„Häusliches Musizieren“ im Reihenhaus

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Häusliches Musizieren gehört zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung, so dass die hiermit verbundenen Geräuscheinwirkungen in gewissen Grenzen zumutbar und in diesem Rahmen als unwesentliche Beeinträchtigung des benachbarten Grundstückes i.S.d. § 906 Abs. 1 BGB anzusehen sind. Dass sich die Geräuscheinwirkungen durch die Nutzung von Nebenräumen wie etwa Keller oder Dachgeschoss vermindern lassen, rechtfertigt es nicht, dem Nachbarn das Musizieren in den Haupträumen seines Hauses gänzlich zu untersagen. Bei Bestimmung der einzuhaltenden Ruhezeiten kommt es grundsätzlich nicht auf die individuellen Lebensumstände des die Unterlassung begehrenden Nachbarn, wie etwa seine Nachtdienste als Gleisbauer, an. Vielmehr sind beim häuslichen Musizieren die üblichen Ruhestunden in der Mittags- und Nachtzeit einzuhalten. Wann und wie lange musiziert werden darf, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere dem Ausmaß der Geräuscheinwirkung, der Art des Musizierens und den örtlichen Gegebenheiten. Eine Beschränkung auf 2 – 3 Stunden an Sonn- und Feiertagen, jeweils unter Einhaltung üblicher Ruhezeiten, kann hierbei als grober Richtwert dienen.


Der Entscheidung des BGH vom 26.10.2018 – V ZR143/17 – lag folgender Fall zugrunde: Die Nießbraucher eines Reihenhauses begehrten von den Eigentümern und Bewohnern des Nachbarhauses das Ergreifen geeigneter Maßnahmen, dass das Spielen von Musikinstrumenten auf ihrem Anwesen nicht wahrgenommen werden kann. Die Beklagte zu 1. war hierbei nicht allein aus ihrem Miteigentum verpflichtet, gegen das Musizieren des Beklagten zu 2., eines Berufsmusikers, einzuschreiten, da dieser als Miteigentümer das Haus aus eigenem Recht nutzte. Die Grenze der im Einzelnen zumutbaren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund „wertender Beurteilung“ festgelegt werden. Wann Lärmimmissionen im Einzelfall die Schwelle zur Wesentlichkeit überschreiten, unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung. Das in gewissen Grenzen zumutbare Musizieren unterliegt auch nicht allein deshalb weitergehenden Beschränkungen, weil es von einem Berufsmusiker ausgeht. Dieser hat, wenn er sein Instrument im häuslichen Bereich spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker und umgekehrt. Während Musizieren als übliche Freizeitbeschäftigung von dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit umfass ist, soll andererseits dem Nachbarn die eigene Wohnung die zur Entspannung und Erholung notwendige, von Umweltgeräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten. Ein Ausgleich der widerstreitenden nachbarlichen Interessen kann daher im Ergebnis nur durch eine tatrichterlich vorgegebene zeitliche Begrenzung herbeigeführt werden.




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