlungsverfahren und die Hauptverhandlung statt.

Was bedeutet dies für den Beschuldigten ? 

  • Schalten Sie unverzüglich nachdem Sie von dem gegen Sie erhobenen Vorwurf Kenntnis erlangt haben einen  auf Sexualstrafsachen spezialisierten Strafverteidiger/eine Strafverteidigerin ein!
  • Machen Sie ohne vorherige Rücksprache mit Ihrem Verteidiger/Ihrer Verteidigerin keinerlei Angaben gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft! Sie sind lediglich verpflichtet, sich auszuweisen (§ 111 OwiG), und sind gut beraten, kein Wort mehr zu sagen.
  • Unterschreiben Sie nichts!
  • Behalten Sie die Nerven, auch wenn Ihnen der Vorwurf noch so abstrus erscheint und Sie meinen, ihn durch eine (vor-) schnelle Aussage aus der Welt schaffen zu können.
  • Lassen Sie sich auch durch Drohung mit einer Zuführung zum Haftrichter nicht einschüchtern. Verlangen Sie, sofort Ihren Anwalt anrufen zu dürfen. Wenn Sie keinen Strafverteidiger kennen oder dieser nicht erreichbar ist, so verlangen Sie, den anwaltlichen Notdienst in Strafsachen (in Hamburg 24 Std. erreichbar: 0171-610 59 49) anrufen zu dürfen!
  • Sollte Untersuchungshaft gegen Sie angeordnet werden, haben Sie das Recht auf einen Pflichtverteidiger (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO). Diesen können Sie sich selbst aussuchen. Der Richter bestellt einen Ihnen unbekannten Anwalt nur dann, wenn Sie oder Ihre Freunde/Familie keinen benennen.

Die sachgerechte und konfliktbereite Verteidigung in Sexualstrafsachen setzt die Kenntnis der prozessualen Besonderheiten dieser Verfahren sowie der einschlägigen Rechtsprechung voraus. Ein auf das Sexualstrafrecht spezialisierter Verteidiger/Verteidigerin muss sich zudem mit aussagepsychologischen Gutachten (Glaubwürdigkeitsgutachten) auskennen, da diese in Vergewaltigungs- oder Missbrauchsverfahren besonders häufig eingeholt werden und oft entscheidende Bedeutung für die Urteilsfindung des Gerichts haben.

Zu den Kernpunkten einer Verteidigung in Sexualstrafsachen gehören deshalb: 

  • die Verteidigung mit und gegen ausssagepsychologische Gutachten ("Null-Hypothese" gem. BGHSt 45, 164) sowie die Kenntnis neuerer Entwicklungen in Aussagepsychologie und dazu ergangener Rechtsprechung
  • die Kenntnis der Voraussetzungen der Bestellung eines weiteren Gutachters (§ 244 Abs. 4 S. 2 StPO)
  • die Erfahrung mit der besonderen Problematik potentiell suggestiver Aussagen bei Massenbeschuldigungen in Missbrauchsverfahren
  • der Umgang mit Videovernehmungen durch die Polizei und deren Einführung in die Verhandlung
  • die Kenntnis von Verteidigungsstrategien bei "Aussage-gegen-Aussage-Situationen". 

Scheuen Sie sich nicht, Ihren Anwalt nach entsprechenden Erfahrungen auf dem Gebiet der Verteidigung in Sexualstrafsachen zu fragen. Sie haben das Recht auf eine fachkundige, engagierte und effektive Verteidigung Ihrer Rechte !

Der Autor, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Arne Timmermann aus Hamburg, referiert bundesweit auf Fortbildungsveranstaltungen des RAV zum Thema "Verteidigung in Sexualstrafsachen".


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Arne Timmermann

Beiträge zum Thema