Kindesunterhalt - werden fiktive Einkünfte zugerechnet, kann dies die wirtschaftliche Handlungsfreiheit verletzen

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Trennen sich Eltern haben Kinder immer einen Anspruch auf Kindesunterhalt. Derjenige Elternteil, der die Kinder nicht dauerhaft betreut ist barunterhalspflichtig. Für die Bestimmung des zu zahlenden Betrages dient die Düsseldorfer Tabelle als Leitlinie. Dabei hängt die Höhe des zu zahlenden Betrags vom Einkommen des Unterhaltsschuldners sowie vom Alter des Kindes abzüglich des Kindergeldes ab. Dem barunterhaltpflichten Elternteil muss jedoch stets genügend Geld übrig bleiben, um seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können (Selbstbehalt als Eigenbedarf). Wird der Selbsterhalt unterschritten heißt dies nicht automatisch, dass kein Kindesunterhalt gezahlt werden muss, vielmehr muss Kindesunterhalt in voller Höhe gezahlt werden, wenn der Unterhaltspflichtige grundsätzlich arbeits- und leistungsfähig ist. Ist das der Fall wird dem Unterhaltsverpflichteten ergänzend zum realen Einkommen ein fiktives Einkommen hinzugerechnet, welches er erzielen könnte (Mangelfallberechnung).

Die Zurechnung fiktiver Einkünfte setzt zunächst voraus, dass subjektive Erwerbsbemühungen fehlen. Des Weiteren müssen die zur Erfüllung der Unterhalspflichten erforderlichen Einkünfte objektiv erzielbar sein. Dies hängt von den persönlichen Voraussetzungen des Unterhaltsschuldner ab, wie etwa dem Alter, beruflicher Qualifikationen, Erwerbsbiographie und dem Gesundheitszustand. Wird objektiv eine Erwirtschaftung vorausgesetzt, die nicht erzielt werden kann, liegt regelmäßig ein unverhältnismäßiger Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG vor. Den Unterhaltsverpflichteten trifft allerdings stets die Darlegungs- und Beweislast.

In einer aktuellen Entscheidung (BVerfG, Beschluss vom 09.11.2020 – 1 BvR 697/ 20) rügte die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, da sie zur Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts verpflichtet wurde, sie aber nicht die erforderlichen Einkünfte zur Unterhaltsbegleichung erwirtschafte. Die Unterhaltsschuldnerin übte eine Teilzeitbeschäftigung mit 20 Stunden aus, ihr wurde jedoch ein fiktives Einkommen von einer Tätigkeit mit 48 Stunden aus ihrem erlernten, aber nicht mehr ausgeübten, Beruf zugerechnet. Dabei blieb unbeachtet, dass die Unterhaltsschuldnerin an einer psychischen Erkrankung leide, weshalb sie nach Einschätzung von Fachärzten höchstens vier Stunden täglich für vier Arbeitstage die Woche arbeiten könne. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass die Verfassungsbeschwerde begründet sei, weshalb das Verfahren zurück an das zuständige Oberlandesgericht (OLG) verwiesen wird. Eine Zurückweisung an das OLG erfolgt, da das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz ist und nicht die konkrete Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin überprüft, sondern nur den Eingriff in Grundrechte. Das Oberlandesgericht hat mithin die erneute Prüfungskompetenz /-pflicht.

Generell ergibt sich die Zurechnung fiktiver Einkünfte zum Einen aus § 1603 Abs. 1 BGB und zum Anderen aus der Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder gem. Art. 6 Abs. 2 GG. Die Ermittlung des fiktiven Einkommens kann immer nur im Wege einer Schätzung bestimmt werden und muss daher stets abhängig vom Einzelfall errechnet werden. Hat der Unterhaltsverpflichtete auf Grund seiner Darlegungspflicht Beweise vorgebracht, müssen, nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, die Instanzgerichte eine Zurechnung fiktiver Einkünfte unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände,  errechnen.

Hierbei zeigt sich, dass in Bezug auf die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsverpflichteten einzelfallabhängig ist und daher im Falle einer Mangelfallberechnung genauestens zu überprüfen ist, in wie weit mitunter keine erweiterte Erwerbsobliegenheit gegeben ist.

Insbesondere in diesen Fällen, um nicht übermäßig belastet zu werden als Unterhaltsverpflichteter, ist eine anwaltliche Beratung von Vorteil.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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